Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat rechtskräftig festgestellt, dass auch Filme "ohne Feiertagsfreigabe" wie "Das Leben des Brian" von Monty Python an Karfreitag gezeigt werden dürfen. Damit konnte sich die Stuttgarter Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung in einem langjährigen Rechtsstreit mit der Stadtverwaltung durchsetzen.
Auf Betreiben der katholischen und evangelischen Kirche hatte die Stadt in den vergangenen Jahren die Aufführung religionskritischer Filme verboten – ein Skandal, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts (AZ: 4 K 2360/19) wurde nun sichergestellt, dass derartige Verbote künftig unterbleiben müssen.
Rechtsanwalt Udo Kauß, der die Stuttgarter Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) in dieser Angelegenheit vertreten hat, erklärte dazu: "Endlich konnte auch in Baden-Württemberg der Anachronismus überwunden werden, dass die beiden großen Kirchen der Verwaltung diktieren konnten, welche Filme an einem Karfreitag gezeigt werden dürfen und welche nicht. Damit ist der verfassungsrechtlich gebotenen weltanschaulichen Neutralität des Staates und seiner Verwaltung ein Stück mehr Geltung verschafft worden und damit unseren Grundrechten."
Auch gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon zeigte sich erfreut über das Stuttgarter Urteil: "Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2016 entschieden, dass weltanschaulich begründete Tanzveranstaltungen und Filmaufführungen an Karfreitag erlaubt sein müssen. Leider ist diese Nachricht bei vielen kommunalen Verwaltungen noch nicht angekommen. Deshalb ist es wichtig, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart nun weitere Eingriffe der Stadt bereits im Vorfeld unterbunden hat. Das Urteil ist nicht zuletzt auch ein Zeichen dafür, dass die Zeiten der Vermählung von Thron und Altar vorbei sind! Die kommunalen Verantwortlichen in Stuttgart und auch andernorts in Deutschland müssen endlich begreifen, dass wir in einem weltanschaulich neutralen Staat leben, in dem religiöse Bekenntnisse keinen Vorrang vor nicht-religiösen Weltanschauungen haben."
Niemand ist verpflichtet, zu tanzen oder zu trauern
Das Urteil des Verwaltungsgerichts garantiert, dass die gbs-Stuttgart bei künftigen Karfreitagsveranstaltungen die vom Grundgesetz garantierten Freiheiten wahrnehmen kann, ohne mit Sanktionen seitens der Stadt rechnen zu müssen. "Die dahinter stehende juristische Logik ist einleuchtend", meint gbs-Sprecher Schmidt-Salomon: "Wenn mit guten Gründen gilt, dass konfessionell gebundene Menschen in der Ausübung ihrer Religionsfreiheit nicht gestört werden dürfen, muss im Umkehrschluss gelten, dass konfessionsfreie Menschen in der Ausübung ihrer 'Freiheit von Religion' ebenso wenig gestört werden dürfen. Selbstverständlich verpflichtet niemand Christinnen und Christen, an Karfreitag zu tanzen. Ebenso wenig kann man Humanistinnen und Humanisten abverlangen, an christlichen Feiertagen 'traurig' oder 'ergriffen' zu sein."
Nach dem Urteilsspruch des Verwaltungsgerichts wird sich Stuttgart auf zünftige "Heidenspaß-Partys" und lästerliche Filmaufführungen freuen dürfen. Ob es allerdings bereits in diesem Jahr zu derartigen Karfreitagsveranstaltungen kommen wird, ist aufgrund der geltenden Corona-Bestimmungen fraglich.
Titelbild: Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=Bm8UWmXCMAg
Erstveröffentlichung auf der Website der Giordano-Bruno-Stiftung.
11 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Also hat Gott Corona geschickt, damit die lästerlichen Stuttgarter doch nicht tanzen und gucken dürfen. Ätschibätsch...
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Jetzt noch ganz ernsthaft: GRATULATION - an das Gericht, das Deutschland ein wenig weltanschaulich neutraler gemacht hat. Und GRATULATION an die gbs-Stuttgart, dass sie das durchgefochten hat. Leute, es wird langsam, wir müssen nur dranbleiben...
Tobias am Permanenter Link
du darfst diese Filme doch auch an Karfreitag schauen; war (soweit ich weiß) nie verboten - nur halt nicht als Kino-Veranstaltung. Was du zu Haus machst - davon war niemand betroffen.
Werner Koch am Permanenter Link
@Tobias Man sollte sich einmal in die Lage derer hineinversetzten, deren Freiheit im Namen eines christlich geprägten Feiertagsgesetzes beschränkt wird.
In dem Feiertagsgesetz von BW sind übrigens ausschließlich christliche Feiertage geschützt. Dass „Stillen Tage“ der ganzen Bevölkerung und dem ganzen Land auferlegt werden, ist sowohl unverhältnismäßig als auch nicht mehr zeitgemäß, noch passt es zu einem säkularen Staat. Es passt zu einem Gottesstaat im Nahen Osten, aber nicht zu Europa. Selbst in „katholischen Ländern“ wie Polen, Italien, Frankreich etc. ist der Karfreitag ein ganz normaler Arbeitstag. Es scheint Kirche und Staat/Land um Besitzstandswahrung der „christlichen Errungenschaft“ zu gehen.
