Viele Kinder und Jugendliche fanden ihren ersten Zugang zur Literatur über die Harry-Potter-Reihe, die gestern ihr 20. Jubiläum feierte. Doch die weltweit beliebte Geschichte von der magischen Welt hat nicht nur Fans. Insbesondere von christlich-fundamentalistischer Seite wurde die Potter-Lektüre regelmäßig angefeindet.
Am 26. Juni 1997 wurde Literaturgeschichte geschrieben. Es war der Tag, an dem der erste Band der Harry-Potter-Reihe in einer kleinen Startauflage von 500 Stück erschien und in den folgenden Jahren eine ganze Lesegeneration verzauberte. Mittlerweile wurden mehr als 450 Millionen Bücher in fast 80 Sprachen verkauft.
Kurz nach dem Erfolg des ersten Bandes und dem dadurch ausgelösten "Harry-Potter-Hype" wurden auch religiöse Fanatiker auf die Bücher aufmerksam. Insbesondere christliche Fundamentalisten versuchten in den folgenden Jahren die Fantasy-Saga zu diffamieren. Denn hinter den Erzählungen aus der Zauberwelt witterten sie unchristliches Gedankengut, das Kinder und Jugendliche angeblich zum Okkultismus verführen soll.
So veröffentlichte die katholische Fundamentalistin Gabriele Kuby im Jahr 2002 eine Kampfschrift gegen die Harry-Potter-Reihe. Denn in der Geschichte des jungen Zauberlehrlings sah Kuby ein "globales Langzeitprojekt", das das "Unterscheidungsvermögen zwischen Gut und Böse" und die "Hemmschwelle gegenüber Magie" in der Gesellschaft zerstöre.
Joseph Ratzinger alias Papst Benedikt XVI. lobte während seiner Zeit als Kardinal die missionarische Potter-Kritik von Kuby. In einem Schreiben erklärte er: "Es ist gut, dass Sie in Sachen Harry Potter aufklären, denn dies sind subtile Verführungen, die unmerklich und gerade dadurch tief wirken und das Christentum in der Seele zersetzen, ehe es überhaupt recht wachsen konnte."
Der satanische Harry Potter
Doch es geht noch drastischer: Becky Fischer, eine US-amerikanische Pastorin der Pfingstbewegung, erkannte in Harry Potter einen Feind Gottes, den es zu bekämpfen gilt: "Würde es nach dem alten Testament gehen, wäre Harry Potter hingerichtet worden. Aus Zauberern macht man keine Helden", erklärte sie während einer Predigt und sah vor ihrem inneren Auge wohl schon den Scheiterhaufen lodern.
Jack Brock, Anführer der radikalen Christ Community Church, ließ Ende 2001 gleich einen echten Scheiterhaufen im südlichen US-Bundesstaat New Mexico brennen. Nachdem er vor versammelter Gottesdienstgemeinde erklärte, dass es sich bei Harry Potter um einen Teufel handele, der die Menschheit zerstören will, warfen seine Anhänger mehrere Dutzend Potter-Bücher ins Feuer.
Zu einem ähnlichen Vorfall kam es in der schwäbischen Gemeinde Schramberg, als eine evangelische Jugendgruppe ein Potter-Buch verbrannte, da von diesem angeblich schwarze Magie ausgehe.
Dem Erfolg der Potter-Reihe hat das fundamentalistische Wettern jedoch keinen Abbruch getan. Harry Potter wurde zum größten Bucherfolg der 2000er-Jahre.
28 Kommentare
Kommentare
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Harry Potter gegen Gott: Märchenwesen kämpfen gegeneinander und der Osterhase gewinnt.
Rainer Krenz am Permanenter Link
Besser kann man es eigentlich nicht sagen.Gratulation!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Dieses obsessive Wettern gegen angebliche "Magie" von allen Vertretern des Monotheismus hat System.
Wenn ein Jesus über Wellen flaniert, Kranke und Verrückte heilt, Tote erweckt, Massen aus dem Nichts mit Speis und Alkohol versorgt, dann trägt dies nicht nur Züge des Magischen; es ist pure Magie, die zu allen Zeiten von Scharlatanen betrieben wurde, um die Zuschauer zu beeindrucken und/oder dafür entlohnt zu werden.
