BERLIN. (hpd) JugendFEIER-Festveranstaltungen haben aktuell Saison, in Berlin und Brandenburg bis zum Samstag, den 4. Juni 2016. Dann sind in dieser Region mehr als 6.300 Jugendliche auf die Bühne gegangen, um sich dem sogenannten "Erwachsenwerden" öffentlich zu stellen und zu bekunden. Evelin Frerk berichtet dazu aus Berlin und aus Altlandsberg im Märkischen Oberland.
Die Tradition der JugendFEIERkultur geht auf das Jahr 1889 zurück. Der Kulturwissenschaftler Dr. Horst Groschopp nahm sich des Themas an und beschrieb den Weg von der Konfirmation zur Jugendfeier. Er geht dabei auf die spannende "Entritualisierung einer Übergangspassage, deren Ost-West-Unterschiede und Fragen an die Perspektiven von Jugendfeiern und Jugendweihen" ein.
Doch bleiben wir im Jahr 2016:
Tradition ist es für die Jugendlichen geworden, sich feiern zu lassen, das Ereignis mit zu gestalten und sich darauf vorzubereiten. In Berlin bietet der Friedrichstadt Palast die Bühne bis zum 4. Juni, jeweils samstags um 9:15 Uhr und um 11:45 Uhr. 1
In Berlin nehmen 15 Prozent der SchülerInnen der achten Klassen an den Feiern teil.
In Brandenburg ist jede sechste Familie an einer mit den dortigen Regionalverbänden organisierten Jugendfeier beteiligt. Das sind in Brandenburg 3.900 Jugendliche. Zuzüglich der 2.800 Jugendlichen aus Berlin ergibt sich die runde Zahl von 6.700 TeilnehmerInnen an den Festveranstaltungen, berichtet der Humanistische Verband, Veranstalter für diese Lebenswendefeiern, die in Märkisch Oberland in Kooperation mit den Landesverbänden angeboten werden. Zur Vorbereitung auf die Zäsur über das pädagogische Kultur- und Freizeitangebot entscheiden sich davon 50 %.
Auf der Bühne ist die JugendFEIER ein Fest in drei Akten, in deren Mittelpunkt die Jugendlichen stehen. Zuerst ist jeweils eine Gruppe zusammen, dann mit dem Namen persönlich aufgerufen und proklamiert steht ein jeder, eine jede einen Moment im Scheinwerfer, blickt, das Buch "LebensWege" in der Hand, gerade und offen der Familie, dem Publikum, der Öffentlichkeit entgegen, mit Applaus, persönlichen Glückwünschen und einer Rose geht der Weg zur Gruppe zurück. Diese Zeremonie bildet das Zentrum eines jeden Aktes. Es wird von Musik, Show, Tanz, ernsten wie lustigen Einlagen begleitet.
Im 1. Akt liegt die Begrüßung der Gäste in den Händen des Veranstalters. Die Kuratoriums- und Vorstandsmitglieder des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg führen in variabler Reihe die 14 Veranstaltungen an.
Im Friedrichstadt Palast beginnt eine Feier sclhicht mit "Guten Morgen, liebe Eltern, liebe Familien, liebe Gäste, ich bin Frieder Otto Wolf und möchte sie als Präsident des Humanistischen Verbandes ganz herzlich zu dieser JugendFEIER 2016 begrüßen. Es beginnt ein Lebensabschnitt, in dem viele neue Erfahrungen auf alle Beteiligten warten und auf den sich die Jugendlich vorbereitet haben." Wieder am Beispiel, denn jeder trägt seine persönliche Note in der Begrüßung hinein, benennt der Philosoph an diesem Morgen aus dem Spektrum der angebotenen Kurse einen, der sich mit humanistischer Philosophie beschäftigt. In beispielhaften Vorbereitungskurs galt es darüber nachzudenken, wie man sich ein Bild von der Welt macht. "Wir haben Fotos angeschaut und gefragt, was sehen wir auf dem Bild, was war vorher, was war hinterher. Wir lagen fast immer falsch, die Welt ist komplexer, als man es sich vorstellt. Und genau das ist Humanismus", fährt Dr. Frieder Otto Wolf, der Professor der Philosophie fort, "wir stellen Fragen. Wir bestärken alle darin, ihr Leben selbstbestimmt nach eigenen Wünschen zu führen. Dafür sind für uns Menschenrechte, Humanität und Solidarität zentrale Werte."
