Das Strafverfahren gegen den Kölner Kardinal Woelki und ein Brief an den Papst

Für 26.000 Euro lässt sich Unschuld nicht kaufen

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Der "Zappel-Woelki" vor dem Kölner Dom
"Zappel-Woelki" vor dem Kölner Dom

Nachdem der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki 26.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt hat, ist das Ermittlungsverfahren gegen ihn in Sachen falsche Versicherung an Eides statt und fahrlässiger Falscheid nun endgültig eingestellt worden. Doch die Staatsanwaltschaft widerspricht der Interpretation, dass Woelki damit "unschuldig" sei. Dies hatte das Erzbistum Köln in einer Pressemitteilung verbreitet. Und: In einem Offenen Brief an Papst Leo XIV. fordern verschiedene katholische Persönlichkeiten, Woelki von seinem Posten abzuberufen. Dieser sei durch die Ermittlungsergebnisse "moralisch vollständig korrumpiert".

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Woelki

Die Staatsanwaltschaft Köln hatte mehr als zwei Jahre lang gegen Kardinal Woelki wegen möglicher falscher Versicherung an Eides statt und möglichem Falscheid ermittelt. In dem presserechtlichen Verfahren gegen die Bild-Zeitung ging es darum, in welchem Zeitpunkt Woelki über Missbrauchsvorwürfe gegen katholische Amtsträger Bescheid wusste. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen hatten ergeben, dass der Kardinal durchaus falsche Angaben gemacht hatte – ein Vorsatz konnte ihm aber nicht nachgewiesen werden. Wohl aber habe er fahrlässig gehandelt. Zu diesem Schluss kam die Staatsanwaltschaft.

So hatte Woelki beteuert, erst im Juni 2022 erstmals mit Missbrauchsvorwürfen gegen den früheren Chef der Sternsinger befasst gewesen zu sein. Die Auswertung der Kommunikation des Kardinals hat aber nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft gezeigt, dass er sich schon Jahre vorher mit dem Fall auseinandergesetzt habe. Ihm könne jedoch nicht nachgewiesen werden, dass er sich bei der Abgabe seiner Versicherung an Eides statt im Jahr 2022 noch daran erinnert habe. Also: kein Vorsatz nachweisbar. Bleibt jedoch fahrlässiges Verhalten. Ebenso wie bei einer Aussage 2023 vor dem Landgericht Köln, in der es darum ging, wann er von sexuellen Übergriffen eines Pfarrers erfahren habe. Auch hier sei die Aussage von Woelki falsch gewesen, ohne dass ihm aber Vorsatz nachgewiesen werden konnte, so die Staatsanwaltschaft.

Die umstrittene Verfahrenseinstellung gegen Geldzahlung

In Fällen wie diesen kommt vor deutschen Strafgerichten immer wieder der Paragraf 153a der Strafprozessordnung zur Anwendung. Danach kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts und des Beschuldigten das Verfahren einstellen, wenn die "Schwere der Schuld" nicht entgegensteht. Wenn also eine Schuld als gegeben angesehen wird, aber die Strafzumessung bei einem späteren Urteil nicht besonders hoch ausfallen würde. Und wenn der Beschuldigte im Gegenzug einer Auflage nachkommt, insbesondere eine Geldsumme an eine gemeinnützige Einrichtung zahlt.

Der Paragraf ist umstritten. Einerseits dient er der Prozessökonomie, weil er der Justiz weitergehende intensive Ermittlungen erspart. Ein Beschuldigter wiederum hat ein Interesse an einer solchen Verfahrenseinstellung, weil ein mögliches Strafurteil einen Makel bedeutet hätte. Andererseits wird eine solche Art von Deal kritisiert, weil die Schuldfrage nicht endgültig geklärt wird und weil vor allem betuchte Beschuldigte es sich leisten können, eine entsprechend hohe Geldsumme zu bezahlen. Und sich somit von strafrechtlichen Vorwürfen "freikaufen" können. Im Fall von Kardinal Woelki einigten sich Staatsanwaltschaft, Gericht und der Beschuldigte darauf, dass der Kardinal zwei Monatsgehälter, insgesamt 26.000 Euro, an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen solle – dann werde das Verfahren eingestellt. An welche Einrichtung das Geld nun floss, wurde nicht bekannt.

Kann Woelki nun seine Hände in Unschuld waschen?

Doch der Vorgang war nicht dazu geeignet, seitens des Beschuldigten in Siegesgeheul zu verfallen. Ihm persönlich mag das auch nicht vorzuwerfen sein. In einer Pressemitteilung des Erzbistums Köln wurde er so zitiert:

"Ich bin froh und dankbar, dass wir hier jetzt zu einem Schlusspunkt gekommen sind. Jetzt können wir uns mit ganzer Kraft den herausfordernden Zukunftsaufgaben widmen. Gemeinsam mit den vielen Engagierten im gesamten Erzbistum möchte ich neue Erfahrungsorte des Glaubens schaffen und wieder mehr Menschen für Christus und das Evangelium gewinnen."