Worin unterschieden sich also angebliche Propheten oder Wunderheiler von Zauberern oder Quacksalbern? In rein gar nichts! Auftreten, Methodik und Zweck der Übung war jedes Mal gleich. Jetzt wollen/müssen sich aber religiöse Spinner von weltlichen Spinnern unterscheiden, sonst geht deren übergeordnete Legitimation - im Auftrag eines "Gottes" zu handeln - flöten.
Also wurden die "heiligen" Schriften so verfasst, dass diese einerseits eine möglichst große Distanz zu Zauberern, Astrologen und Hexen hielten (das damals übliche Mittel dazu war, ihnen die Todesstrafe anzudrohen und "Gott" dafür als Auftraggeber zu benennen) und andererseits die eigenen Zauberkunststückchen als etwas "Höherwertiges" verkauften.
Würde nun heute ein religiöser Fundamentalist (egal welcher Religion; der IS z.B. hat Straßengaukler umgebracht, weil sie gegen das "göttlich" Zauberverbot verstoßen hätten) Bücher wie Harry Potter (vor allem nach deren exorbitantem Erfolg) dulden, dann wäre die Trennlinie nicht mehr erkennbar, die das "irdische" Irrationale vom "göttlichen" Irrationalen separiert. Das könnte dazu verleiten, dass man auch die Bibel wie einen Harry Potter liest: Ein Buch, in dem allerlei Magie vorkommt, die aber letztlich nur schön erzählte Märchen sind, um die Leser zu beeindrucken/unterhalten.
Und schon wäre der Nimbus von der "absoluten Wahrheit" und "Wahrhaftigkeit Gottes" dahin. Der schärfste Konkurrent eines Zauberkünstlers ist stets ein Zauberkünstler, der verrät, dass alle Zauberkünstler mit Tricks arbeiten. Das entzaubert die ganze schöne Scheinwelt. Im Grunde deutet Harry Potter lachend auf den Klerus und ruft: "Die sind ja alle genauso nackt wie ich!"
Rudi Knoth am Permanenter Link
Zitat'Also wurden die "heiligen" Schriften so verfasst, dass diese einerseits eine möglichst große Distanz zu Zauberern, Astrologen und Hexen hielten (das damals übliche Mittel dazu war, ihnen die Todes
Wo bitte steht dies alles z.B. in der Bibel? Un der Glaube an Hexen galt im christlichen Mittelalter lange Zeit als Aberglauben. Die Hexenverfolgungen begannen erst im späten Mittelalter und dauerten bis zum Beginn der Aufklärung an. Und Astrologen konnten ihrem Beruf unbehelligt nachgehen (Siehe Kepler).
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Wo bitte steht dies alles z.B. in der Bibel?"
Ich hab mal auf die Schnelle ein paar Stellen aus dem AT zusammengestellt:
2. Mose 22,17: "Die Zauberinnen sollst du nicht am Leben lassen."
5. Mose 18,10: "... dass nicht jemand unter dir gefunden werde, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt oder Wahrsagerei, Hellseherei, geheime Künste oder Zauberei treibt."
2. Kö 9,22: "Und als Joram Jehu sah, sprach er: Jehu, ist's Friede? Er aber sprach: Was, Friede? Deiner Mutter Isebel Abgötterei und ihre viele Zauberei haben noch kein Ende!"
2. Chr 33,6: "Und er ließ seine Söhne durchs Feuer gehen im Tal Ben-Hinnom und achtete auf Zeichen und Vogelgeschrei und trieb Zauberei und bestellte Geisterbeschwörer und Zeichendeuter (Astrologen) und tat viel, was dem HERRN missfiel, um ihn zu erzürnen."
Jer 27,9: "So hört doch nicht auf eure Propheten, Wahrsager, Traumdeuter, Zeichendeuter und Zauberer, die euch sagen: Ihr werdet nicht untertan sein müssen dem König von Babel."
Mi 5,11: "Und ich will die Zauberei bei dir ausrotten, dass keine Zeichendeuter bei dir bleiben sollen."
Nah 3,4: "Das alles um der großen Hurerei willen der schönen Hure, die mit Zauberei umgeht, die mit ihrer Hurerei die Völker und mit ihrer Zauberei Land und Leute an sich gebracht hat."
Mal 3,5: "Und ich will zu euch kommen zum Gericht und will ein schneller Zeuge sein gegen die Zauberer, Ehebrecher, Meineidigen und gegen die, die Gewalt und Unrecht tun den Tagelöhnern, Witwen und Waisen und die den Fremdling drücken und mich nicht fürchten, spricht der HERR Zebaoth."
