Indien: Werbung mit lesbischem Paar zurückgezogen

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Symbolbild

Hin und wieder werden Werbespots aufgrund eines Shitstorms aus den sozialen Netzwerken, Videoportalen, Fernsehen oder Radio entfernt. Geht es dabei etwa um Rassismus oder Sexismus, sind dieser öffentlich aufgebaute Druck und die entsprechenden Konsequenzen sehr begrüßenswert. Wenn allerdings auf die Gefühle von homophoben Persönlichkeiten Rücksicht genommen wird, sind die Leidtragenden vor allem LGBTQIA+. Diese Form von Cancel Culture muss als reaktionär eingestuft werden. Ein Kommentar von Constantin Huber.

Global gesehen kommt es sehr regelmäßig vor, dass als heikel perzipierte Werbungen zurückgezogen werden und sich die Verantwortlichen dafür entschuldigen. Bei einem solchen Vorfall im Jahr 2020 rund um eine VW-Werbung merkte der Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Tahir Della allerdings an, dass es erstaunlich sei, dass es erst der heftigen Reaktionen in den sozialen Medien bedurft habe, damit der Konzern tätig wurde. Aus eigenem Antrieb geschah das nämlich nicht. VW hatte zunächst abgewiegelt und sich auf künstlerische Freiheiten berufen.

In Indien ist hingegen jüngst ein Unternehmen für Konsumgüter damit aufgefallen, sehr vorauseilend eine von manchen kritisierte Werbung zurückzunehmen. Gezeigt wurde dabei ein lesbisches Pärchen, das sich auf das Hindu-Festivals Karwa Chauth vorbereitete. Eine Festivität indischer Frauen, die vor allem im Norden und Westen des Landes eine Rolle spielt.

Der Protest gegen den Werbeclip wurde auch durch den Innenminister des flächenmäßig zweitgrößten indischen Bundesstaats Madhya Pradesh befeuert. Dieser hat dem höchstrangigsten Polizeibeamten seines Staates die Anweisung gegeben, die Rücknahme der Werbung anzuordnen. Außerdem hatte er angekündigt, dass er rechtliche Schritte einleiten werde, sollte die Werbung nicht gelöscht werden. Insbesondere der religiöse Teil der Gesellschaft hat das Zeigen von zwei sich liebenden Frauen als Affront verstanden und sich in den sozialen Netzwerken lautstark beschwert. Daraufhin entschied sich die Führungsetage des Unternehmens, die Werbung nicht weiter auszustrahlen und sich für deren Veröffentlichung "bedingungslos zu entschuldigen".

Der Innenminister von Madhya Pradesh gab zu bedenken, dass der Clip aus seiner Sicht anstößig sei und fragte bei einer Pressekonferenz in die Runde, ob denn als nächstes zwei Männer gezeigt würden, die gemäß traditioneller Gepflogenheiten heirateten. Auch das sei ihm zufolge verwerflich und könne nicht geduldet werden. All jene, die sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt sahen, haben unter dem Hashtag #BoycottFem dazu aufgerufen, keine Produkte aus der Werbung mehr zu kaufen.

Prinzipiell ist es völlig legitim, Werbeclips auf den Prüfstand zu stellen und bei nachweislich fragwürdigen Inhalten eine Rücknahme zur Diskussion zu stellen. Wenn allerdings die Forderung aufgestellt wird, dass etwas so Gängiges wie der Kuss von zwei sich liebenden Menschen nicht mehr gezeigt werden soll, dann führt das vor allem dazu, dass Vorurteile und Diskriminierungen gegenüber LGBTQIA+ unnötig lange aufrechterhalten werden. Diese Form von Cancel Culture kann nur als rückschrittlich bewertet werden.

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