Wie die türkische Regierung die LGBTQI-Community drangsaliert

In Haft wegen "schwulem Aussehen"

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Gay Pride Parade Istanbul 2012.

In der Türkei steht die LGBTQI-Community zunehmend unter Druck der Regierung. Trotz Verbots und Straßensperren trafen sich Ende Juni Hunderte von Menschen zur Parade Gay Pride Istanbul, wo es zu mehreren Festnahmen kam. Einen Einblick in die Situation von Festgenommenen gibt nun ein Augenzeugenbericht.

Wie der Portugiese Miguel Alvaro auf Instagram schildert, sei er als Urlauber am Rande der Unruhen um die verbotene Parade von der Polizei festgenommen worden. Man warf ihm vor, dass er "schwul aussieht". Erst 19 Tage später folgte die Entlassung. Dabei habe Alvaro von der Kundgebung gar nichts gewusst, sondern wollte lediglich von seiner Unterkunft ins Touristenviertel Balat, stieß aber auf eine Polizeisperre. Als er die Beamten nach dem Weg fragte, hätten sie ihn, statt zu antworten, in Haft genommen.

"Sie fragten mich, wohin ich gehe. Ich sagte, ich gehe zu diesem Touristenort. Und sofort sagten die Polizisten: Verhaftet ihn. Sie nahmen mich mit und hielten mich gegen ein Polizeifahrzeug. Acht Polizisten haben mich umzingelt. Einer hat auf mich eingeschlagen. Er schlug mir auf die Brust, stieß mich gegen den Lieferwagen und streifte auch die Schulter, sodass ich an der Schulter blutete. Ich wurde in diesen Polizeiwagen geworfen. Sie banden mir diese Plastikkabelbinder um die Handgelenke und sperrten mich praktisch ein", zitiert die Frankfurter Rundschau aus Alvaros Bericht.

Fünf Stunden seien vergangen, bis er von den Beamten den Grund für seine Verhaftung erfahren habe. Insgesamt sei er gemeinsam mit anderen Festgenommenen 13 Stunden lang in einem Polizeitransporter eingesperrt gewesen, ehe man sie zur Haftanstalt im Stadtbezirk Tuzla brachte. Die Situation dort schildert Alvaro als "Albtraum". In den 20 Zellen seien die Gefangenen auf engem Raum zusammengesperrt gewesen, mit verschmutzten Bettlaken, dem Boden voller Urin und Maden auf den Betten.

Es hätte an Nahrung und Wasser gemangelt, zudem habe man Alvaro und seinem Begleiter den Zugang zu ihren Telefonen entzogen, so dass sie weder Angehörige noch andere Personen informieren konnten. 20 Tage habe es gedauert, bis Miguel Alvaro nach Portugal abgeschoben wurde. Er erhielt drei Jahre Einreiseverbot in die Türkei.

Willkürliche Festnahmen, menschenunwürdige Haftbedingungen, aber auch Folter und andere Misshandlungen in türkischen Gefängnissen werden auch in einem Bericht dreier NGOs angeprangert. Die Herausgeber, die türkische Menschenrechtsstiftung TIHV, der Menschenrechtsverein IHD und der Türkische Ärztebund TTB, führen dies auf den zunehmenden Autoritarismus der Regierung zurück.

Auch die LGBTQI-Community ist häufig Ziel staatlicher Repressalien. Bereits in früheren Jahren war die Gay Pride-Parade in Istanbul ein Brennpunkt des Protestes gegen Präsident Erdoğan. Dieser hatte im Präsidentschaftswahlkampf die LGBTQI-Bewegung als "pervers" diffamiert und ein strengeres Vorgehen der Regierung angekündigt.

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