Doch es gibt dort auch ein Passage, die an die berühmte Redewendung "Ich wasche meine Hände in Unschuld" erinnert. Zur Herkunft dieser Redewendung heißt es auf katholisch.de:

"Das Matthäus-Evangelium berichtet, dass der römische Statthalter Pontius Pilatus eigentlich von der Unschuld Jesu überzeugt war, ihn jedoch auf Druck der Priester und Schriftgelehrten und des Volkes zum Tode verurteilte. Um zu dokumentieren, dass er mit dem Urteil eigentlich nichts zu tun haben wollte, ließ er eine Schüssel mit Wasser bringen, wusch sich die Hände und erklärte: 'Ich bin am Blut dieses Menschen nicht schuldig.' Gebraucht wird dieses geflügelte Wort seitdem, wenn jemand die Verantwortung für etwas zurückweist und mit einer Entscheidung oder einem Vorgang nichts zu tun haben will."

Zurück zur Pressemitteilung des Erzbistums Köln, in der es in Verkennung der weltlichen Rechtslage heißt: "Kardinal Woelki ist unschuldig und hat nicht gelogen."

Der Sprecher der Kölner Staatsanwaltschaft, Ulrich Bremer, findet diese Sicht der Dinge schon "ziemlich stark". Dem Kölner Stadt-Anzeiger sagte er: "Ich kann dem nur entgegnen, dass wir in zwei Fällen einen hinreichenden Tatverdacht festgestellt haben, dass der Kardinal also in zwei Fällen falsche Angaben gemacht hat." Die Staatsanwaltschaft sei überdies "immer davon ausgegangen, dass es im Fall einer Anklage überwiegend wahrscheinlich zu einer Verurteilung gekommen wäre, weil der Beschuldigte falsche Angaben gemacht hat."

Der Strafrechtler Thomas Weigend sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, im Ergebnis bleibe der Sachverhalt aufgrund der Einstellung ungeklärt. Insofern könne man die vom Landgericht Köln bestätigte Verfügung der Staatsanwaltschaft nicht als offizielle Feststellung verstehen, dass Kardinal Woelki "nicht gelogen" habe. "Im Gegenteil: Der plausibel begründete Verdacht, dass Kardinal Woelki einmal fahrlässig eine objektiv falsche eidesstattliche Erklärung abgegeben und einmal eine objektiv falsche Aussage unter Eid vor Gericht gemacht habe, bildet gerade die Grundlage der Einstellungsverfügung."

Massive Kritik und ein Offener Brief an den Papst

Der Kieler Rechtsanwalt Trutz Graf Kerssenbrock ordnet das Geschehen nicht nur rechtlich ein, sondern liefert auch eine politisch-moralische Analyse, wenn er schreibt: "Ein Amtsverzicht von Woelki hätte eine Verantwortungsübernahme unabhängig von strafrechtlicher Schuld signalisiert. Und ein klares Zeichen gesetzt, dass die Kirche institutionelle Glaubwürdigkeit über den Schutz einzelner Würdenträger stellt." Stattdessen, so der Jurist, wirke der Verbleib im Amt nach der juristisch formal korrekten Verfahrenseinstellung wie ein Versuch, das Thema auszusitzen. Doch auch ohne Verurteilung "bleibt ein massiver Vertrauensverlust zurück – sowohl in die Person Woelki als auch in die institutionelle Kirche." Graf Kerssenbrock weiter: "Ein Kardinal, der objektiv eine falsche eidesstattliche Erklärung abgegeben hat, bleibt moralisch kompromittiert – auch wenn kein Vorsatz festgestellt wurde." Stattdessen entstehe der Eindruck einer Kirche, die "weiterhin mit innerer Abwehrhaltung auf berechtigte Kritik reagiert – was insbesondere vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals institutionelles Vertrauen weiter untergräbt."

Sind schon die Worte des Juristen klar und deutlich, so verschärfen einige katholische Kritikerinnen und Kritiker den Ton noch einmal drastisch. Zwölf Unterschriften, darunter auch die der Kirchenrechtler Thomas Schüller und Wolfgang F. Rothe, trägt ein Brief an den Papst, der zugleich eine Online-Petition ist – unterstützt von mittlerweile mehr als 55.000 Fürsprechern.

In dem Brief an den "Heiligen Vater" wird zunächst der juristische Sachverhalt und der Verfahrensgang geschildert. Man bitte den Papst "inständig darum, die Erzdiözese Köln und die katholische Kirche in Deutschland baldmöglichst von der enormen Belastung zu befreien, die die Person und das Verhalten von Kardinal Woelki darstellen". Kardinal Woelki ist vor dem Hintergrund des Verfahrens "moralisch vollständig korrumpiert".

Weiter heißt es in dem Schreiben an den obersten Chef im Vatikan mit Blick auf den Kölner Kardinal:

"Er hat jede Glaubwürdigkeit verloren, und zwar in der Öffentlichkeit ebenso wie innerhalb der Erzdiözese Köln und der katholischen Kirche in Deutschland. Verantwortliche in Politik und Gesellschaft wollen nicht mit ihm zusammen gesehen, Pfarrgemeinden nicht von ihm besucht, Firmbewerberinnen und -bewerber nicht von ihm gefirmt werden. Sein Verhalten ist ein schwerer Schlag ins Gesicht der vielen Opfer von sexuellem Missbrauch und macht die Bemühungen zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in den anderen deutschen Diözesen und in der Weltkirche zunichte. Kardinal Woelki ist sowohl innerhalb der Erzdiözese Köln als auch innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland weitestgehend isoliert. Er ist ein Hirt ohne Herde. Und das Erzbistum Köln ist eine Herde ohne Hirten."„“

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