Was auch anklingt: an einem „Stillen Tag“, an Karfreitag kann man doch verzichten. Es gibt in Baden-Württemberg nicht einen, sondern sieben (!) Stille Tage.
Wir wollen die Christen nicht stören und planen unsere Veranstaltungen in gehörigem Abstand zu Kirchen und vermeiden sogar, dass Geräusche nach außen dringen.
Ein vernünftiges Feiertagsgesetz könnte statt der Stillen Tage eine „Stille Zone“ um Kulthäuser (dann bitte auch um Synagogen und Moscheen) an besonderen religiösen Festtagen festlegen, aber nicht Trauer und Ergriffenheit für alle vorschreiben. Die meisten Christen nehmen den Karfreitag und die Auferstehung zwei (!) Tage später an Ostersonntag selbst nicht mehr so ernst. Und wenn jemand glaubt, dass durch den Tod und die Auferstehung Jesu die (erb)sündige Menschheit gerettet wurde, müsste das ein Freudentag sein und kein Trauertag.
Im Feiertagsgesetz von BW ist festgelegt, dass die (beiden) Kirchen bei Anträgen auf Ausnahmegenehmigungen gehört werden. Die Kirchen von Stuttgart haben in vielseitigen Schreiben (6+4 Seiten!) dem Ordnungsamt ausführlich dargelegt, warum es die Ausnahmegenehmigung vom FTG des Landes nicht erteilen darf. Dabei haben die Kirchen nicht berücksichtigt, dass 2016 das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass weltanschaulich begründete Tanzveranstaltungen und Filmaufführungen an Karfreitag erlaubt sein müssen. Damit ist die christliche Bevormundung für alle Bürger eingeschränkt worden. Das Ordnungsamt der Stadt Stuttgart wollte nicht selbst entscheiden, weshalb wir jedes Mal das Verwaltungsgericht einschalten mussten. In Bayern und in anderen Bundesländern gibt es diese Gängeleien bei Heidenspaß-Partys nicht. Dass wir in Baden-Württemberg die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Schritt für Schritt erkämpfen müssen, ist bedauerlich. Ob dies dem Pietismus oder dem starken kirchlichen Einfluss zuzuschreiben ist, kann man nicht eindeutig erkennen. Der für das Ordnungsamt zuständige Bürgermeister ist zugleich der vom Oberbürgermeister ernannten Religionsbeauftragte (!) der Stadt Stuttgart. Vielleicht ist es auch nur vorauseilender Gehorsam der Mitarbeiter des Ordnungsamtes.
Warum brauchen konfessionsfreie Menschen eine gebührenpflichtige Ausnahmegenehmigung und Gerichtsentscheidungen, wenn sie ihre vom Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte wahrnehmen wollen? Viele wollen an Karfreitag gar nicht tanzen – aber wenn es in bevormundender Weise verboten wird, will man eine solche Bevormundung abschütteln.
Vielleicht ändert das Land Baden-Württemberg eines Tages auch das „christliche“ Feiertagsgesetz.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Es tut sich was; insbes. durch die Einsicht, dass "religiöse Bekenntnisse keinen Vorrang vor nicht-religiösen Weltanschauungen haben".
Heinz König am Permanenter Link
Endlich...
Giordano Bruno am Permanenter Link
Hurra, wieder ein Etappensieg, Vernunft macht sich allmählich breit in der Kirchenrepublik
Tobias am Permanenter Link
Was hat das bitte mit "Vernunft" zu tun?
An 364 Tagen darf man den Film gucken - aber (um zu provozieren?) MUSS er am Karfreitag gespielt werden?
Ach ne - du darfst ihn an 365 Tagen schauen (!) - nur halt nicht öffentlich. Wie diskriminerend. ^^
DAS hat nichts mit Vernunft zu tun, sondern erinnert mich eher an die Geschichte mit dem Paradies: von fast ALLEN Bäumen durften sie essen, nur von einem nicht - aber genau DER musste es am Ende sein (hätten sich ja auch für den "Baum des Lebens" entscheiden können). Und dann sind am Ende noch die Anderen Schuld.
Unechter Pole am Permanenter Link
Wer provoziert hier bitte?
Tobias am Permanenter Link
Finde ich grundsätzlich gut.
Ob nun "Stuttgart" sich wirklich darüber freut (oder nur einige, die meinen evtl. "stänkern" zu müssen) - das sei nochmal dahin gestellt.
David Z am Permanenter Link
Das ist doch nur ein trivialer Nebenkriegsschauplatz. Am Ziel sind wir erst, wenn ein Satirefilm über Mohammed gezeigt werden kann, ohne dass Köpfe abgeschnitten werden.
G.B. am Permanenter Link
Genau das David Z sollte es sein worauf Säkularisation und Menschenrecht hinarbeiten.