Lesben- und Schwulenverband (LSVD) kommentiert

Papst: Keine „Freude der Liebe“ für Lesben und Schwule

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Jorge Mario Bergoglio
Jorge Mario Bergoglio

BERLIN. (lsvd) Die Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens "Amoris Laetitia" ("Freude der Liebe") von Papst Franziskus kommentiert Manfred Bruns, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD).
 
Das nachsynodale Papstschreiben ist eine Enttäuschung für alle, die sich mehr Akzeptanz und Wertschätzung von Lesben, Schwulen, ihren Beziehungen und Familien erhofft hatten. In knapp 15 Zeilen macht das 300seitige Schreiben klar, dass Lesben und Schwulen mit Respekt begegnet werden soll und sie nicht "in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen" seien, um gleich darauf festzustellen, dass die "Freude der Liebe" für sie nicht gilt. Stattdessen soll ihnen geholfen werden, den Willen Gottes ganz zu erfüllen, sprich enthaltsam zu leben und auf Liebe und Sexualität zu verzichten, Umpolungs- und Heilungsangebote inklusive.

Während mit Kolumbien gestern der 22. Staat weltweit die Ehe für Lesben und Schwule geöffnet hat, kritisiert der Papst diese Entwicklungen zu gleichen Rechten, Vielfalt und Respekt. Stattdessen sorgt er sich, dass angeblich Entwicklungsgelder davon abhängig gemacht werden, ob Staaten die Eheöffnung ermöglichen. Das verkennt die Lage komplett. Wo die Frage nach der Konditionalität von Entwicklungsgeldern auftaucht, ging es ausschließlich um strafrechtliche Verfolgung bis hin zur Todesstrafe, um brutale Verfolgung und Gewalt. In vielen Ländern werden die grundlegenden Menschenrechte von Lesben und Schwule wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Meinungsfreiheit oder das Recht auf Privatsphäre massiv verletzt. Oftmals legitimiert die katholische Kirche vor Ort strafrechtliche Verschärfungen und trägt damit Mitverantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen. Dagegen hätte sich der Papst verwehren sollen, statt sich über Kritik an Ortskirchen zu empören.

Einzige Neuerung ist, dass die nationalen Bischofskonferenzen mehr Spielraum haben, wenn es um die praktische Auslegung moralischer Normen auf dem Gebiet der Sexualität geht. Der LSVD erwartet, dass sich die deutschen Bischöfe für eine Erweiterung des Familienbildes aussprechen, auch mit Blick auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. Die gesellschaftspolitische Debatte über die Öffnung der Ehe für alle hat dazu geführt, dass Bischöfe und Laien sich für eine veränderte Haltung ausgesprochen haben, so etwa das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) in seiner Erklärung "Zwischen Lehre und Lebenswelt Brücken bauen" vom 09.05.2015. Hier forderte das ZdK u.a. eine Weiterentwicklung von liturgischen Formen, insbesondere auch Segnungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Die Bischofskonferenz muss endlich erkennen, dass auch die große Mehrheit der Katholiken in Deutschland für eine offene Gesellschaft steht und die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare als wichtige Gerechtigkeitsfrage ansieht.

In der evangelischen Kirche werden Lesben und Schwule immer mehr als gleichberechtigte Gemeindeglieder akzeptiert. Aus einer modern-protestantischen Perspektive wird heute nicht mehr unbedingt nach der äußeren Form einer Partnerschaft, sondern nach den dort gelebten Werten gefragt. So diskutiert die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am Wochenende, ob sie zukünftig die Liebe zweier Menschen traut – egal ob ‪‎lesbisch, ‎schwul oder heterosexuell. Das zeigt deutlich: Religion und Akzeptanz von Lesben und Schwulen können sehr wohl miteinander vereinbar sein.