Was ist "Seelsorge"?
Was verstehen Menschen heute unter "Seelsorge"? Wenn man den Begriff bei Google eingibt, erscheinen ausschließlich religiöse Seelsorgeangebote. Auch der Wikipedia-Artikel weist Seelsorge als ein religiöses Konzept aus.
Das Bundesministerium für Verteidigung erklärt, was Seelsorge im Militär ist: "Die Militärseelsorge schlägt die Brücke zwischen dem christlichen Glauben und dem militärischen Auftrag der Soldaten. In Deutschland sind Gottesdienste und Messen in den Standorten die Hauptaufgabe der Militärseelsorger" (https://www.bmvg.de/de/themen/personal/fuer-und-seelsorge; Abruf 03.07.2022).
Auch die Krankenhausseelsorge ist ganz selbstverständlich eine religiöse Leistung. Viele Krankenhäuser bieten auf ihren Webseiten eine solche religiöse Seelsorge an (vgl. u.a. die Seelsorgeseite des Universitätsklinikums Würzburg: https://www.ukw.de/zentraleeinrichtungen/seelsorge/startseite/; Abruf 03.07.22). Wenn man sich ein solches Konzept der Krankenhausseelsorge einmal genauer ansieht, stellt man fest, dass es sich – wie nach dem oben Ausgeführten zu erwarten war – um eine Mischung aus therapeutischer Unterstützung und religiöser Orientierung handelt:
"Wir bieten an, bei der Auseinandersetzung mit der Situation der Erkrankung unterstützend zur Seite zu sein. Wir sind da für Gespräche. Wir helfen, das, was seelisch in Patienten vorgeht, zum Ausdruck bringen zu können. Wir geben die Gelegenheit, auszusprechen, was unter dem Eindruck der gegebenen Umstände bewegt. Wir hören zu. Wir teilen die Hilf- und Wortlosigkeit mit Patienten und schweigen mit ihnen. Wir stehen bei und trösten, halten Schweres, Leidvolles, Unerträgliches mit aus. Wir helfen, zu finden, was Kraft und Halt geben kann, die augenblickliche Situation durchzustehen. Wir stellen spirituelle bzw. religiöse Deutungsmöglichkeiten und Sichtweisen zur Verfügung. Wir sprechen den Glauben als mögliche Kraftressource an. Wir bringen ermutigende Worte aus der christlich-jüdischen Tradition zur Sprache. Wir bieten Rituale an, wie u. a. Gebet, Segen, Abendmahl oder Salbung. Wir feiern Gottesdienste zur Ermutigung und inneren Stärkung. Wir unterstützen bei der Suche nach Orientierung und Hilfe und verstärken vorhandene Kraftressourcen. Wir versuchen Perspektivwechsel anzustoßen bzw. Hoffnungsfenster zu öffnen. Wir helfen bei dem Bemühen, das Krankheitserleben in die vorhandenen Lebenszusammenhänge zu integrieren. Wir begleiten Menschen im Sterben. Wir stehen Angehörigen von Verstorbenen in akuter Trauersituation zur Seite. Wir führen auf Wunsch Abschiedsrituale durch. Wir stehen Angehörigen von Patienten für unterstützende und entlastende Gespräche zur Verfügung." (https://immanuel.de/ueberuns/seelsorge-in-der-immanuel-albertinen-diakonie/was-machen-wir-in-der-seelsorge/; Abruf 03.07.22).
Beratende, unterstützende Angebote werden mit Angeboten eines religiösen Kultus vermischt. Diese – aus einer professionellen Perspektive – krude Mischung ist "Seelsorge".
Ich habe bis Seite fünf bei Google nachgesehen. Es fanden sich ausschließlich solch religiöse Angebote. Der Seelsorgebegriff ist nur religiös besetzt.