Das ist doch ein so alter (Zauber)hut, dass ich mich frage, warum Sie selbst nicht auch mal einen Blick in die Bibel werfen können.
Rudi Knoth am Permanenter Link
Nun gut mit den Zauberern habne Sie recht. Leider habe ich keine Bibel zu Hause und bin auch sonst nicht bibelfest.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Nur bei der Astrologie kann man ja behaupten, daß die "drei Weisen aus dem Morgenland" als Astrologen angesehen werden können."
Sorry für meine Pedanterie. Kann man nämlich auch nicht! Das steht so in der Bibel nicht und die volksetymologische Deutung als "Sternendeuter" rührt daher, weil sie einem "Stern gefolgt" sind. Das tun Astrologen, gewiss. Trotzdem gibt die Bibel keinen Beleg her, nachdem die drei Weisen Astrologen waren.
In meinen paar Beispielen (die noch deutlich zu erweitern wären) werden auch dezidiert Astrologen (Zeichendeuter) als nicht gottgefällig ausgewiesen. Mehr noch: Das hebräische Wort für die Sterne, die "Gott" in der Genesis an das Firmament hängte, ist "Funzeln". Damit wollten sich die Erfinder des Monotheismus über die astrologisch spekulierenden Babylonier lustig machen - auch über deren Götter, die sehr oft mit Sternen identifiziert wurden.
Das ganze "Weltraumgedöns" sollte künftig nur noch zur Ermittlung der Tages- und Festzeiten dienen und weder göttlich besetzt, noch als Zeichen gedeutet werden.
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Ich begrüße diese Anfeindungen durch Religiöse sehr. Besonders die Bücherverbrennungen sollten publik gemacht werden, da von besonderer Tradition.
pavlovic am Permanenter Link
Ja, ich fand Ratzinger richtig gut, hätte nie gehen dürfen und hätte als Papst richtig lang wirken dürfen, wenn es nach mir gegangen wäre.
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Ja, der Ratzi hat was.
Rudi Knoth am Permanenter Link
Da haben Sie schon recht. Irgendwie kommt mir das mit der Bücherverbrennung bekannt vor (Deutschland 1933).
Siegbert am Permanenter Link
1965 wurden in Düsseldorf von einigen Leuten vom 'Bund Entschiedener Christen' vermeintlich unchristliche Werke verbrannt, unter anderem von Erich Kästner.
Andreas Leber am Permanenter Link
Ja, nicht wahr, Rudi Knoth, sowas kommt in vielen Religionen vor. Auch in Folge von cunctos populos (380 u.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Andreas,
das ist sogar noch krasser:
Ich zitiere aus Gerhard Hartmann, Daten der Kirchengeschichte, 2007: "1520 - [...] Am 10.12. verbrennt Luther in Wittenberg diese Bulle (Bannandrohungsbulle, Anm.), das kanonische Rechtsbuch und die Schriften (Johannes, Anm.) Ecks. Das ist die erste nachweisbare rituelle Bücherverbrennung. (1817 verbrennen bspw. Burschenschafter auf der Wartburg ihnen nicht genehme Bücher, und 1933 die Nationalsozialisten hauptsächlich jüdische Schriften.)"
Da gibt es wirklich gut gepflegte Traditionen...
Ulrike Dahmen am Permanenter Link
Es ist in der Tat ridikül, dass gläubige Fanatiker gegen die wunderbaren Entwicklungsromane der Joanne Rowling wüten.
Thomas Baader am Permanenter Link
Ist richtig. Ich hatte damals Bekannte in Großbritannien, die sehr religiös waren und Harry Potter irgendwie für eine Anleitung zum Okkultismus hielten.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Harry Potter hat seine bedenklichen Stellen.
Welches gute Buch hat die nicht.
Wenn aber bis zum Ende des siebenten Bandes liest, dann wird man große Parallelen zum "Herrn der Ringe" finden. Und dieser wiederum ist durchaus christlich geprägt.
Der bedenkliche Teil:
Lange Zeit hat es den Anschein, als könnte Harry Voldemort nur besiegen, indem er ihn durch List und Magie tötet bzw. alle Horkruxe zerstört. Dazu müsste er möglichst viel Macht ansammeln. Das ist aus christlicher Sicht satanisch (dazu muss gar kein Satan genannt oder auch als Person angenommen werden, Anm.) und auch aus pädagogischer und humanistischer Sicht eher bedenklich, soviel ich weiß.
