Kolumne: Sitte & Anstand

Jetzt auch für Aliens: Erbsünde!

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Die Vorstellung, es gebe da einen Gott, und der Gott habe das Leben zu seiner Unterhaltung erschaffen, entwertet jegliches Leben. Alles ist ein Spiel gewesen, ein Jux. Puff, seid ihr wieder weg und werdet im Paradies endgelagert – vielleicht. Bis dem Herrn was Besseres einfällt, ein neues Universum, das er dann auch wieder wegschnippt nach einer Zeit.

Nun ja. Die merkwürdigsten Gedankengänge sprudeln in einem, wenn man auf der katholischen Seite domradio.de dieses Interview liest, das sich mit der Frage beschäftigt: Wenn "Perseverance" Leben auf dem Mars findet – welche Bedeutung hat das für die Theologie? Das ist so schief und hintenrum gedacht, dass das geradeaus denkende Gehirn halb panisch zu rattern anfängt, um sich in die gewohnte Klarheit zu retten, und doch lohnt es, das Interview mindestens in Teilen zu lesen, denn es lehrt uns den Gang theologischen Denkens: Wenn nämlich Christengott, Erbsünde und Erlösung als unabänderliche Prämissen in deinen Kopf eingehämmert worden sind, noch bevor du deinen ersten ganzen Satz gesagt hast, was macht das mit dem Denken? Wie ein Magnet, der jede rollende Metallmurmel von ihrer geraden Bahn abbringt, wie ein Sturm von der Seite, wenn du friedlich in deiner Prenzlbergstraße nach Hause radelst. Gott fordert Beachtung! Die Erbsünde will ins Leben eingebaut werden.

Um uns wieder in die Spur zu bringen, hier also die korrekte Antwort auf die Frage: "Wenn der Mars-Rover Perseverance wirklich Leben entdecken würde, was hieße das für unseren christlichen Glauben?"

Ja, nix. Glauben lässt sich immer, wenn man denn wirklich unbedingt will. Glaube, hält man nur fest genug an ihm, lässt sich von nichts erschüttern: vom gesunden Menschenverstand nicht, von Hexenverbrennungen und Heuchlermoral nicht, nicht von den Gewaltexzessen der Bibel und denen katholischer Priester, von Misogynie nicht und nicht von Homophobie, von Galilei nicht und Charles Darwin. Der Glaube glaubt einfach egalweg immer, er dreht sich einmal um im Schlaf und schnarcht weiter. Warum sollte er sich von irgend etwas beeinflussen lassen, was Millionen Kilometer von hier im Sand der Marswüste passiert?

Je mehr man vom Interview liest, desto mehr schleicht sich der Eindruck ein: domradio.de will nur mal wieder den katholischen Anspruch auf die Welt ausweiten. Heute gehören uns die Seelen der Erde, morgen das ganze Universum. Ernsthaft wird hier die Frage diskutiert: Ob Aliens auch "Erlösung" abkriegen, wenn es sie da draußen irgendwo gibt? Die Theologie funktioniert weiter wie seit zweitausend Jahren: Lasst Wissenschaft die Arbeit tun, lasst Wissenschaft das ganze Denken und Erkunden erledigen – hinterher kommen wir und melden unsere Ansprüche auf alles an.

Dabei braucht es gar kein Leben außerhalb der Erde, um den Erlösungsgedanken unlösbar zu finden. Denn wo, wenn wir schon schnacken, geht die Grenze zwischen Menschenaffen und Menschen? Diese, so denn erlöst, kommen ins himmlische Paradies, jene irgendwie weg. Jedoch, evolutionshistorisch gesehen: Wo fängt der Mensch an, wo hört der Affe auf? Denkt man in Artengrenzen, so gibt es zwingend ein Primatenpärchen, dessen Kinder plötzlich die ersten Menschen sind. Auseinanderhalten jedoch wird man die kaum können. Weil Arten eben graduell ineinander übergehen. Die Proto-Menschen aber, weil nur Affen, verschwinden in der Versenkung. Deren Kids werden in das Erlösungsgeschehen, in Sünde und Höllenfeuer geworfen. Weil sie von Geburt an böse sind. Da das dem Herrgott so gefallen hat. Puh! Dann lieber Primat bleiben. Oder die religiöse Phase der Menschheit überspringen, es gibt ja noch genug echte Probleme auf diesem netten Planeten.

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