Um das Ergebnis zusammenzufassen: "Seele" ist ein vormoderner, vorwissenschaftlicher Begriff, der das Lebensprinzip bezeichnet. Er findet seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Philosophie und Wissenschaft zunehmend keine Anwendung mehr und wird zu einem religiösen Begriff. An die Stelle des Seelenbegriffs tritt das "Ich". Der religiöse Begriff der Seele wird mit diesen modernen Konzepten des Ichs angereichert. "Seelsorge" ist ebenfalls ein religiöser Begriff und zugleich eine religiöse Praxis, in der versucht wird, moderne Beratungs- und Therapiekonzepte in ein religiöses Menschenbild zu integrieren. Eine heutigen professionellen Standards entsprechende Ausbildung religiöser Seelsorger gibt es nicht. Es kann sie auch nicht geben, da die religiöse Orientierung mit wissenschaftlichen Standards nicht vereinbar ist.
Für den Humanismus nicht geeignet
Sollen wir bei dieser Lage ein humanistisch orientiertes Lebensberatungs- beziehungsweise Unterstützungsangebot "humanistische Seelsorge" nennen? Ich denke, das kann man als weltanschaulicher Humanist nur ablehnen. Der weltanschauliche Humanismus fußt in der Tradition der Aufklärung, der Wissenschaft und des Freidenkertums. In dieser Tradition wurde Mitte des 19. Jahrhunderts der Begriff der Seele als eines Lebensprinzips ad acta gelegt. Man geht nicht länger davon aus, dass der Mensch eine "Seele" hat – egal wie sie aussehen soll.
Der weltanschauliche Humanismus steht in der modernen philosophischen und wissenschaftlichen Traditionslinie, die den Menschen als Individuum, als Person begreift, deren Zentrum das "Ich" ist. Wenn man den Menschen so begreift, gibt es für ein Konzept von "Seele" keinen Bedarf und keinen Raum. Also können wir als Humanisten auch keine "Seelsorge" betreiben.
Wir sollten an unsere Tradition anknüpfen und nicht versuchen, uns religionsähnlich zu machen. In unserer aufklärerisch-wissenschaftlichen Tradition steht auch die Entwicklung einer wissenschaftlich fundierten, professionellen pädagogischen, sozialen und therapeutischen Arbeit. Unsere Kindergärtnerinnen werden heute professionell ausgebildet und leiten ihre Kompetenz nicht, wie dies früher kirchliche Erzieherinnen taten, aus ihrer natürlichen Mütterlichkeit ab. Sofern wir im Bereich einer humanistisch orientierten Lebensberatung beziehungsweise -therapie tätig werden wollen, müssen wir entsprechende professionelle Standards einhalten. Der Begriff "Seelsorge" steht nicht für solche professionellen Standards und er kann es auch nicht, weil er mit dem religiösen Konzept einer jenseitigen Autoritätsinstanz untrennbar verknüpft ist.
Selbst wenn man all das ignorieren wollte, erscheint es ausgeschlossen, dass es uns gelingen könnte, bei der eindeutigen Bedeutung des Begriffes "Seelsorge" als einer religiösen Betreuungstätigkeit, einen säkularen, humanistischen Begriff von "Seelsorge" zu etablieren.
Zudem wäre ein solches Vorgehen von hinten durch die Brust ins Auge geschossen. Anstatt an unsere eigenen Traditionslinien anzuknüpfen, würden wir stattdessen auf die religiöse Form, die diese Tradition in ihrer Adaption durch die Religionen erhalten hat, zurückgreifen – und damit so tun, als gäbe es da einen relevanten Gehalt, der in unserer eigenen Tradition nicht enthalten sei. Wir würden dann dem religiösen Seelsorgebegriff das wieder entnehmen, was die Religionen ihm im Prozess der Säkularisierung unter Rückgriff auf das moderne Konzept des Ichs überhaupt erst hinzugefügt haben.
Als ich in Potsdam in den 90er Jahren Jura studiert habe, wurde dort folgende Anekdote erzählt: Nach der Gründung der DDR überlegte man im Justizministerium, wie ein sozialistisches Zivilrecht aussehen könnte. Man suchte nach Vorbildern und zog dafür ein sowjetisches Lehrbuch des Zivilrechts heran. Was man nicht wusste, und dem Buch auch nicht entnehmen konnte, war, dass es sich dabei um die russische Übersetzung eines deutschen Zivilrechtslehrbuchs aus der Weimarer Zeit handelte ... So würden wir auch handeln, wenn wir das moderne Konzept des Ichs über die religiöse Aneignung im derzeitigen religiösen Seelenkonzept aufnehmen würden.