(Kurzer Exkurs:
Das Böse an der Magie besteht einerseits darin, dass damit andere Menschen beherrscht werden (Extrembeispiel: Voodoo).
Andererseits besteht das Böse darin, dass man sich nicht auf den eigenen Verstand oder auf die Gnade Gottes oder auf andere Menschen verlässt, sondern man stattdessen glaubt, Geister oder Dämonen oder Teufel manipulieren zu können.)
Am Schluss aber kann Harry das Böse besiegen, indem er ausdrücklich bereit ist zu sterben, also auf Macht zu verzichten.
Das/der Böse aber verliert, weil er Macht einsetzen will, die ihm gar nicht zusteht (den Elderstab nämlich). Die Guten tun das nicht.
Vorher schon hat Voldemort den großen Fehler gemacht, die Macht der Liebe (und, nebenbei, die Fähigkeiten der "kleinen" Hauselfen) zu übersehen.
Die "Guten" in dem Buch entscheiden sich am Schluss, das Symbol des Machtmissbrauchs - den Elderstab - zu zerstören.
Die Parallelen zum "Herrn der Ringe" sind für Kenner deutlich zu sehen.
Als Christ erkenne ich durchaus auch eine Parallele zum Kreuzesopfer (und auch zu ein paar Mythen anderer Religionen).
Mein Fazit:
Wer alle sieben Bände zu Ende gelesen hat, kann Harry Potter nicht mehr für satanisch halten.
Vor allem, weil der Sieg letztlich eben NICHT durch aktiven Einsatz von Magie (=Machtmissbrauch) durch Harry Potter errungen wird.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Es ist eine Roman-Reihe. Nicht mehr und nicht weniger.
Wer das Christentum bemüht, um Harry Potter abzulehnen oder zu verteidigen begeht den gleichen Fehler mit umgekehrten Vorzeichen.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Man kann Romane aus literarischer Sicht kritisieren.
Man kann Romane aus pädagogischer Sicht kritisieren.
Man kann Romane aus ethischer Sicht kritisieren.
Warum soll man Romane nicht aus christlicher Sicht kritisieren dürfen?
Man sollte übrigens die Wirkung von Literatur oder Filmen auf das geistige Leben Jugendlicher (und auch Erwachsener) nicht unterschätzen. Im Positiven wie im negativen.
Und wer meint, dass ein Buch oder ein Film negative Auswirkungen auf die künstlerische oder psychische oder ethische oder kognitive oder religiöse Entwicklung hat, darf und soll das auch sagen. Und im umgekehrten Fall soll er das Buch empfehlen.
Nur fertiggelesen haben soll er es vorher.
Und wenn Eltern es egal ist, ob ein Buch aus christlicher Sicht schlecht ist, dann werden sie die entsprechende Kritik ohnehin ignorieren.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Sie wollen mich missverstehen.
"Man kann Romane aus literarischer Sicht kritisieren."
Ja!
"Man kann Romane aus pädagogischer Sicht kritisieren."
Eingeschränkt ja.
"Man kann Romane aus ethischer Sicht kritisieren."
Ja.
"Man kann Romane aus wissenschaftlicher Sicht kritisieren."
Nur, wenn Wissenschaft ein zentrales Anliegen des Buches ist. Bereits bei der Bibel behaupten Sie ja des Öfteren, dass die Bibel kein wissenschaftliches Werk sei und deshalb nicht wissenschaftlich kritisiert werden dürfe.
"Warum soll man Romane nicht aus christlicher Sicht kritisieren dürfen?"
Natürlich dürfen Sie das tun, ganz wie es Ihnen beliebt. Nur ist das ein sinnloser Ansatz bei ca. 99% der Bücher, weil die sich gar nicht mit dem Christentum auseinandersetzen. Nur weil Sie glauben, das Christentum sei allgemeinverbindlich, vermuten Sie, alle Bücher müssten sich auch irgendwie zum Christentum positionieren. Doch das ist ein Irrtum.
