Notizen aus Polen

Land der unbegrenzten Möglichkeiten

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In Polen wird Schritt für Schritt die Demokratie abgebaut. Die Regierung verabschieden sich zudem immer weiter vom europäischen Gedanken. Der hpd-Polenkorrespondent Andrzej Wendrychowicz bittet um Hilfe für die außerparlamentarisch Opposition, die immer stärkeren Repressalien ausgesetzt ist.

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten heißt nicht mehr USA. Das ist jetzt Polen. In keinem Land des s.g. Westens möglich ist, dass:

  • die aus Steuergelder finanzierten öffentlichen Medien – Rundfunk und Fernsehen – so frech lügen, manipulieren, indoktrinieren, nur den Machthabern dienen und jegliche Opposition bekämpfen;
  • die Neofaschisten durch die Straßen von Hauptstadt marschieren – fürsorglich von Polizei geschützt – ihre Kampfparolen skandieren und jene, die damit nicht einverstanden sind und die Straße blockieren, vor Gericht gestellt werden;
  • die Gerichtspräsidenten und seine Stellvertreter vom Oberstaatsanwalt (!!) willkürlich abberufen und nominiert werden;
  • die staatlichen Konzerne von den Leuten geleitet werden, deren einzige Qualifikationen es ist, der regierenden Partei anzugehören;
  • der oberste Wächter der Verfassung, der Staatspräsident, die Verfassung abermals bricht;
  • innerhalb von lediglich zwei Jahre von dem Musterknabe der EU zu dem Sorgenkind der ganzen Gemeinschaft abzusinken;
  • eine Nation, von der genau so viel Angehörige in Ausland als in der Heimat leben, weil sie seit Jahrhunderten vor den Angreifern, Besatzern, Aggressoren, Kriegen fliehen mussten und in aller Länder der Welt Zuflucht gefunden hatten, heute keinen einzigen Flüchtling annimmt, weil sie eine xenophobe Regierung hat.

Diese Liste ist noch nicht einmal vollständig und wird fast jeden Tag um neue Delikte der Regierenden bereichert. Auch werden jeden Tag neue, nach innen oder nach außen gerichtete Streitfelder eröffnet. Zum Beispiel die Reparationen. Alle wissen, dass der "Zwei-plus-Vier-Vertrag" vom 12. September 1990 endgültig das Thema Deutschland nach dem 2.Weltkrieg entschieden hat. Und damit auch das Thema jeglicher Vergütungen, Entschädigungen, Reparation.

Es gibt aber gefällige "Spezialisten", die genau das Gegenteil beweisen; unter anderem auch der parlamentarische Rechtsdienst Polens. Andere "Gelehrten" haben die polnischen Forderungen auf rund ein Billion US-Dollar geschätzt. Viele Leute sehen schon viel Geld in den eigenen Taschen.

Die antideutsche Hetze hat neue Impulse bekommen. Über den Unsinn solcher Forderungen weißt auch Kaczyński Bescheid, der das Thema in die öffentliche Diskussion gebracht hat. Aber das ist eine bekanntes Verfahren: Um von den inneren Konflikten abzulenken, zeigt man einen Gegner, diesmal Deutschland, und fordert die Bevölkerung auf, sich hinter der nationalen Fahne zu versammeln.

Straßenblockade in Warschau
Straßenblockade in Warschau

Ich weiß es nicht, ob die in Polen regierenden Politiker überhaupt imstande sind, weitblickend zu denken, aber das Thema Reparationen ausgerechnet jetzt zu starten ist ein gern willkommenes Präsent für die deutschen Nationalisten inmitten des deutschen Wahlkampfes. Für die polnischen Nationalisten natürlich auch.

Die oben aufgelisteten "Errungenschaften" der rechtsnationalen polnischen Regierung haben andere antidemokratischen Regulierungen überschattet, die von der Öffentlichkeit fast unbemerkt verliefen. Das polnische Parlament hat die Schaffung eines von der Regierung kontrollierten Organs beschlossen, das über die Verteilung von Geldern an Nichtregierungsorganisationen bestimmen soll. Mit dem Gesetz wird das "Nationale Freiheitsinstitut – Entwicklungszentrum für die Zivilgesellschaft" einem sogenannten "Komitee für Angelegenheiten des öffentlichen Nutzens" unterstellt.

Aufsicht über die NGO’s einzusetzen ist nichts anderes als ein Versuch, sie zu liquidieren. Norwegen hat bereits angekündigt, dass der "Norwegische Fond" gestoppt wird, weil diese Gelder direkt an die NGO’s und nicht an die von Regierung kontrollierte Institution fließen sollen. Lobenswert, richtig, aber letztlich werden viele bürgerliche Initiativen damit sterben.

Auf die Ratlosigkeit und Schwäche der parlamentarischen Opposition können praktisch nur die von den zahlreichen NGOs organisierten verschiedenartigen Proteste die Vernichtung des Rechtstaates und der Demokratie in Polen mindestens verlangsamen. Doch völlig ohne Geld lässt sich das nicht weiter machen.

Wir brauchen dringend Unterstützung aus dem Ausland. Ich habe schon darüber geschrieben, dass (…) das Projekt "Verteidigung europäischer Werte" zu verabschieden ist und in diesem Rahmen die Verteidiger der europäischen und demokratischen Werte in Bukarest, Budapest, Warschau zu unterstützen und zu finanzieren sind. Denn sie sind die wahren Mitglieder der Europäischen Union und nicht die rechtskonservativen, nationalistischen, fremdenfeindlichen, korrupten Regierungen.

Am 24. September sind Wahlen in Deutschland. Ich bitte die Politiker, die Wähler, die Humanisten, die NGO-Mitglieder, darüber nachzudenken, wie der Demokratiebewegung in Polen und anderen osteuropäischen Ländern geholfen werden kann.