Nach Alabama: Kampagne gegen Abtreibungsgesetz in Nordirland

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Pinnwand zum Referendum über die Aufhebung oder Beibehaltung einer Verfassungsklausel zum Schutz der Rechte des ungeborenen Kindes. (2018)
Pinnwand zum Referendum über die Aufhebung oder Beibehaltung einer Verfassungsklausel zum Schutz der Rechte des ungeborenen Kindes. (2018)

Der internationale Aufschrei war groß, als der US-Bundesstaat Alabama einen Gesetzesentwurf vorlegte, der Schwangerschaftsabbrüche als schweres Verbrechen behandelt. Vergleichbar strenge Vorschriften gelten in Nordirland schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Das muss sich ändern, fordern Aktivistinnen und Menschenrechtler.

99 Jahre Haft oder lebenslange Freiheitsstrafe, diese drakonischen Strafen könnten Frauen im US-Staat Alabama demnächst nach einem Schwangerschaftsabbruch treffen. Was dort gerade erst als Gesetzesentwurf verabschiedet wurde, gilt ganz ähnlich in Nordirland bereits seit 1861. Dort droht Frauen lebenslang Gefängnis für Abtreibung, auch Ärzte und Pfleger können für Beihilfe hinter Gitter wandern. Nicht einmal für Vergewaltigungsopfer macht das Gesetz eine Ausnahme, nur bei medizinischen oder psychische Notlagen ist eine Sondergenehmigung möglich – sofern zwei Ärzte zustimmen. Damit hat Nordirland das strengste Abtreibungsgesetz im Vereinigten Königreich.

Eine Kampagne für das Recht von Schwangeren auf Entscheidungsfreiheit soll dies nun ändern. Unter dem Hashtag #NowForNI fordert der British Pregnancy Advisory Service (BPAS) Frauen auf, ihre Unterhaus-Abgeordneten per E-Mail sich für entsprechende Maßnahmen einzusetzen. Die BPAS ist eine gemeinnützige Institution mit dem erklärten Ziel, Frauen sichere, legale Schwangerschaftsabbrüche zu ermöglichen.

"Die ganze Welt sieht zu, wie in Alabama die Menschenrechte von Frauen beschränkt werden. Aber wir dürfen nicht vergessen, das den Frauen in Nordirland diese Rechte stets vorenthalten blieben", heißt es in einer Stellungnahme von BPAS gegenüber dem Sender Sky News.

Die Aktion erlebt enormen Zuspruch. Bereits kurz nach dem Start erhielt die Aktion prominente Unterstützung: Schauspielerin Nicola Coughlan, in Nordirland bekannt durch die TV-Serie "Derry Girls", twitterte am vergangenen Mittwoch, 15. Mai: "Wütend über das Abtreibungsgesetz von Alabama? Nordirische Frauen haben noch immer keinen Zugang zu legalem Schwangerschaftsabbruch im eigenen Land. Unternehmt jetzt etwas. Ich habe gerade meinem Abgeordneten eine E-Mail geschickt – das dauert eine Minute." So wurden vom Mittwochmittag bis Freitag Abend 12.000 Mails an Politiker versandt, das sind immerhin 200 Mails pro Stunde.

Währenddessen machen selbsternannte "Lebensschützer" Stimmung für die Beibehaltung des überholten Gesetzes. Nach ihrer Ansicht werde mit #NowForNI über die Köpfe der nordirischen Bevölkerung hinweg bestimmt. Es seien mehrheitlich englische Twitter-User, die englische Abgeordnete angeschrieben hätten - ohne jegliches Mandat für eine Änderung des Abtreibungsgesetzes in Nordirland.

Im Zuge der Dezentralisierung liegt die Gesetzgebung in Nordirland in Händen des Landesparlaments Northern Ireland Assembly. Es erlässt alle Gesetze, die nicht ausdrücklich in die Zuständigkeit des britischen Parlaments fallen und gilt vielen auch als zuständig für die Abtreibungs-Regelungen.

Doch ist es das wirklich? Zu einer gänzlich anderen Einschätzung kommt der Labour-Abgeordnete und Menschenrechtler Alfred Dubs. Nach seiner Ansicht lässt sich argumentieren, dass "die derzeitige Situation in Nordirland gegen die Menschenrechte von Frauen verstößt und deshalb die Gesetzgebung in den Zuständigkeitsbereich des britischen Unterhauses gehört, ohne eines dezentralen Parlaments."

Viele ungewollt Schwangere reisen für die Abtreibung von Nordirland ins Ausland. Allein in den Jahren 2017 und 2018 ließen mehr als 900 Frauen den Eingriff in England oder Wales vornehmen. Im gleichen Zeitraum wurden nur zwölf Schwangerschaftsabbrüche offiziell genehmigt.

Hinweis: Im Referendum über die Abschaffung des Abtreibungsverbotes in Irland 2018 stimmte die irische Bevölkerung am 25. Mai 2018 über die Änderung des achten Zusatzartikels der Verfassung der Republik Irland ab. Dieser schrieb bislang fest, dass dem Fötus das gleiche Recht auf Leben wie der Mutter zusteht, und verbot somit Abtreibungen in nahezu allen Fällen, es sei denn, dass das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft gefährdet wäre. Bei einer Wahlbeteiligung von 64,13 Prozent stimmten 66,40 Prozent der Abstimmenden der vorgeschlagenen Verfassungsänderung zu. Damit wurde es dem irischen Parlament ermöglicht, Abtreibungen zu legalisieren. Am 13. Dezember 2018 stimmte das Parlament einem Gesetzentwurf zu, der Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche und bei bestimmten medizinischen Gründen darüber hinaus erlaubt.