Das Original des modernen Verständnisses vom "Ich", welches im religiösen Seelenbegriff heute teilweise enthalten ist, stammt aus der aufklärerischen, wissenschaftlichen, humanistischen Tradition, aus unserer Tradition. Wir benötigen keinen Rückgriff auf eine religiöse Kopie.
Die humanistische Orientierung war schon immer eine, in der Mitgefühl für die psychischen Probleme des Anderen eine wesentliche Rolle spielt. Es gehört zur humanistischen Identität, sich um seine Mitmenschen zu kümmern, sie zu unterstützen und ihnen zu helfen, wenn es ihnen schlecht geht. Sofern solche Mitmenschlichkeit institutionalisiert geübt wird, geschieht dies in einer professionellen Art und Weise. Die humanistischen Verbände sind, seit es sie gibt, in der sozialen, unterstützenden Arbeit tätig. Dazu bedarf es keines Seelenbegriffs. Der religiöse Seelenbegriff enthält nichts, was wir als Humanisten brauchen würden, um unsere eigene weltanschauliche Position zu verbessern oder besser nach außen darzustellen. Was Humanität, Mitmenschlichkeit, Mitgefühl, zwischenmenschliche Hilfe, Unterstützung in schwierigen psychischen Situationen und Solidarität ist, brauchen wir uns als Humanisten wahrlich nicht von den Religionen erzählen zu lassen.
Es ist auch nicht anzunehmen, dass wir mit einem Konzept der "Seelsorge" konfessionsfreie oder humanistisch orientierte Menschen erreichen könnten. Wen wollen wir ansprechen? Offensichtlich keine religiösen Menschen, sondern Menschen, die eine humanistische Orientierung haben und sich eine entsprechend ausgerichtete Unterstützung wünschen. Menschen aber, die sich nicht als religiös verstehen, glauben auch nicht, dass sie eine "Seele" haben und wissen damit auch nicht, was sie bei einem "Seelsorger", sei er humanistisch oder nicht, suchen sollten. Ich habe in meinem Bekanntenkreis gefragt: Keiner meinte, dass er eine "Seele" besitze, niemand würde zu einem humanistischen "Seelsorger" gehen.
Man wird nicht annehmen können, dass ein nicht-religiöser Mensch, der in einer persönlichen Krisensituation nicht auf die Idee käme, zu einem "Seelsorger" zu gehen, dies nun tut, weil man diesem Seelsorger das Adjektiv "humanistisch" vorangestellt hat. Nicht-religiöse Menschen werden unter "Seelsorge" irgendeine Form von religiös orientierter Beratung erwarten. Und genau das wünschen sie nicht.
Wenn die humanistischen Verbände eine humanistische Lebensberatung beziehungsweise -therapie anbieten wollen, brauchen sie dafür ein klares eigenes, humanistisches Profil. Mit dem Begriff "Seelsorge" bekommt man das nicht. Wer meint, eine Seele zu haben, der geht zum religiösen Original und nicht zur humanistischen Kopie. Die Verbände brauchen eine klare Sprachregelung, wie sie ihre humanistische Lebensberatungstätigkeit nach außen darstellen. Dies ist ein Teil der Corporate Identity der Verbände. Es ist ein Fehler, der Einfachheit halber zu sagen: "Wir machen sowas wie Seelsorge." Nein, das machen die humanistischen Verbände nicht.
25 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
Es kommt doch darauf an, wie man „Seele" definiert und was man ihr für Eigenschaften zuspricht. Für mich als Humanist ist die Seele die Summe aller meiner Empfindungen.
thomas heinrichs am Permanenter Link
Wenn Sie für sich meinen, dass Sie eine Seele haben, ist das völlig in Ordnung. Ob man das damit gemeinte für sich Seele, Person, Ich oder anders nennt, ist egal.
Roland Fakler am Permanenter Link
Ok, muss ich zustimmen, "Seelsorge" ist ein religiöser, sogar kirchlicher Begriff.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Lieber Roland, das Problem liegt m.E. darin, dass die Begriffe Seele, Seelsorge u.ä. eindeutig religiös konnotiert sind. Ich benötige so etwas nicht.
