Nachdem Kabarettist Florian Schroeder für einen Fernsehauftritt in die Rolle des Verschwörungsideologen geschlüpft war, wurde er bei Querdenker-Veranstaltungen zum gefragten Redner. Weil sie den Aufritt für bare Münze nahmen, luden ihn die Organisatoren im August 2020 auf die Bühne der Demo in Stuttgart ein – und erlebten eine ordentliche Überraschung. Denn Schroeder nutzte die Gelegenheit, um zu testen, wie ernst die Teilnehmenden es wirklich mit der Meinungsfreiheit nehmen, die sie gern für sich beanspruchen.
Nach kurzem Vorgeplänkel plädierte er auf der Bühne für Covid-Schutzmaßnahmen und erntete Buhrufe. Diese Erfahrungen wurden zur Initialzündung für sein jetzt erschienenes Buch mit dem doppelbödigen Titel "Schluss mit der Meinungsfreiheit", in dem er für einen kritische Dialog mit Verschwörungsgläubigen plädiert. In einem jetzt erschienenen Interview für die neue Ausgabe der Zeitschrift Skeptiker kommt auch dieser Punkt zur Sprache. Verschwörungsideologen und -gläubige ernst nehmen, das mag nach Kuschelkurs klingen. Für Schroeder bedeutet es jedoch, sich "mit ihren Argumenten auseinandersetzen und widersprechen."
Wie solch ein kritischer Dialog den Anstoß zum Umdenken geben kann, zeigt ein weiteres Interview im Heft. Chefreporter Bernd Harder hat sich dazu mit Gerald unterhalten, der heute auf seinem YouTube-Kanal "Ascendancer" über Verschwörungsmythen aufklärt. Bereits einige Jahre vor der Pandemie war er mit Anfang Zwanzig in das Gewirr der Verschwörungserzählungen hineingeraten, erlebte sich selbst als Wissenden, als "Typ, der alles durchschaute". Außerirdische, Freie Energiemaschinen, Hohlerde: Gerald wusste Bescheid, glaubte er – während sich viele Freunde und Arbeitskollegen von ihm abwandten. Doch einige stellten immer wieder Fragen, die ihn zum Nachdenken brachten, erinnert sich Gerald. "Warum glaubst du das?" wollten sie wissen oder "Wieso ist das wichtig für dich?" Diese "kleinen Nadelstiche" seien es gewesen, die alle zusammen im Laufe der Zeit etwas bewirkt hätten.
So grundlegend kritisches Denken für unsere Gesellschaft auch ist, so sehr beklagen skeptische Forschende, dass es selbst in der Universitätsausbildung lediglich eine untergeordnete Stellung einnimmt. Studierende der Medizin und verwandter Fächer lernen nur unzureichend, sich mit klinischen Studien auseinanderzusetzen. Selbst gravierende Fehler in "erfolgreichen" veröffentlichten Versuchen zu Homöopathie und anderen pseudowissenschaftlichen Heilslehren bleiben deshalb unentdeckt. Dass es auch anders geht, zeigten die GWUP und das Informationsetzwerk Homöopathie (INH) mit der Ausschreibung eines Wettbewerbs für Studierende. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhielten eine klinische Studie aus einem Fachjournal, nach der sich eine homöopathische Behandlung von Schlafstörungen als wirksam erwiesen habe. Diese Studie sollten sie analysieren und hinsichtlich der Validität beurteilen. Eine anspruchsvolle Aufgabe, wie Norbert Aust, Jutta Hübner und Burkhard Rittinghaus in ihrem Bericht schreiben, denn die Fehler und Ungereimtheiten lagen im Detail. Umso erfreuter zeigen sich die AutorInnen über die hohe Qualität der Einreichungen. Die Preisverleihung erfolgte am 30. Oktober in Berlin im Rahmen der Verleihung des "Goldenen Aluhuts". Der erste Preis ging an David Ghasemi, auf Platz zwei wählten die Juroren Andreas Baranowski und den dritten Rang teilten sich Andreas Steinau und Julia Frey; alle vier sind Studierende der Medizin.
Gleichwohl versuchen Anhänger der Homöopathie unverdrossen, die Wirksamkeit ihrer Heilslehre zu beweisen. Einige nehmen hierfür das anthroposophische Verfahren der Biokristallisation zur Hilfe, bei der man wässrige Lösungen zum Auskristallisieren bringt. Aus der Anordnung der Kristallmuster will man herauslesen, ob eine "homöopathisch verdünnte" Lösung oder eine andere verwendet wurde. Doch das Verfahren ist denkbar unzuverlässig, schreibt Burkhard Rittinghaus in seiner ausführlichen Betrachtung, so lasse ein einzelner Test nicht einmal erkennen, was überhaupt getestet worden sei.
In einem weiteren Beitrag widmet sich die Technikhistorikerin Anna Veronika Wendland einem aktuellen Papier der Scientists for Future. Es verspricht eine wissenschaftliche Argumentationshilfe in der neuerdings aufgeflammten Debatte um die Kernenergie, doch Wendland weist nach, wie sehr sich die AutorInnen in Interessenpolitik und Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis verstricken. Eine ausführliche Version ihres Gutachtens ist als PDF verfügbar.