Abtreibungsgesetzgebung in Irland

Bürgerversammlung fordert deutliche Liberalisierung

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About Ten Thousand People Attended A Rally In Dublin In Memory Of Savita Halappanavar | (CC BY-SA 2.0)

Die Bürgerversammlung Irlands, ein von der Regierung eingesetztes Beratungsgremium, hat sich für die Legalisierung der Abtreibung ausgesprochen. Sie folgen mit der Empfehlung dem Wunsch der irischen Bürger, die sich in einer Umfrage Anfang März mit deutlicher Mehrheit gegen das geltende Abtreibungsverbot aussprachen.

Irland, Malta, Polen, San Marino, Liechtenstein und Andorra – in diesen Staaten herrschen die strengsten Abtreibungsgesetze. Europas. Geht es nach der irischen Bürgerversammlung, dann könnte Irland bald aus dieser Liste gestrichen werden. Das Beratungsgremium der Regierung sprach sich Ende April dafür aus, dass die nationale Abtreibungsgesetzgebung reformiert werden soll. 

Irland und Nordirland haben laut Amnesty International eine der restriktivsten Regelungen weltweit, erst 2015 veröffentlichte die Organisation einen weiteren Bericht zur Situation von Frauen und Mädchen in beiden Staaten. Der Abbruch einer Schwangerschaft ist in Irland eine Straftat. Abtreibungen sind nur möglich, wenn Leib und Leben der Mutter bedroht sind.

In zwei Wahlgängen sprach sich das Gremium zur Beratung der Regierung in ethischen Fragen mit großer Mehrheit dafür aus, die bestehende Regelung in der irischen Verfassung nicht beizubehalten und eine entsprechende Verfassungsänderung oder -ergänzung vornehmen zu lassen. Während die erste Entscheidung, ob die Regelung reformiert werden soll, von den anwesenden 91 Bürgerrepräsentanten noch mit großer Mehrheit getroffen wurde (79 Ja-Stimmen zu 12 Nein-Stimmen), fiel die zweite Entscheidung über die Frage, wie die Reform aussehen soll, deutlich knapper aus (50 Ja-Stimmen zu 39 Nein-Stimmen bei 2 Enthaltungen). Die Mehrheit entschied sich dafür, das irische Parlament zu beauftragen, die Neuregelung zu beraten und zu beschließen, und lehnte es ab, den Schwangerschaftsabbruch weiterhin direkt in der Verfassung zu regeln. 

Die Mitglieder des Beratungsausschusses beschlossen auch konkrete Empfehlungen für die Neuregelung der Abtreibungsgesetzgebung. Sie sprachen sich dafür aus, Abtreibungen ohne Befristung zu legalisieren, wenn das Leben der Mutter in ernsthafter Gefahr ist (diese besteht auch bei Suizidabsicht), die körperliche und seelische Gesundheit der Mutter auf dem Spiel steht sowie bei Schwangerschaften infolge von Missbrauch und lebensbedrohlichen Erkrankungen des Fötus, die mutmaßlich zum Tod des Kindes kurz vor oder nach der Geburt führen. Bis zur 22. Schwangerschaftswoche soll eine Abtreibung erlaubt sein, wenn lebensbedrohliche Erkrankungen des ungeborenen Kindes vorliegen, die mutmaßlich nicht zum Tod vor oder kurz nach der Geburt führen, oder die betroffenen Frauen sozio-ökonomische Gründe vortragen. Die Bürgerversammlung sprach sich auch für die Möglichkeit einer unbegründeten Abtreibung bis zur 12 Schwangerschaftswoche aus.

Seit Ende November hatte die Bürgerversammlung der irischen Regierung über die Regelung beraten, dabei wurden sowohl Befürworter der Liberalisierung als auch Vertreter der organisierten "Lebensschützer" gehört. Im Mittelpunkt der fünften und letzten Sitzung zum Thema stand insbesondere die Frage im Mittelpunkt, ob die Forderung der Aufhebung der entsprechenden Passage in der Verfassung (Artikel 40.3.3) ausreicht, um eine Liberalisierung der Abtreibungsregelung herbeizuführen. Bereits bei der Märzsitzung des Gremiums hatte Brian Murray S.C. von der irischen Rechtsanwaltskammer dem Gremium die verschiedenen Möglichkeiten der Reform erläutert und erklärt, dass eine Aufhebung der Passage nicht zwangsweise zu einer Liberalisierung der Regelungen führt. Das irische Parlament muss sich nun mit der Frage auseinandersetzen und die Neuregelung der Abtreibungsgesetzgebung vornehmen.

Öffentlichen Umfragen zufolge befürwortet eine deutliche Mehrheit der irischen Bevölkerung die Liberalisierung des Abtreibungsrechts. Insbesondere der Tod der 31-jährigen Savita Halappanavar, die im Oktober 2012 an einem septischen Schock infolge einer Blutvergiftung starb, nachdem Ärzte die Abtreibung bei einer einsetzenden Fehlgeburt mit Verweis auf die Rechtslage verweigerten, hat für eine Trendwende in der öffentlichen Diskussion der Abtreibungsgesetze in Irland geführt. Im Juni vergangenen Jahres hatte sogar der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen eine Reform der Abtreibungsgesetzgebung gefordert.

Der Vorsitzende des Irischen Verbandes für Familienplanung (IFPA) Niall Behan begrüßte die Entscheidung der Bürgerversammlung. Es könne nun keine Zweifel mehr über den Wunsch der Bürger nach einer Gesundheitspolitik geben, die die reproduktiven Rechte der Frau, ihre Würde, Autonomie und Gleichberechtigung respektiert, erklärte Behan nach der Entscheidung. Das Parlament müsse nun bei der anstehenden Reform "einen Frauen-zentrierten Ansatz verfolgen" und den "Zugang zu Abtreibungsdiensten sicherstellen".

Auch die British Humanist Association, unter deren Dach die irische Sektion tätig ist, freute sich über die Entscheidung. Rachel Taggart-Ryan sagte, dass dies ein "großer Schritt in die richtige Richtung" sei. "Wir hoffen, dass das Parlament die Empfehlungen akzeptiert und die Reform dieses veralteten Artikels der irischen Verfassung aufnimmt", erklärte Taggart-Ryan. "Wir hoffen auch, dass dies zu erneuten Forderungen nach einer ähnlichen Veränderung in Nordirland führt, wo Frauen mit einer ähnlich restriktiven Regelung konfrontiert sind." 

1967 wurden in Großbritannien mit dem Abortion Act die Abtreibung liberalisiert. In Nordirland wurde dieser aber nie angenommen, weshalb die Rechtslage von Frauen dort mit der in Irland vergleichbar ist. Seit den 1980er Jahren sollen allein aus Irland über 160.000 Frauen nach England, Schottland und Wales gereist sein, um von der legalen Möglichkeit einer sicheren Abtreibung Gebrauch zu machen.