Die Kirche haftet für die Missbrauchstaten ihrer Kleriker, die ihr Amt zur Tatbegehung nutzen, und zwar unabhängig von einem Verschulden der Leitungsverantwortlichen. Das folgt aus den Grundsätzen der Amtshaftung, wie sie von Gerecke/Roßmüller letztes Jahr in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) ausführlich dargestellt wurden. Diese in der Rechtspraxis herrschende Auffassung wurde nunmehr vom Landgericht Köln in seinem Urteil vom 13. Juni bestätigt. Die Kammer hat in einem auf mehreren Ebenen außergewöhnlichen Prozess entschieden, dass das Erzbistum Köln dem Kläger Georg Menne für die innerhalb von zehn Jahren erlittenen über 300 Fälle schweren sexuellen Missbrauchs durch einen Priester 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen muss.
In den Blick zu nehmen ist in dem Zusammenhang erneut das Gercke-Gutachten, das vom Erzbistum Köln in Auftrag gegeben wurde. Dass dieses Gutachten unter erheblichen Mängeln leidet, hat der Beirat des Instituts für Weltanschauungsrecht Rolf Herzberg Anfang 2023 in einem bestechenden Beitrag bereits entfaltet.
In dem Gutachten wird die Amtshaftung vollständig ausgeblendet, was Herzberg kritisiert. Diese Auslassung der Gutachter, die das Erzbistum Köln als Auftraggeber nunmehr zu spüren bekommen hat, tritt im Licht des Urteils besonders deutlich hervor.
Herzberg zeigt auf (S. 14 f.), dass zur Beantwortung der Gutachtenfrage nach der Verantwortlichkeit des Erzbistums Köln auch das staatliche Schadensersatzrecht miteinzubeziehen gewesen wäre. Auszugsweise heißt es in dem Aufsatz:
"Wenn das Kirchenrecht interessiert, dann doch wohl auch das staatliche Schadensersatzrecht. Das Erzbistum wird sich von den Gutachtern nicht auf den Standpunkt gestellt sehen wollen, dass ihm Verstöße gegen diese rechtlichen Vorgaben unwichtig sind. Das dürfte schon deshalb so sein, weil das Schadensersatzrecht in Gestalt des Amtshaftungsanspruchs gegen die solvente Institution Katholische Kirche aus Sicht der Opfer von höchster Bedeutung ist. Und am angemessenen Ausgleich des Leids ist die Katholische Kirche auch nach ihrem (für den Gutachtenauftrag ebenfalls relevanten) Selbstverständnis interessiert."
Es ist zu konstatieren, dass das Gutachten auch in diesem herausragend wichtigen Punkt an dem vorbeigeht, was zu einer ernstgemeinten Aufklärung gehört: Nämlich die drängenden Fragen der Opfer zu klären. Herzberg schreibt zu diesem gravierenden Versäumnis (S. 2):
"Ich habe mich umgehört und unter den Befragten niemanden gefunden, der wissen will, wie das problematische Verhalten von Bischöfen nach kanonischem Recht zu beurteilen ist und ob ihnen kirchenrechtliche Sanktionen drohen wie Exkommunikation, Klosterhaft, Auferlegung einer Bußwallfahrt oder eine päpstlich angeordnete "Auszeit". Vielmehr fragt man, was das weltliche Strafrecht, aber auch das strenge Haftungsregime des Zivilrechts ergeben: Begehen die betreffenden Personen Unrecht? Kommen sogar Freiheitsstrafen ernsthaft in Betracht? Haben die Opfer Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Bischof oder das Bistum? Darüber will informiert werden, wer Gerckes Gutachten zur Hand nimmt."
Kurzum: Ein Rechtsgutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen sollte selbstverständlich, anders als es das Gercke-Gutachten tut, einbeziehen, wie ein Bistum – als eine auf Wahrhaftigkeit verpflichtete Körperschaft des öffentlichen Rechts – mit Rechtsansprüchen der Betroffenen umgegangen ist.
1 Kommentar
Kommentare
G.B. am Permanenter Link
Dieser Saustall gehört mit eisernen Besen ausgefegt, Schluß mit Empfindlichkeiten und
Rücksichtnahme auf Gesetzesbrecher im Pristergewand.