Old meets New Economy

Liaison mit Zukunft

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Daniel Wesener
Daniel Wesener

Noch nie sind so viele Menschen in die deutsche Hauptstadt gezogen wie seit dem Mauerfall. Berlin ist die Stadt des Neuen. In diesem Kosmos prallen Vergangenheit und Zukunft, New und Old Economy, aufeinander. Die Evolutionstheorie lehrte uns die stete Veränderung des Lebendigen unter dem Druck der jeweiligen Verhältnisse. Wer die Verhältnisse nicht ändern kann und sich diesem Druck nicht beugt geht unter. So ist es in der Natur, so ist es in unserer Gesellschaft und so ist es in unserem Wirtschaftssystem.

Berlin ist ein Mekka der Kultur- und Kreativwirtschaft1, die sich zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt hat. Und Berlin ist dabei, zur führenden Gründermetropole in Europa zu werden. Schon heute wird alle 20 Stunden ein neues Startup2 in Berlin gegründet. Das Platzen der Internet-Blase vor sechzehn Jahren hat jedoch gezeigt, dass sich allein mit Ideen kein Geld verdienen lässt. Mit vollmundigen Versprechen und in die Höhe getriebenen Erwartungen haben sich Garagenfirmen zu Börsenstars aufgeschwungen und sind vielfach gescheitert. Dennoch ist die Geschichte der New Economy noch nicht zu Ende, und heute werden die neuen Wunderkinder des World Wide Web wieder gefeiert wie Pop-Stars.

Dem Glanz und der Faszination der New Economy kann man sich nur schwerlich entziehen. Sie hat etwas Verheißungsvolles, birgt jedoch die Gefahr, den Blick auf die Old Economy zu verstellen.

Doch über 180.000 Menschen und damit jeder zehnte Beschäftigte in Berlin arbeitet in einem Handwerksbetrieb3 der Old Economy. Hier werden mehr Erwerbstätige beschäftigt als in der Berliner Industrie. Das Handwerk bildet über den Eigenbedarf hinaus aus und leistet mit über 10 % der Wertschöpfung einen nicht wegzudenkenden Beitrag zur Volkswirtschaft. Technische Innovationen, die demografische Entwicklung, eine fortschreitende Internationalisierung der Märkte aber auch ökologische Herausforderungen erfordern vom Handwerk Flexibilität und Innovationsbereitschaft.

Zwei Aspekte der gesellschaftlichen Entwicklung werden die Zukunft des Handwerks wesentlich beeinflussen: Die Digitalisierung aller Lebensbereiche, sowie die Notwendigkeit der Ressourcenschonung.

Die Digitalisierung im Handwerk

Gerade das Handwerk steht bei der Digitalisierung vor besonderen Herausforderungen: Sie reicht von der Optimierung der Bürokommunikation, über eine eigene Internet-Seite, die Nutzung sozialer Netzwerke bis hin zu neuen Geschäftsmodellen und zur Erschließung neuer Märkte. Digitalisierung bietet mehr Chancen als „nur“ die Optimierung von Arbeitsabläufen. Und auch die Ansprüche der Kunden und Kundinnen steigen im Zeitalter des „Internets der Dinge“: Immer mehr Häuser und Wohnungen, sprich Heizungsanlagen, Haushaltsgeräte, Klimatechnik, etc., werden vernetzt.

Ohne Digitalisierung werden Handwerksbetriebe in Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Die Abläufe werden immer effizienter, die Verknüpfung von Informationen und Prozessen schreitet voran. Routinetätigkeiten werden zugunsten anspruchsvollerer Aufgaben abnehmen. Die Arbeitswelt der Zukunft wird dezentraler organisiert und von Projektarbeit dominiert sein mit der Folge, dass viele Beschäftigte mehr Entscheidungen selbst treffen müssen. Man wird Mitarbeiter brauchen, die in der Lage sind, unerwartet auftretende Probleme zeitnah zu lösen. Generell müssen alle sehr viel flexibler werden, weil immer weniger Routineaufgaben anfallen. Dem lebenslangen Lernen kommt deshalb zunehmend Bedeutung zu.

Hinter dem Erfolg "digitalisierter Handwerksbetriebe" steckt neben handwerklichem Können auch ein Faible für digitale Technik. Doch die Handwerksmeister wissen viel weniger über technische oder Organisationssoftware als über den Umgang mit Material und Werkzeugen. Noch klafft zwischen fachlichem und digitalem Know-how eine riesige Lücke - Informationstechnologien sind nicht unbedingt die Kernkompetenz der Handwerker. Dabei kann auf Dauer nicht überleben, wer im Internet nicht sichtbar ist. Wer dagegen mit der richtigen Idee aufwartet, kann sein lokales Geschäft internationalisieren.

Betriebe, die ihre Geschäftsidee mit einem Online-Modell anbieten, sind in der Regel wettbewerbsfähiger. Doch beim Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen über Online-Plattformen gilt es rechtliche Vorgaben zu beachten. So sind besondere Widerrufsrechte nach dem Fernabsatzgesetz zu beachten und entsprechende Prozesse vorzusehen. Die Kundenbindung umfasst zukünftig nicht nur gelegentlichen persönlichen Kontakt und Online-Werbung, sondern auch neue Online-Services wie Remote-Wartung und eine Professionalisierung der Kundenbeziehung.

Datenschutz und IT-Sicherheit, veränderte Arbeitsverhältnisse sowie die innovativen Kundenbeziehungen stellen neue Anforderungen an rechtliche Rahmenbedingungen. Die Umsetzung und rechtskonforme Ausgestaltung ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg neuer Geschäftsmodelle.

Die Nachhaltigkeit als Prinzip handwerklicher Gestaltung

Die Notwendigkeit Ressourcen zu schonen verhilft dem Handwerk zukünftig immer mehr zu einer neuen Wertschätzung. Die Nachhaltigkeit wird zu einem Prinzip der handwerklichen Gestaltung. Diese trifft auf eine jüngere Generation, die immer weniger auf große Einkommen zurückgreifen kann.

Das eigene Konsumverhalten soll bewusst und ressourcenschonend sein. Eine Möglichkeit Abfallberge zu reduzieren und nachhaltige Lebensweisen alltagspraktisch erfahrbar zu machen ist die gemeinsame Reparatur von defekten Gebrauchsgegenständen. Dadurch sparen wir Rohstoffe, Energie und somit auch den Ausstoß von CO2-Emissionen. 

Repair-Cafés sind Treffen bei Kaffee und Kuchen, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter Anleitung alleine oder gemeinsam mit anderen ihre kaputten Dinge reparieren. Dabei stellen die Organisatoren Fachleute, Werkzeug, Material und Literatur für alle möglichen Reparaturen zur Verfügung. In Repair-Cafés begegnen sich Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus und Lebensformen. Sie tragen zu einer Kultur der Nachhaltigkeit bei, rufen ein Gemeinschaftsgefühl hervor und regen Menschen dazu an, die eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen. Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe für Menschen, die kein Geld für einen Neukauf haben oder die aus ökologischer Überzeugung das Bestehende erhalten wollen.