Hamburg: Alles in einen Topf beim Religionsunterricht

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Die Stadt Hamburg hat nun festgelegt, dass ab dem kommenden Schuljahr alle Schülerinnen und Schüler an einem gemeinsamen Religionsunterricht teilnehmen sollen. Damit fallen zwar auch die einzelnen konfessionell gebundenen Religionslehren weg, der Ethikunterricht allerdings ebenfalls. Verfassungsrechtliche Bedenken hat die Hamburger Schulbehörde dabei keine.

Nachdem nun auch das Hamburger Erzbistum den Plänen des Hamburger Senats zugestimmt hat, wird das anfangs auf zwei Jahre ausgelegten Modellprojekt "Religionsunterricht für alle" ab dem Sommer nun in allen staatlichen Hamburger Schulen eingeführt. Damit werden sämtliche Fächer der Religionslehre und des Ethikunterrichts zu einem einzigen Fach gebündelt.

"Die verschiedenen Religionen bleiben Pflichtthema, werden aber authentischer unterrichtet. Darüber hinaus werden zahlreiche Fragen nach Werten, nach einem gelungenen Zusammenleben und sogar Religionskritik erörtert", heißt es erst einmal vielversprechend in der jüngst erschienenen Pressemeldung.

"Der Beitritt des katholischen Erzbistums zum 'Religionsunterricht für alle' kann einen Impuls für ganz Deutschland setzen", freut sich Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) und sieht in dem von ihm verwirklichten Modell sogar einen möglichen Entwurf für ganz Deutschland. Tatsächlich ist es in Hamburg gelungen, alle großen Religionsgemeinschaften an einen Tisch zu bekommen. So hat das Modellprojekt, das ursprünglich von der Evangelischen Nordkirche, mehreren muslimischen Religionsgemeinschaften sowie der alevitischen und der jüdischen Gemeinde unterstützt worden war, nun auch seine Beitrittszusage vom katholischen Bistum in Hamburg erhalten. Dies scheint dem Hamburger Senat auszureichen, um ab dem nächsten Schuljahr nur noch ein gemeinsames Fach "Religionsunterricht für alle" anbieten zu wollen. Keine Repräsentanz erfährt dabei allerdings die große Gruppe der Konfessionslosen.

Doch auch rechtlich ist das nun festgelegte Unterrichtsmodell durchaus problematisch: Denn in Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes heißt es: "Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt." Dies würde bedeuten, dass etwa alevitische Kinder von einer schiitischen, jüdischen oder evangelischen Lehrkraft im religiösen Bekenntnis unterrichtet werden könnten, was jedoch nicht vom Grundgesetz in dieser Form gedeckt wäre.

Auch wenn laut Pressemeldung ein verfassungsrechtliches Gutachten den von Hamburg eingeschlagenen Weg bestätigen solle, bleiben von säkularer Seite aus einige wichtige Fragen unbeantwortet. Eine Trennung von Staat und Religion etwa steht dem neuen Projekt diametral gegenüber. Zu dem Grundgesetzkonflikt gab es bereits 2019 einen Artikel im hpd, der die Problematik noch einmal detailliert aufgreift.

Anstatt auf die Möglichkeit des Ethikunterrichts für alle zu setzen, will der Hamburger Senat die Zusammenarbeit mit allen ansässigen Religionsgemeinschaften voranbringen. Außen vor bleiben dabei vor allem atheistisch und säkular eingestellte Kinder und Familien, für die keine Vertretergruppe in das Unterrichtsprojekt involviert ist, obwohl gerade die Konfessionsfreien in Hamburg sogar die absolute Mehrheit darstellen.

Einzig die Tatsache, dass alle Schülerinnen und Schüler gleich welcher Weltanschauung nun gemeinsam im Unterricht sitzen und somit stärker mit anderen religiösen oder säkularen Denkweisen konfrontiert werden, kann durchaus als positiv gewertet werden. Abhängig bleibt dies aber immer auch von der jeweiligen Lehrkraft, welche im neuen Hamburger Modell jedoch oft einen einseitigen religiösen Hintergrund haben wird.

Ein ordentliches Lehrfach Ethik oder Weltanschauungskunde hätte der weitgehend nichtreligiös geprägten Hansestadt deutlich besser zu Gesicht gestanden.

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