Stattdessen den Begriff Seelsorge undurchsichtig umzudefinieren und damit quasi zu übernehmen, erscheint mir etwas wie Trittbrettfahrerei, die ich mir nicht antun möchte. Ich habe diesen ganzen irrationalen religiösen Klumpatsch vor Jahren komplett über Bord geworfen.
Sry, ist vllt. etwas kurz.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Folglich sollte statt "Seelsorge" der Begriff Human-beistand angeboten werden, der Begriff "Seele" ist christlich besetzt und bezeichnet ein imaginäres Gefühl welches nicht rational
Echten Beistand kann nur Humanismus leisten, da er frei von geschäftsmäßigem handeln
ist sondern nur als Hilfsbereitschaft angeboten wird.
David Z am Permanenter Link
Interessante Gedanken.
Ich würde das Wort "Seele" nicht notwendigerweise religiös definieren, zumindest heutzutage hat es doch einen sehr weitläufigen Bedeutungsgehalt und drückt im weitesten Sinne (Wohl-) Befinden aus.
"Das tut der Seele gut"
"Einfach mal die Seele baumeln lassen"
Usw
Mit "Humanistischer Seelsorge" hätte ich folglich kein Problem. Ich kann aber verstehen, wenn man versucht, den religiösen Kontext, auch wenn er sich nur andeutet, zu vermeiden.
Sachlich wäre wahrscheinlich "Therapie" am naheliegensten. Aber das wiederum klingt iwie zu medizinisch.
Roland Fakler am Permanenter Link
Die Christen haben weitgehend die fantastischen Seelenvorstellungen Platons übernommen, nach denen die unsterblichen Seelen, göttlichen Ursprungs, im Äther bereits seit Ewigkeit vor der Geburt existieren, sich die Kör
Ludwig Lauer am Permanenter Link
"Was stärkt meine Seele? Psychologische Schmerzbewältigungsstrategien können hilfreich sein. " So lautet der Anfang eines Artikels in "Diabetes Ratgeber" ("Bezahlt von Ihrer Apotheke ").
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Seele ist wegen der christlichen "Seelsorger" (Seelen-be-sorger für ihre Kirchen) ein religiöser Begriff. Daher stimme ich dem Autor zu.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Bin ganz der Meinung, wie sie im Artikel formuliert ist. Der Begriff der Seele ist derart religiös kontaminiert, dass er auch in dem Wort „Seelsorge“ eine falsche Assoziation auslöst.
Ich möchte sogar überspitzt formulieren: Das Wort Seelsorge ist de facto nicht weit von Seelenklempnerei entfernt. Dies zeigt das Zitat aus immanuel.de.
z.B. „was seelisch in Patienten vorgeht“ das legt offen, wie man da im Ungefähren herumstochert. Das erinnert an Freud, dessen Lehren in der neuesten Ausgabe des „Skeptiker“ als Pseudowissenschaft entlarvt werden. Lässt man in dieser Aussage das „seelisch“ mal weg, hat man alles gesagt, was es zu sagen gibt.
„halten Schweres, Leidvolles, Unerträgliches mit aus“ das ist ein uneinlösbares Versprechen; und was sollte das bringen, so zu tun als ob man selbst auch Krebs hätte ? Das Leid(en) eines anderen nachzuäffen und das dann Mitleid(en) nennen ? Darauf kann ich verzichten, wenn ich krank bin.
Und dass die kultischen Handlungen in der Realität nichts bewirken zeigt sich in den aktuellen Krisen überdeutlich; sie können lediglich die in früher Kindheit eingeübte falsche Geborgenheit vermitteln. Dies aber eben nur bei immer noch religiösen Menschen, die sich nicht von ihrem Kuscheltier GOTT oder JESUS oder MARIA lösen können.
Fazit für mich: jemand, der mir bei den bürokratischen und organisatorischen Problemen hilft, die eine schwere Krankheit mit sich bringt, ist zehnmal mehr wert als ein Seelenklempner welcher Weltanschauung auch immer.
Ralf Osenberg am Permanenter Link
Ich tue mich ebenso schwer mit dem Begriff Seele und Seelsorge wie der Autor.
