Kommentar

Die Kirche hört die Signale nicht

Kirchenbänke.jpg

Nur wenige Tage nach dem Urteil des Landgerichts Köln wird am Landgericht Traunstein deutlich, dass die Signalwirkung, die von der Verurteilung des Erzbistums Köln zu Schadensersatz in Höhe von 300.000 Euro zugunsten des Opfers schweren sexuellen Missbrauchs ausgeht, bei der Kirche offenbar (noch) nicht angekommen ist.

Verhandelt wurde dort in der vergangenen Woche ein weiterer Missbrauchsfall eines katholischen Priesters. Der Missbrauch sowie die Tatsache, dass die Erzdiözese München und Freising dafür im Wege der Amtshaftung einzustehen hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Über die konkrete Schmerzensgeldsumme möchte das Erzbistum aber derzeit nicht verhandeln, sodass nunmehr ein psychologisches Gutachten erstellt werden muss. Für die Kirche ist nämlich der Kausalzusammenhang zwischen dem Missbrauch des ehemaligen Ministranten und den negativen Auswirkungen auf dessen Leben offenbar nicht einsichtig, schließlich unterbreitete sie kein Schmerzensgeldangebot, wie die Passauer Neue Presse (PNP) am 21. Juni berichtete.

Das "bewährte Gericht", so die Formulierung des Rechtsanwalts Dieter Lehner, der das Erzbistum vertritt, beschloss daraufhin aufgrund des Bestreitens der Kirche eine Beweisaufnahme diesbezüglich durchzuführen.

Das bedeutet für den Kläger eine massive Belastung und zeigt zugleich, dass die Beteuerung der Einigungsbereitschaft der Kirche in dem Verfahren letztlich nur ein inhaltsleeres Lippenbekenntnis ist. Das Verhalten des Erzbistums ist angesichts der angeblichen Aufklärungs- und Entschädigungsbemühungen der katholischen Kirche als beschämend zu bezeichnen. Gleichzeitig entlarvt es auch die fehlende Wahrhaftigkeit, die Geschädigte klerikalen sexuellen Missbrauchs der Kirche seit Jahren vorwerfen.

Wenigstens eine Gutachtenschlacht sollte den Geschädigten von der Kirche erspart werden. Zumal ohnehin zu konstatieren ist, dass eine monokausale Zurückführung psychischer Beschwerden auf bestimmte Lebensereignisse nicht möglich ist. Dass es sich bei einer Alkohol- und Drogensucht, die der Kläger erlitten haben soll, um eine durchaus bekannte deliktstypische Folge handelt, dürfte sich dabei – auch dem Gericht – aufdrängen. Umso mehr, soweit vergleichbar belastende Lebensereignisse wie der sexuelle Missbrauch durch den Priester H. ausgeschlossen werden können. In diesem Sinne entschied auch bereits das Landgericht Köln 2022 in einer Strafsache wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern durch einen katholischen Priester.

Wie viele Urteile müssen wohl noch gefällt werden, bis die Kirche einsehen mag, dass die Zeit der Vertuschung endgültig vorbei ist?

Unterstützen Sie uns bei Steady!