Homöopathie: Nichts anderes als eine Pseudowissenschaft

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Globuli
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Der Homöopathie weht der Wind immer stärker ins Gesicht. Der jüngste Fall: Wissenschaftler haben im renommierten Philosophie-Fachblatt Synthese dargelegt, wieso es sich bei dieser sogenannten Alternativmedizin um nichts anderes als eine Pseudowissenschaft handelt. Und zwar so überzeugend, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) twitterte, es handele sich bei der Homöopathie sogar um "eine gefährliche Pseudowissenschaft".

Lauterbach kritisiert seit Jahren, dass homöopathische Mittel, in denen kaum oder gar kein Wirkstoff enthalten ist, ihre Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus nicht belegt haben. Trotzdem werden sie für die Zulassung als Arzneimittel nicht nach jenen strengen Kriterien überprüft, wie es für Medikamente sonst vorgeschrieben ist. Und homöopathische Behandlungen werden von etlichen Krankenkassen mindestens teilweise erstattet – darunter die Techniker-Krankenkasse, Barmer, DAK und AOK Bayern sowie Baden-Württemberg. Doch auch in der Ärzteschaft wächst seit einigen Jahren die Kritik. Inzwischen haben 13 der 17 Ärztekammern in Deutschland die Homöopathie aus ihren Weiterbildungsordnungen gestrichen, auch die Bundesärztekammer hat sie dieses Jahr aus ihrer Muster-Weiterbildungsordnung geworfen. Und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert inzwischen, homöopathische Mittel sollten keine Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sein.

Auch der Vorwurf der Pseudowissenschaft wird schon lange erhoben. "Bisher hat es aber keinen Aufsatz gegeben, der systematisch und wissenschaftsphilosophisch tragfähig erklärt hat, warum Homöopathie eine Pseudowissenschaft ist", sagt der deutsche Philosoph Nikil Mukerji, Wissenschaftstheoretiker an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und Co-Autor des Artikels. "Homöopathen konnten sich immer damit rausreden, dass 'Pseudowissenschaft' lediglich ein Kampfbegriff sei."

Für ihre Arbeit haben Mukerji und der deutsch-britische Mediziner Edzard Ernst, emeritierter Professor für alternative Heilverfahren der University of Exeter, etliche Beispiele dafür zusammengetragen, dass Anhänger der Homöopathie ihr Fach zwar tatsächlich als Wissenschaft darstellen. Ihre Lehre verteidigen sie den Autoren zufolge aber nicht mit Erkenntnissen aus seriöser wissenschaftlicher Forschung, sondern mit "Bullshit". So gehen sie davon aus, Substanzen, die so weit verdünnt wurden, dass von ihnen eigentlich nichts mehr in einer Lösung vorhanden ist, könnten therapeutische Wirkung haben. "Diese Behauptung legt nahe, dass eine nicht vorhandene Substanz den Körper dazu bringen kann, sich selbst zu heilen, was der grundlegenden Naturwissenschaft widerspricht und daher völlig unglaubwürdig ist", schreiben Mukerji und Ernst.

Um diesem Vorwurf zu begegnen, werden von vielen Homöopathen weitere Annahmen herangezogen, die sich jedoch ebenfalls nicht auf Erkenntnisse außerhalb ihres eigenen Weltbildes berufen können. So wird etwa angenommen, dass materielle Substanzen plötzlich ihre physikalischen Eigenschaften verlieren und irgendeine nicht näher bestimmte Energie übertragen würden. Seit einiger Zeit wird zudem versucht, sich in der Quantenphysik zu bedienen – wobei zwar Begriffe wie "Verschränkung" übernommen werden, aber nicht die eigentlichen physikalischen Erkenntnisse. Und viele Homöopathen halten weiterhin an der Vorstellung fest, Wasser hätte eine Art Gedächtnis – was bislang weder belegt werden konnte noch wissenschaftlich plausibel ist.

Nun mag es mehr Dinge in Himmel und Erde geben, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt, wie Shakespeare seinen Hamlet sagen lässt. Sich auf solche Annahmen zu berufen, ohne ausreichende empirische Belege, dass sie zutreffen könnten, ist den Autoren zufolge jedoch "erkenntnistheoretisch unverantwortlich".

Zudem konnten Homöopathen bislang nicht zeigen, dass ihre Arzneimittel in wissenschaftlichen Studien über den Placeboeffekt hinaus wirken. Homöopathen zufolge liegt das zum Beispiel daran, dass solche Doppelblindstudien für die Verfahren gar nicht sinnvoll wären, denn diese seien auf einzelne Patienten zugeschnitten und müssten auch individuell immer wieder angepasst werden. Darüber hinaus "versuchen sie, ihre Theorien gegen unbequeme Untersuchungsergebnisse zu immunisieren", schreiben Mukerji und Ernst. So betrachten Homöopathen eine Verbesserung bei den Patienten als Beleg dafür, dass ihre Mittel wirken, eine Verschlechterung – zumindest zu Anfang der Behandlung – häufig aber ebenfalls. Und wenn ein Mittel nicht wirkt wie erwartet, lassen sich dafür immer noch bislang unbekannte Faktoren verantwortlich machen. "Mit anderen Worten, ihre Methodik ist höchst mangelhaft, was ihre Verteidigung der Homöopathie zu Bullshit macht", schließen Mukerji und Ernst.

Die Autoren stellen sich schließlich der Frage, ob sie vielleicht selbst nur Positionen und Studien herausgesucht haben, die ihre Hypothese, Homöopathie sei eine Pseudowissenschaft, stützen. Die Beispiele, die sie heranziehen, stammen aber aus Publikationen und von Personen und Organisationen, "die in homöopathischen Kreisen gut etabliert sind". Und ihr Vorwurf, Homöopathie sei wissenschaftlich völlig unplausibel, würde sich leicht zurückweisen lassen, wenn sich weitere, tatsächlich plausible Erklärungsversuche für ihre angebliche Wirksamkeit finden ließen. Die gibt es allerdings tatsächlich nicht.

Da die Befürworter der Homöopathie einerseits einen wissenschaftlichen Stellenwert beanspruchen, sich dabei jedoch auf "Bullshit" berufen, verletzten sie wichtige erkenntnistheoretische Standards, die für die Wissenschaft von zentraler Bedeutung seien. Deshalb, so resümieren die Autoren, "sollte die Homöopathie als Pseudowissenschaft angesehen werden".

Karl Lauterbach hat vor Jahren schon die Krankenkassen dazu aufgerufen, homöopathische Behandlungen nicht länger mitzufinanzieren. Ob er als Gesundheitsminister nach dieser Studie nun dafür sorgen wird, dass die Homöopathie-Erstattung durch die Kassen beendet wird? Deutschland würde mit einer solchen Maßnahme den Franzosen folgen, die sich bereits 2019 zu diesem Schritt entschlossen haben.

Lesen Sie dazu auch die Meldung des Hans-Albert-Instituts.

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