Dass Rezo, der Youtuber, an diesem Vormittag eine Rolle spielte, war klar, als Manfred Bissinger gleich anfangs seinen Enkel Henry nannte, den er zu dieser Veranstaltung mitgenommen hatte. Mit ihm hatte er natürlich das Video, das die CDU hilflos erscheinen lässt, angeschaut und diskutiert. Das Interesse des Jungen an politischen Themen finde er faszinierend, wie er fast bewundernd feststellte.
Rezo, der Schreck der alten wie neuen Granden der CDU wegen der "unzeitgemäßen Kritik" an der Politik der Älteren sollte daher noch eine Diskussionsgrundlage bilden – zumindest stand diese immer als Thema im Hintergrund, Antworten auf Fragen, die keinen Adressaten fanden. Die CDU-Vorsitzende AKK und ihre Sprachlosigkeit oder die Diskussion um Andrea Nahles wurden beiläufig erwähnt, im Mittelpunkt stand Manfred Bissinger als Urgestein sozialdemokratischer Positionierung im Journalismus.
Man könnte die folgenden Gespräche zwischen dem Altkanzler und dem Journalisten unter der behutsamen Moderation der früheren Sportlerin und Sportjournalistin Katja Kraus, vorweg schon einmal zusammenfassen: Aufklärung als Lebensziel des politischen Journalisten Bissinger.
A propos, eine Marginalie war es schon wert, die den Journalisten Bissinger zu einem politischen machte: Er schrieb anfangs für ein Zeitungsorgan der Vieh- und Fleischwirtschaft. Das prägte ihn – nicht nur wegen der Möglichkeit, sich auslassend Themen zu nähern, was heute nicht mehr möglich sei, wie er und Schröder bedauernd konstatierten. Aber das Einarbeiten in Themen, die abseits des Mainstreams standen und stehen, gehörten zum Stil des Journalisten.
Eigentlich wollte (oder sollte) Manfred Bissinger mal selbst biografische Anmerkungen über sich selbst verfassen. Das ließ er aber sein, weil er sich selbst dabei misstraute und nun dankbar war für die biografische Spurensuche , die die beiden Autoren Schmidt und Bernhardt übernommen hatten – deren akribische Arbeit er lobte.
Grundgründlich recherchierend, um eine Steigerung des Wortes herauszuarbeiten, habe Bissinger immer gearbeitet, wie die beiden Autoren im Buch immer wieder hervorhoben, und auch Gerhard Schröder anerkennend erwähnte. Das sei immer ein Plus gewesen bei den journalistischen Artikeln – natürlich auch bei juristischen Auseinandersetzungen, die ob der Schärfe der Worte oftmals folgten.
Ein Merkmal journalistischer Arbeit sei natürlich die Auseinandersetzung mit den konservativen Kräften gewesen – und deren Helfershelfern der Springerpresse, die mit brachialer Gewalt der Bundesrepublik ihren Stempel aufdrücken wollten. Stichwort Ostpolitik, Stichwort Willy Brandt. Einer Änderung ihrer vorherrschenden Meinung über die bisherigen Strukturen mit den östlichen Nachbarn wollten die konservativen Kräfte nie zustimmen und bekämpften deshalb alle Andersdenkenden. Besonders Willy Brandt war bevorzugtes Ziel hasserfüllter Botschaften der sich christlich determinierenden Demokraten. Die Oder/Neiße-Grenze spaltete die Nation jahrzehntelang. Bissinger und sein Team führten Hunderte von Interviews mit den dort lebenden Bürgern.
Bissinger hatte den Machtmenschen Springer nicht nur durchschaut, sondern auch einen journalistischen Gegenpart geliefert, indem er dessen Meinungshoheit angriff, erst bei dpa, im STERN, dann in Konkret, in der Woche und letztendlich auch als Sprecher des Hamburger Senats.
Mit Henri Nannen, der ihn schon 1967 beim NDR für den STERN entdeckt hatte, bildete er lange Zeit ein publizistisches Bollwerk gegen konservative Strömungen. Er wurde der scharfsinnige Meinungsmacher, als den ihn viele stilisierten. In der Ära Schröder war er der ständige Begleiter von dessen Politik, die er in der Woche journalistisch unterstützte.
Die Freundschaft mit Gerhard Schröder beruhte aber nicht auf dieser Zeit, sie war schon sehr früh entstanden – wie sie beide des Öfteren bei dieser Veranstaltung, die in der Hamburger Vertretung beim Bund in Berlin stattfand, betonten.
Sie waren ein Korrektiv, ihre Freundschaft hatte eine besondere Tiefe, die auch persönliche Dinge betraf – was bei dieser Veranstaltung aber nicht Thema war.
Interessant die Bemerkungen zu den Lebensleistungen, zu den beruflichen Entwicklungen. Beide, Schröder wie Bissinger waren nie prädestiniert für diese Lebensläufe, weil sie die Ausbildungen nie genossen oder abgebrochen hatten – nie denkbar in der heutigen Zeit mehr, wie sie übereinstimmend feststellten.
Es war ein sehr launiger Schlagabtausch, der zudem die Geschichte Deutschlands Revue passieren ließ – und auch Kenntnisse der Informationsquellen offenbarte: Gerhard Schröder, ein "analoger" Mitteiler, der sich schwertat mit neuester elektronischer Technik – und der damit etwas übertrieben kokettierte. Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie ein Gerhard Schröder auf einen Rezo reagiert hätte. Aber da hätte er sicherlich auf Manfred Bissinger zurückgegriffen, dem diese Quellennutzungen nicht schwerfielen, weil er sich ihrer seit langem bediente – sicher auch durch die sichtbare Enkelgeneration. Und natürlich durch einen anderen Wegbegleiter, Werner Knopf, einstmals Werbetexter einer Agentur, der ihm eine Rosskur in Sachen elektronischer Datenverwertung verordnet hatte.
Zum Schluss noch eine kleine Bemerkung zu dem "jungen" Verlag, der die Biografie herausgebracht hat, ein Wagnis sicherlich, aber die Verleger Günter Berg und Peter Feierabend haben jeweils eine lange Erfahrung mit Autoren. Man mag dem neuen Verlag Berg&Feierabend daher bei der Auswahl und der technischen Begleitung oder Umsetzung viel Glück wünschen – so wie mit diesem Buch "Der Meinungsmacher".
2 Kommentare
Kommentare
Peter Exner am Permanenter Link
Der Informationsgehalt dieses Artikels ist mehr als dürftig.
Peter Exner am Permanenter Link
Mich hätten vor allem zwei Fragen interessiert:
1. Warum hat Bissinger "konkret" verlassen?
2. Woran ist das Projekt "Woche" gescheitert?