Diesmal befasst sich der Schwerpunkt der MIZ mit einem seit fast 20 Jahren diskutierten "heißen Eisen": Wie kann säkulare Lobbyarbeit erfolgreich gestaltet werden? Was sind die organisatorischen Voraussetzungen dafür? Und: Bringt die Gründung des Zentralrats der Konfessionsfreien den entscheidenden Schritt nach vorne?
Im Editorial steckt Nicole Thies den Rahmen ab: Lobbyarbeit als Möglichkeit Politik mitzugestalten, erfordere zum einen Kompetenz. Hinzu komme jedoch, dass es gelingen müsse, als legitime Vertretung einer Bevölkerungsgruppe wahrgenommen zu werden. Hier knüpft Gunnar Schedel in seinem Beitrag an, indem er die Positionen der säkularen Verbände zum Zentralrat vorstellt – sowohl derjenigen, die sich für eine Mitgliedschaft entschieden haben, als auch derjenigen, die nicht davon zu überzeugen waren. Dass der Zentralrat nicht den ersten Versuch darstellt, die Konfessionslosen-Verbände zu koordinieren, zeigt Horst Groschopp, indem er an das Weimarer Kartell erinnert.
Ein langes Interview mit dem Zentralratsvorsitzenden Philipp Möller gibt authentische Einblicke in dessen Arbeitsalltag und erläutert die Perspektiven säkularer Lobbyarbeit. Wo gesellschaftliche zu politischen Veränderungen führten, müsse der Zentralrat einschreiten und sich selbstbewusst und konstruktiv für die Interessen der Konfessionslosen einsetzen. "Wir sind dabei vorsichtig optimistisch", lautet Möllers Fazit.
Grundordnung oder Grundgesetz?
In der Rubrik "Staat und Kirche" geht es um die neue Grundordnung des kirchlichen Dienstes. Von der katholischen Kirche wohl nicht zuletzt deshalb geändert, weil die Ampelkoalition sich vorgenommen hat, im Kirchlichen Arbeitsrecht Veränderungen herbeizuführen, ändert sich nichts grundlegend, meint Romo Runt. Nach wie vor sollen Streik und Tarifvertrag in "kirchlichen" Betrieben Fremdwörter bleiben. Und auch die Loyalitätsobliegenheiten werden nur für wiederverheiratete Geschiedene und Kirchenmitglieder, die offen in einer homosexuellen Partnerschaft leben, aufgeweicht. Für Konfessionslose bleibt alles beim Alten: der eigentlich seit Jahren durch europäische Rechtsvorschriften und Gerichtsurteile untersagten Diskriminierung.
Indonesien und Iran
In einem Interview macht der Ethnologe Christoph Antweiler den Unterschied zwischen Religion und Religiosität anschaulich. Seine zahlreichen Forschungsaufenthalte in Indonesien mit seinem Modell, religiöse Vielfalt staatlicherseits zuzulassen, sie aber gleichzeitig zu kanalisieren, führen ihn zu der Einsicht, dass die tatsächlich praktizierte Religiosität häufig synkretistisch und "unorthodox" ist, die Institutionalisierung von Religion hingegen meist dazu führt, dass die Unterschiede betont werden.
Die Schriftstellerin Noshin Shahrokhi floh als junge Frau aus der Islamischen Republik Iran. Im Interview mit Lea Martin erzählt sie über die Situation damals und gibt eine Einschätzung zu den aktuellen Protesten ab. Vor allem aber sprechen die beiden über Shahrokhis Roman "So leicht kommst du nicht ins Paradies". Der thematisiert im Rahmen einer Familiengeschichte religiös motivierte Frauenfeindschaft und patriarchale Familienstrukturen sowie in einem zweiten Handlungsstrang das Leben von Geflüchteten in Deutschland und die sehr unterschiedliche Auseinandersetzung mit den angetroffenen gesellschaftlichen Verhältnissen.
Daneben gibt es den achten Teil der Artikelserie über die Erweiterte Evolutionäre Synthese sowie die üblichen Rubriken Netzreport, Internationale Rundschau und die Glosse Neulich… beim Ex-Papst.