Es gibt einige interessante Arbeiten zu Spielbergs Film E.T. Darin soll - von einem Juden - das Leben Jesu Christi als Metapher dargestellt worden sein: E.T. kommt aus dem Himmel, wird verfolgt, versammelt Jünger um sich, die von der Schutzmacht des Landes verfolgt werden. Er stirbt durch sie und aufersteht am Ende wieder, entschwindet in den Himmel mit dem Versprechen, immer bei seinen Anhängern zu bleiben. "Ich bin immer bei dir!"
Das kann man so sehen, doch Spielberg selbst - der es am genauesten wissen müsste - hat diese Querverbindung stets bestritten. Vielleicht entstehen diese christlichen Deutung aller möglichen Bücher und Filme auch nur deswegen, weil das Christentum als heidenmissionierende Religion früh gelernt hat, ihre Inhalte und Texte so zu erfinden, dass sie genau zu den zentralen Sehnsüchten der Menschen - aller Menschen - passten. Jesus entspricht genau dem Retter, den man sich wünscht und wenn Christen diese Figur nun in der erhofften Weise präsentieren, dann ist man eher bereit, sich dieser Gruppe anzuschließen.
Heute nutzen geschickte Autoren und Filmemacher dieser unveränderten Sehnsüchte als Basics ihrer Arbeit, die auch primär ein möglichst großes Publikum erreichen sollen. Hier gibt es also methodische Übereinstimmungen, aber keine inhaltlichen. Das ist übrigens ein Kompliment für das Christentum, wenn ich sage, dass es in gewissem Sinne unterhaltsam ist. Mein größtes Problem damit ist, dass es nicht zu seinem fiktionalen Charakter steht und immer noch so tut, als sei das alles real...
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Nein nein, ich will Sie schon verstehen.
Aber manchmal ist es schwierig, weil wir nicht dieselbe Vorstellung davon haben, was Religion und Christentum bedeuten.
Ich halte z.B. die Begriffe "Gut" und "Böse" für zentrale religiöse Begriffe.
Sie vielleicht nicht. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob Sie diesen Begriffen überhaupt eine Relevanz zugestehen. Aber das werden Sie mir vielleicht bald erklären.
In der "Harry Potter"-Reihe (wie in vielen Fantasy- und Science Fiction-Werken) spielt der Kampf zwischen Gut und Böse eine wichtige Rolle. Das Böse ist sogar personifiziert. Ich sehe hier folglich eine religiöse Thematik.
Die Magie selbst (die für manche christliche Fundamentalisten der Stein des Anstoßes ist) spielt für mich eine untergeordnete Rolle. Kaum jemand wird aufgrund dieses Buches vermuten, dass es Hexerei wirklich gibt.
Aber so mancher Harry-Potter-Fan könnte versucht sein, nach dem Vorbild des Buches (bei flüchtigem Lesen) die Welt in "Gut" und "Böse" einzuteilen und danach die selbstidentifizierten "Bösen" zu bekämpfen. Das wäre schlecht.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass es in den USA bei der Star-Wars Reihe ähnlich zugegangen ist. Die bereits zuvor vorhandene schwarz-weiß-Denkschablone könnte durch die Filmreihe verstärkt worden sein, sodass es Reagan leichter hatte, die Bevölkerung vom notwendigen Kampf gegen die "Mächte des Bösen" zu überzeugen.
Zurück zu Harry Potter:
Es geht also um Gut und Böse.
Das Christentum lehrt, wie gute Menschen mit dem Bösen in der Welt umgehen sollen. Es lehrt Vergebung, Geduld, Opferbereitschaft und den den Balken im eigenen Auge zu sehen statt den Splitter in dem des anderen.
(Ja, ich weiß, dass die Kirche bis heute Probleme mit Vergebung und Geduld hat. Aber die Evangelien sind hier ganz eindeutig).
Harry Potter lehrt in manchen Bänden scheinbar (!) das Gegenteil.
Hier sehe ich einen guten Grund, aus religiöser Warte einen Kommentar abzugeben: Christen bekämpfen das Böse, indem sie der bösen Versuchung widerstehen - nicht, indem sie stärker als böse Menschen werden und diese dann niederschlagen.
"weil das Christentum als heidenmissionierende Religion früh gelernt hat, ihre Inhalte und Texte so zu erfinden, dass sie genau zu den zentralen Sehnsüchten der Menschen - aller Menschen - passten"
Ein schöner Satz.
Ich lege die Übereinsimmung natürlich anders aus: Der Mensch ist auf Gott hin geschaffen und hat deshalb Sehnsucht nach ihm.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Nein nein, ich will Sie schon verstehen.