Trotzdem würde ich den Begriff Seelsorge allenfalls im Untertitel eines solchen humanistischen Angebots verwenden (vielleicht in Anführungszeichen?).
Eine genauso griffige Bezeichnung zu finden wird nicht leicht.
Von „...-therapie“ würde ich abraten. Da assoziiere ich Homöopathen die glauben Ärzte zu sein. Es geht doch eher um einen Dialog mit einem bedrängten Menschen. Vielleicht kommt man mit dem Begriff Empathie weiter.
Es wird nicht einfach.
Dr. Horst Groschopp am Permanenter Link
In dem dafür besonders geeigneten, dem HVD so überaus freundlich gesinnten Medium hpd, hat Thomas Heinrichs eine säkularistische Generalabrechnung mit den mehr als zwanzigjährigen konzeptionellen Bemühungen vorgelegt,
Selbstverständlich hat sich (wenn auch erst historisch spät) die Theologie des Begriffs bemächtigt und ihm eine eigene Erklärung gegeben, die Dank der Macht der Kirchen, auch in der sozialhelfenden Praxis, den Eindruck erweckt, er käme von da. Aber das wird doch fälschlicherweise für Vieles behauptet. Als Gegenkonzept wirken auf der anderen Seite noch immer freidenkerische Traditionen nach, in denen es, wenn es keine Seele gibt, auch keine Seelsorge geben kann. Philosophische Reinheit versus kulturelle Verständlichkeit einer humanitären Praxis. Wie soll das Kind nun heißen? Worin sollen Sterbende „beraten“ werden?
Dass mit Anfang des 20. Jahrhunderts Seele ein religiöser Begriff geworden sei, dem widerspreche ich entschieden, nicht nur wegen des letzten Vierteljahrhunderts und den „Aufweichungen“ innerhalb eines „Christentums light“. Es hat nämlich nach 1892 bis in die 1920er in den deutschsprachigen Ländern Europas, aus den USA kommend, eine ethische Kulturbewegung gegeben mit einer eigenen humanitären Praxis und dem Begriff der „weltlichen Seelsorge“ (Wilhelm Börner). Es ist das Problem des Autors und wohl der Praxisverantwortlichen in humanistischen Organisationen, dass ihnen dieses historische Erbe, die eigenen Anfänge, die damit verbundenen geistigen Anstrengungen sowie die damalige Berufung auf eine humanistische Ethik und das Beharren in dem Wunsch, ein „Leben ohne Kirche“ zu führen, bislang unbekannt geblieben sind.
Das hat nun wieder damit zu tun, dass Nationalsozialismus und Kirchen nach 1933 in Deutschland und dann in Österreich dieses Tun theoretisch, praktisch und vor allem personell „überwunden“ haben und diese konservative Tradition des Antihumanismus nach 1945 im Westen fortsetzten, vor allem auch, weil wesentliche Begründer dieser Praxis säkulare Juden waren, vor allem junge Jüdinnen, die „Zedaka“ humanistisch deuteten.
Aus dem Urlaub,
Horst Groschopp
Petra Pausch am Permanenter Link
Ach Herr Groschopp, weshalb der Seitenhieb im ersten Satz? Teil des hpd-Vereines ist auch der HVD BB - schon vergessen?
Aber um mal zur Sache zu kommen: Glauben Sie allen Ernstes, dass Ihre - sicherlich richtige - theoretische und geschichtliche Abhandlung irgendwen außerhalb einer kleinen, universitären Blase interessiert? Schauen Sie sich die Kommentare hier an: Für den Großteil der Menschen ist der Begriff „Seele“ nun einmal theologisch aufgeladen - ob das Theoretikern nun passt oder nicht.
Man macht keine Politik (oder bessert: sollte sie nicht machen) an den Menschen vorbei. Das führt zu Irritationen. Genau zu denen, die Heinrichs in seinem Artikel benennt. Im Elfenbeinturm der Soziologie läßt es sich trefflich streiten; im Gespräch mit den Menschen eher nicht. Die möchten humanistische Hilfsangebote haben.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Voll(st)e Zustimmung, Petra Pausch.
