Kielce 1946 – Judenpogrome gab es in Europa auch nach Hitler

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Haus an der Planty Nr. 7, Kielce
Haus an der Planty Nr. 7

AUGSBURG. (hpd) In der katholischen Bevölkerung entsteht das Gerücht über eine angeblich von Juden begangene Kindesentführung und darüber, dass ein Judenjunge "eine Hostie geschändet" habe, also eine geweihte Oblate mit den Händen berührte. Dies löst eine geradezu hysterische Empörung im Volk aus und führt zur massenhaften Tötung oder Vertreibung von Juden. Dies passierte im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit häufig. Aber im Europa nach dem Ende des 2. Weltkriegs?

In der südpolnischen Stadt Kielce lebten 1939 etwa 25.000 Juden, die ein Sechstel der Bevölkerung ausmachten. Die Nazis brachten fast alle um, einigen wenigen Juden gelang die Flucht. Nach 1945 kehrten einige hundert Überlebende in ihre Heimatstadt zurück. Aber dann schürten antisemitische Katholiken das Gerücht von der Entführung eines christlichen Knaben, und binnen eines Tages wurden am 4. Juli 1946 mindestens 40 Juden umgebracht (eine andere Quelle spricht sogar von 82 Ermordeten).

Der polnische Kardinal Hlond lehnte es ab, sich von diesen Übergriffen fanatischer Katholiken zu distanzieren. Er galt vielen als Speerspitze der antijüdischen Bewegung und seine Anhänger würdigten seine Haltung, dass er die Besetzung Polens durch die Nazis zwar nicht guthieß, die Säuberung von Juden aber als positive Nebenwirkung betrachtete. Allerdings war Hlond geschickt genug, sich bei offiziellen Anlässen dazu nie eindeutig festzulegen.

Für die verbliebenen jüdischen Überlebenden war das Massaker das Signal zur endgültigen Auswanderung aus Polen, wo 1946 noch rund 90.000 Juden lebten, im Jahr 1990 aber kaum noch 5.000. Wer indes glaubt, der katholische Antijudaismus sei inzwischen verschwunden, möge die Äußerungen des populären Privatsenders "Radio Maria" zur Kenntnis nehmen, die bei der aktuellen Regierung starke Beachtung finden.