Aber manchmal ist es schwierig, weil wir nicht dieselbe Vorstellung davon haben, was Religion und Christentum bedeuten."
Ich kann mich recht unkompliziert in das Denken eines gläubigen Menschen hineinversetzen, weil ich selbst mal einer war. Nicht Hardcore, aber ausreichend, um wirklich an einen "Gott" zu glauben.
"Ich halte z.B. die Begriffe "Gut" und "Böse" für zentrale religiöse Begriffe.
Sie vielleicht nicht. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob Sie diesen Begriffen überhaupt eine Relevanz zugestehen. Aber das werden Sie mir vielleicht bald erklären."
Gerne. "Gut/Böse" sind idealisierte Konstrukte zur Abgrenzung - der simple "Natur-Dualismus". "Brauchbar/gefährlich" hieß das mal im Schamanismus. Daraus wurde die positive und negative Besetzung aller Dinge mit "Seelen", die dem Menschen nützen oder schaden. Daraus wurden gute Geister und böse Dämonen.
Doch in der Realität ist der Fingerhut nicht böse und der Wildapfel nicht gut, sondern das eine giftig, das andere u.U. gesund. Auch Menschen sind weder gut noch böse, sondern sie geraten in Lebenssituationen, in denen sie falsch oder richtig reagieren. Im Negativen mag sich das verfestigen zu einer fatalistischen Sicht auf die Welt, eine Selbstverleugnung, die zu grausamen Taten führt. Daran sehen wir die Grenzen des freien Willens, denn auch der übelste Massenmörder hat als unschuldiges Baby begonnen.
"In der "Harry Potter"-Reihe (wie in vielen Fantasy- und Science Fiction-Werken) spielt der Kampf zwischen Gut und Böse eine wichtige Rolle. Das Böse ist sogar personifiziert. Ich sehe hier folglich eine religiöse Thematik."
Sie, aber ich eben nicht. Ich komme aus der Filmbranche. Ich schreibe Drehbücher und Romane, denke in dramaturgischen Prozessen. "Gut" und "Böse" sind so fest in unserem Bewusstsein verankert, dass sie sich ideal für Filme und Romane eignen, da beide Medien mit Verkürzungen arbeiten müssen. In anspruchsvolleren Werken differenziert man mehr, aber in "Action-Filmen" oder vielen (Trivial-)Romanen wird sehr viel Zeit durch retardierende Momente besetzt, dass nur das Stereotyp übrigbleibt. Hier ist "James Bond", da ist "Dr. No" - alles klar.
Die Religion vereinfacht auch auf einen simplen Dualismus: "Gott" und "Teufel", "Erlöser" und "Antichrist", "Himmel" und "Hölle"...
"Die bereits zuvor vorhandene schwarz-weiß-Denkschablone könnte durch die Filmreihe verstärkt worden sein, sodass es Reagan leichter hatte, die Bevölkerung vom notwendigen Kampf gegen die "Mächte des Bösen" zu überzeugen."
Gerade Star Wars eignet sich hierfür nur bedingt. Der Film zeigt zwar klare Fronten, die aber durchlässig sind. Hier geht es im Gegenteil fast permanent um den Wechseln vom "Guten" zum "Bösen" und umgekehrt. Die Strategen von Reagan mögen das nicht verstanden haben.
"Das Christentum lehrt, wie gute Menschen mit dem Bösen in der Welt umgehen sollen. Es lehrt Vergebung, Geduld, Opferbereitschaft und den den Balken im eigenen Auge zu sehen statt den Splitter in dem des anderen."
Er lehrt vor allem, wie man sich einem Diktator unterwirft und was mit Menschen geschehen sollte, die dem nicht folgen wollen (besonders krass: Die Offenbarung des Johannes).
"Harry Potter lehrt in manchen Bänden scheinbar (!) das Gegenteil.
Hier sehe ich einen guten Grund, aus religiöser Warte einen Kommentar abzugeben: Christen bekämpfen das Böse, indem sie der bösen Versuchung widerstehen - nicht, indem sie stärker als böse Menschen werden und diese dann niederschlagen."
Wie bereits gesagt: Sie können jeden Kommentar dazu abgeben. Doch ist Harry Potter nach wie vor nur eine gut gemachte Roman-Serie, die alle Stereotype, aus denen sich auch die Religion bedient, nutzt.