Carsten Ramsel am Permanenter Link
Ach Frau Pausch, Sie leiten also aus den paar Kommentaren der hpd-Blase die semantische Bedeutung für den Großteil der Menschen (also aller Menschen und nicht nur jene, die sich der deutschen Sprache bedienen) ab.
Horst Groschopp wirbt doch gerade dafür, keine Politik an den Menschen und besonders den Politikerinnen und Politikern vorbeizumachen. Deswegen hat er in dem Punkte recht, dass sich der Begriff "Humanistische Seelsorge" etabliert hat und verstanden wird (z. B. aber nicht nur dort im Krankenhaus, im Gefängnis oder beim Militär). David Z hat dahingehend recht, dass der Begriff der Seele in seiner alltagssprachlichen Verwendung auch ohne theologische oder religiöse Bedeutung auskommt. Und schließlich, wo bedient sich denn die heutige (theologische) Seelsorge? Richtig in der Soziologie, Psychologie und bei der Sozialen Arbeit sowie der Sozialpädagogik.
Ich plädiere als Humanist dafür, die "Seel"sorge nicht den Kirchen zu überlassen.
Petra Pausch am Permanenter Link
Ach Herr Ramsel. Ich vermute mal ganz ungeniert, dass Sie innerhalb des HVD zum Kreise derer gehören, die - anders als Herr Heinrichs - mit dem Wort "Seele" kein Problem haben.
Verstehen Sie bitte meine Intention (versuchen Sie es wenigstens): Ich habe arge Bauchscherzen mit dem Begriff "Seele". Für mich ist das Wort religiös belastet (selbst wenn Horst Groschopp mir erzählt, dass es so nicht ist). Und alles in mir sträubt sich dagegen, humanistische "Seel"sorge zur Sozialarbeit des HVD zu sagen. Mag sein, dass der "Begriff der Seele in seiner alltagssprachlichen Verwendung auch ohne theologische oder religiöse Bedeutung auskommt" - das gilt nicht für mich (und offenbar auch andere Kommentatoren hier).
Anstatt mich hier persönlich anzugreifen und mir zu unterstellen, mich auf dünnem Eis zu bewegen reagieren Sie (und Herr Groschopp) doch bitte auf die Vorschläge zur Benennung, die andere hier in den Kommentaren machten. Das wäre sicher zielführender.
Carsten Ramsel am Permanenter Link
Guten Abend, Frau Pausch,
Thomas Oppermann am Permanenter Link
Ja es läßt sich vortrefflich darum streiten, wie den ein unterstützendes, begleitendes, die Menschen ernstnehmendes Gesprächsangebot zu bezeichnen ist.
Ludwig Lauer am Permanenter Link
Zustimmung. Mein Kommentar geht auch in diese Richtung.
thomas heinrichs am Permanenter Link
Ja, dann soll der hvd nrw uns mitteilen, was sein Angebot ist. Ich freue mich darüber zu hören. Das kann aber nicht die Aufgabe eines einzelnen Mitglieds sein.
Klaus Bernd am Permanenter Link
„Kein Ding sei wo das Wort gebricht“ (G. Benn)
A.S. am Permanenter Link
vorschlag für Begrifflichkeiten:
Statt von "Seele" sollten Humanisten von "Psyche" reden. Leute, die sich um die Psyche anderer bemühen, könnte man als Psyche-Pfleger bezeichnen.
Inseljunge am Permanenter Link
Ja mit "Seelsorge" habe ich auch Probleme:
Erstens habe ich keine Seele im traditionellen Sinne und
zweitens möchte ich nicht, dass sich jemand um meine
und nicht an meinen Zielen/Werten orientiert. Nett wäre
eine möglichst ideologiefreie, empathische Hilfe zur Selbst-
hilfe. Warum es also nicht einfach halten und auf das ein-
fache Wort "Hilfe" zurückgreifen? Dazu noch eine Allite-
ration, das macht sich immer gut: "Humanistische Hilfe".
Nora Koch am Permanenter Link
Nennt es doch einfach Lebenshilfe. Viel weiter weg von christlich geht kaum.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Meine Rede; inkl. Sterbehilfe - ist dann auch noch weiter weg.