Durch den Präsidenten auf der Bühne folgen die ersten Wünsche an die Jugendlichen für ihren selbstbestimmten Weg ins Leben: "Freuen Sie sich gemeinsam mit den Mädchen und Jungen, die wir heute hier begrüßen, Ihre Kinder." Unter Beifall, Musik und Lichtillumination nehmen diese in den ersten Reihen ihre Plätze ein. Über eine Video-Projektion spricht die Schauspielerin und Sängerin Anna Loos, selbst in Brandenburg an der Havel geboren, auf allen Jugendfeiern 2016 ihre Wünsche: "Man feiert das Datum zwischen Kindheit und Erwachsensein. Das ist eigentlich die schönste Zeit, in der ihr alles machen könnt, in der ihr auch Regeln brechen könnt. Diese Zeit zu genießen, wünsche ich mir und euch, ihr sollt selbstbestimmt sein, traut euch. Genießt den Tag, carpe diem und jetzt: Viel Spaß beim Feiern.“"
2. Akt des Festes: Persönlichkeiten mit Wünschen reihen sich über die Video-Projektion ein: In Berlin der regierende Bürgermeister Michael Müller. Teil der Gesellschaft zu sein und Verantwortung zu übernehmen, sei wichtig, gibt er den Jugendlichen über die Videoprojektion mit, denn daran kann man erkennen, ob jemand erwachsen ist, nicht am Lebensalter sondern daran, ob er für andere da ist und sich einzubringen. "Besonders wichtig sei", so der Regierende Bürgermeister, "sich gemeinsam zu engagieren für Demokratie, für Toleranz, für Meinungsfreiheit. Das macht unsere Gesellschaft aus. Es gibt viel zu tun. Ich wünsche euch für den weiteren Weg und die Zukunft viel Kraft und Mut aber vor allem euch und Ihnen heute eine großartige Feier."
Die Jungen HumanistInnen Berlin-Brandenburg, vertreten durch ihren Vorstandvorsitzenden Thomas Fehse, mit Alina Schmitz und Maximilian Schmeiser stellen sich vor und laden zum mitmachen ein. "JuHu", steht mit dem Ziel, raus aus dem Alltag mit Abenteuercamps, Integrationsfahrten, Bildungsreisen, Workshops, Aktiv-Wochenenden. Vor sieben Jahren, so erinnert Maximilian sich an seine JugendFEIER fühlte er die Aufgabe vor sich, "Erwachsen zu werden, Verantwortung übernehmen" und das ist gelungen.
Der 3. Akt. In Berlin ist der Festredner – traditionell eine Überraschung. Am vergangenen Samstag trat der Konfessionslose, Vater von drei Kindern und Diplom-Jurist Gregor Gysi auf die Bühne. Als Redner bereits ausgezeichnet waren nach der Begrüßung (Liebe Eltern, liebe Großeltern, liebe Geschwister, liebe weitere Angehörige, liebe Gäste und vor allem, liebe Jugendliche ...) seine zu diesem Anlass an die Jugendlichen gerichteten Worten eher ungewöhnlich und erreichten ein belustigtes, fröhlich auf Applaus gestimmtes Publikum: "Heute erleben Sie die Jugendfeier als Zeichen dafür, dass Sie nun schrittweise erwachsen werden. Sie haben mehr Rechte aber auch mehr Verantwortung. Ab jetzt beginnt für Sie zum Beispiel auch eine neue Zivil- und Strafrechtverantwortlichkeit. Danach können Sie maximal für 10 Jahre in einem Gefängnis eingesperrt werden."
Ein Blick nach Altlandsberg, zu den JugendFEIERN 2016 in Märkisch Oberland
Der schönste Raum der historischen Stadt wurde für die Feier gewählt. Um es gleich zu sagen, es ist die ehemalige Schlosskirche. Sie gehört dem Areal des Schlossgutes an. Vor 20 Jahren begannen in der Altstadt Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten. Seit Mai 2015 steht die profanisierte Schlosskirche als soziokulturelles, multifunktionales Veranstaltungszentrum zur Verfügung. In diesem bekannten und vorher religiösen Gebäude fanden erstmals die JugendFeiern und in Kooperation mit den Regional-Verbänden statt.
Der Rahmen der Veranstaltungen in Altlandsberg ist gleich den anderen JugendFEIERN dieses Jahres. Es ist ein Fest in drei Akten, in dem die Jugendlichen das Zentrum bilden.
Wie in Berlin, sprachen auch in Altlandsberg Persönlichkeiten des Öffentlichen Lebens über eine Video-Projektion, beispielsweise Anna Loos, die auch im Friedrichstadt Palast ihren Input gab, der "Mitten im Leben" stehende Ex-Boxer, Axel Schulz und Joko Winterscheidt, Fernsehmoderator, der Mut macht und berichtet, wie er sich für seinen Beruf entschieden und durchgesetzt hat.
Und Stephan Wapenhans geboren in Barby, Sachsen-Anhalt, realisierte hier in Altlandsberg seinen Vorsatz, "… ich finde es schön, etwas für die Region etwas zu tun." Wapenhans, Sänger und Schauspieler, Kulturmanager mit internationalen Adressen und erstem Wohnsitz in Wien, inszenierte hier die JugendFEIER 2016. Er führte durch die Veranstaltungen, moderierte, arrangierte die Show und hielt die Festrede mit dem Titel: "Erwachsen werden? ... wer will das eigentlich? Und warum?"
In Altlandsberg erinnere ich als letztes Bild eine Familie, in deren Kreis der älteste Mann eine junge Frau, die eben noch auf der Bühne stand, dort Glückwünsche und die Rose entgegen genommen hatte, nun mit den Worten in seinen Arm nahm: "Mädel, war das schön".
- Hier wie auch bei den kommenden JugendFEIERN in Brandenburg sind Restkarten an der Tageskasse zu bekommen. ↩︎