Stark werden ist gerade für die Schwachen - die Mehrheit - wichtig. Auch Jesus spielt diesen Starken für die Schwachen der Gesellschaft. Das ist einer, der mich zur Not wieder lebendig machen kann, wenn ich sein Freund bin. Der ernährt mich, schützt mich, heilt mich - im Palästina des 1. Jh. überlebenswichtig!
"Ich lege die Übereinsimmung natürlich anders aus: Der Mensch ist auf Gott hin geschaffen und hat deshalb Sehnsucht nach ihm."
Sie müssen das anders auslegen, lieber Herr Schönecker, sonst hätten Sie Ihren Beruf verfehlt. Es gibt jedoch genügend Theologen - auch promovierte und solche mit Professoren-Stellung an Fakultäten - die von Ihrer Sichtweise Abschied genommen haben, weil sie erkannten, dass Ihre Sichtweise mit dem heutigen Kenntnisstand nicht mehr haltbar ist.
"Gott" ist das Resultat der natürlichen Sehnsüchte. In der Not braucht jeder einen Nothelfer. Und in Not - da werden Sie mir zustimmen - kann man auch ohne jedes übernatürliche Wesen geraten. Eine schlechte Ernte reicht, eine Wetterkatastrophe, ein Verirren in fremder Gegend, Überfälle von Fressfeinden oder Räubern...
Also wünscht sich der denkende Mensch ohne übernatürliche Nachhilfe von sich aus einen Nothelfer. Wenn kein realer in der Nähe ist, greift das teleologische Denken und jeder, wirklich jeder wird in einer solchen Situation anfangen, mit den Gegenständen der Umgebung zu sprechen.
Wer hat nicht schon mal mit seinem Autoschlüssel gesprochen, wenn er ihn verlegt hat und dringend ins Büro musste? Es braucht also nur noch einen, der einem diesen Nothelfer verspricht. Dies kann kein realer Messias in Palästina gewesen sein, wenn ich an Mt 13,57 denke, denn die werden zu Hause niemals anerkannt.
Das ist ja auch logisch, denn stünde der Nothelfer mir gegenüber (und in Anbetracht der Römer wäre eine solcher Nothelfer dringend nötig gewesen), dann könnte ich seine "Fähigkeiten" testen. Da versagt nicht nur das Deo...
Also kann dies nur ein imaginierter Nothelfer aus der unüberprüfbaren Vergangenheit sein, den lauter angebliche - längst tote - Augenzeugen bestätigen. DIESER Nothelfer hat eine Chance anerkannt zu werden und - das ist der Trick - er hilft nur, wenn man fest genug und richtig an ihn glaubt. Ganz ganz feste!
Und wenn man den Autoschlüssel doch nicht mehr rechtzeitig findet, dann ist das der unerforschliche Ratschluss von Jesu Papa, mit dem jeder Verkünder des Nothelfers aus dem Schneider ist.
Und schon haben Sie die ganze schöne Konstruktion - nur umgekehrt, als Sie vermuten. Bei Ihnen steht "Gott" am Anfang, bei mir am Ende. That's it...
Paul am Permanenter Link
Wie wir alle wissen ist es nur der katholischen Kirche vorbehalten Macht auszuüben, da wo sie es von Staatswegen darf, wie offensichtlich in Polen, wird auch schon mal gegen die Juden auf offener Kanzel gehetzt.
Kay Krause am Permanenter Link
Zitat: "Dem Erfolg der Potter-Reihe hat das fundamentalistische Wettern jedoch keinen Abbruch getan." Zitat Ende.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Eine Zauberergruppe verunglimpft eine andere Zauberergruppe. Die Religioten merken nicht einmal, dass sie damit die selbe Bühne wie Harry Potter betreten. Zum totlachen, wenn es nicht so traurig wäre.
Kay Krause am Permanenter Link
Das wiederum habe ich verstanden und gehe konform, lieber Herr Goeckel!
Paul am Permanenter Link
Es war die Zeit, als ich noch den Tempel betrat :-) und wir so zusammen standen nach der Zauberveranstaltung, es sich dann jemand über die Zauberhandlungen eines Anhängers der indianischen Kultur lustig machte, weil e
Martin Theiß am Permanenter Link
Ganz klar Konkurrenz für hauseigene Zauberer die das Meer teilen oder Wasser in Wein verwandeln...