Wie Fake News unsere Erinnerung beeinflussen

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Dass wir gut daran tun, den eigenen Erinnerungen zu misstrauen, ist seit längerem bekannt. Eine aktuelle Studie setzt noch eins drauf: Eine Gruppe von Forscherinnen hat nun gezeigt, dass Fake News beeinflussen, was Menschen für reale Vergangenheit halten. Wie dies genau vonstatten geht, überprüften sie mit einem wegweisenden Forschungsansatz anhand eines realen Beispiels, des Referendums über die Lockerung des Abtreibungsverbots in Irland 2018.

Zur Abstimmung stand eines der schärfsten Abtreibungsgesetze in ganz Europa, das Schwangerschaftsabbruch in fast allen Fällen unter Strafe stellte. Bei dem Referendum ging es um eine Verfassungsänderung, die dem Parlament den Weg für eine liberalere Gesetzgebung ebnen sollte. Die erhitzte Atmosphäre wenige Tage vor dem Abstimmungstermin im Mai 2018 hatten die Wissenschaftlerinnen für ihren Versuch ausgewählt. Versuchsleiterin war die Psychologin Gillian Murphy vom University College Cork (Irland), außerdem wirkte auch Elizabeth Loftus mit, eine Fachkollegin von Murphy und Pionierin der Forschung zu falschen Erinnerungen (False-Memory).

Zunächst gaben sie den 3.140 Versuchspersonen – alle beim Referendum stimmberechtigt – vier echte und zwei erfundene Nachrichtenmeldungen zum Thema Schwangerschaftsabbruch zu lesen, von denen keine offensichtlich als authentisch oder Fake gekennzeichnet war. In den Fake-Texten wurde jeweils den Aktivisten pro bzw. contra Gesetzesänderung illegale Handlungen und aufrührerisches Verhalten unterstellt.

Ein Test ermittelte darüber hinaus ihre kognitiven Fähigkeiten. Außerdem sollten sie angeben, wie sie selbst beim Referendum abstimmen würden. Nach dem Lesen jeder Meldung wurden die Versuchspersonen befragt, ob sie bereits zuvor von den geschilderten Ereignissen erfahren hatten und falls ja, ob sie besondere Erinnerungen daran hatten. Anschließend erfuhren sie, dass zwei der Meldungen erfunden waren, und sollten angeben, welche. Fast die Hälfte schätzte mindestens eine der beiden Fake-Geschichten als authentisch ein, außerdem schilderten viele von ihnen detaillierte – falsche – Erinnerungen an die erfundene Story. Dabei zeigten die Versuchspersonen eine höhere Bereitschaft, die Meldung zu glauben, die die jeweilige Gegenseite in einem schlechten Licht erscheinen ließ.

Für falsche Erinnerungen erwiesen sich Personen mit gutem und schwächerem Ergebnis im Kognitionstest gleichermaßen als anfällig. Jedoch neigten diejenigen mit schwächerem Ergebnis eher zu falschen Erinnerungen bezüglich Verfehlungen der Gegenseite. Nach Ansicht der Forscherinnen spricht dies dafür, dass gute kognitive Fähigkeiten dazu beitragen, eigene Vorurteile infragezustellen.

Bereits für das nächste Jahr, im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl 2020, erwarten Hauptautorin Murphy und ihre Kolleginnen eine Gelegenheit, die entdeckten Effekte außerhalb des Labors zu beobachten. In einer solchen emotional aufgeladenen Atmosphäre werden sich die Wähler wohl vor allem an Skandale "erinnern", die den gegnerischen Kandidaten in einem schlechten Licht erscheinen lassen, vermutet die Psychologin.

Weiterführende Fragestellungen werden dem Team so schnell nicht ausgehen. Drei der beteiligten Wissenschaftlerinnen, Rebecca Hofstein Grady, Linda J. Levine (University of California, Irvine) und Ciara Greene (University College Dublin) kündigten an, als Nächstes den Einfluss falscher Erinnerungen auf das Brexit-Referendum und die #MeToo-Debatte zu erforschen.