Am vergangenen Wochenende gründete sich in Bochum die nordrhein-westfälische Landesgruppe der Säkularen Sozis. Damit gibt es im zehnten Bundesland innerhalb der SPD eine Arbeitsgruppe, die sich für eine säkulare Politik stark macht.
Nach eigenem Bekenntnis wollen sich die Säkularen Sozis "innerhalb von Partei, Politik und Gesellschaft für eine säkulare Religions- und Weltanschauungspolitik einsetzen." Gegen diese Bestrebungen gab es von Anfang an Widerstand innerhalb der Partei. Ein "Arbeitskreis Laizisten in der SPD" wurde vom Bundesvorstand nicht anerkannt.
Umso dicker sind die Bretter, die auch die neugegründete Landesgruppe der "Säkularen Sozis" zu bohren hat. Für die innerparteiliche Diskussion in der SPD haben sich die "säkularen Sozialdemokraten in NRW" viel vorgenommen.
Der neugewählte Sprecher Johannes Schwill (Bochum) nannte vorrangig die seit 100 Jahren ungeklärte Frage der staatlichen Leistungen an die Kirchen, die anders als Kirchensteuern zusätzlich aus öffentlichen Steuermitteln finanziert werden. So müssten die fast 40 Prozent der konfessionell ungebundenen Staatsbürger die kirchlichen Organisationen mitfinanzieren. Die Weltanschauungspolitik des Staates dürfe nicht an Lobbyinteressen orientiert sein, sondern müsse die Gleichbehandlung aller Bevölkerungsgruppen berücksichtigen. In der Weimarer Reichsverfassung und gleichlautend im Grundgesetz steht der Auftrag, diese aus grauer Vorzeit stammenden Zahlungen an die beiden großen Kirchen zu beenden.
Die ebenfalls als Landessprecherin gewählte Dr. Lale Akgün (Köln) stellte klar, dass die Privilegierung von Religionsgemeinschaften, ihren Mitgliedern staatlich getragenen Religionsunterricht zu erteilen und dies – auch noch vor Eintritt der Religionsmündigkeit – durch einen gemeinsamen, integrativen Unterricht für alle abgelöst werden sollte, der vielfältige religiöse wie weltanschauliche Inhalte vermittelt und damit zum gegenseitigen Verständnis von Traditionen und Lebensentwürfen in einer pluralen Gesellschaft beitragen kann. Eine moderne Religions- und Weltanschauungspolitik solle nicht nur anderen Parteien überlassen werden.
Bei der Gründungsversammlung am 16. März 2019 gab es gleich zu Beginn eine lebhafte Diskussion über das Thema: "Religion – Kitt oder Keil in der Gesellschaft?" Überwiegende Zustimmung fand die These des Ägyptologen Jan Assmann, dass die monotheistischen Religionen durch die mosaische Unterscheidung zwischen wahr und falsch, Glauben oder Unglauben an nur einen Gott ein immanentes Gewaltpotential hätten.
Kritisch diskutiert hingegen wurde die sechste These aus dem Leitkulturkatalog des früheren CDU-Innenministers de Maiziére, dass Religion und Kirchen uneingeschränkt "Kitt" in der deutschen Gegenwartsgesellschaft seien.
Dr. Klaus Gebauer erläuterte anschließend historisch fundiert den Unterschied zwischen dem französischen Laizismus als kämpferischem Programm gegen die Macht des feudalen Klerikalismus sowie dem allgemeinen, für die deutsche Debatte vorzuziehenden Begriff "Säkularität" als Konzept umfassender Weltlichkeit und Diesseitigkeit von Staat und Gesellschaft.
13 Kommentare
Kommentare
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Wer hat tausende von Ein-Euro-Jobbern gezwungen Kirchhöfe zu fegen, damit die Kirchen das Betreuungsgeld bekamen?
Wer sagte noch einmal, dass der, der nicht arbeitet, auch nicht essen soll?
Wie viele Menschen mussten aufgrund der Hartz-IV-Sanktionen (Null-Prozent-Existenzminimum!) ihr Leben lassen und sterben auch heute noch im Winter auf der Straße?
Wer Säkularität und Humanismus ernst nimmt, kann diese Partei nie wieder wählen!
Ernst-Günther Krause am Permanenter Link
Für rational halte ich es, die Initiative säkularer Sozis zu begrüßen. Nur die Vertreter des Volkes in den Parlamenten können die Finanzierung des geistlichen Führungspersonals der Kirchen (Staatsleistungen) beenden.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Wenn eine Mini-Splittergruppe jetzt schon weiß, dass ihr Anliegen bei der Mehrheit der Partei kein Gehör finden kann, dann halte ich es für rational, wenn sie die Partei verlässt und dort tätig wird, wo sie dem wählen
Ernst-Günther Krause am Permanenter Link
Auch die Zahl der Religionsfreien, der Humanisten, der Atomkraftgegner usw. war früher sehr sehr klein - sowohl innerhalb der Gesellschaft als auch innerhalb der Parteien.
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Religionsfreie, Humanisten und Atomkraftgegner haben eigene Parteien gegründet!
Zudem ist Ihre Prognose gerade von der Realität überholt worden, siehe: „Kein Platz für säkulare Interessen in der SPD“.
Kay Krause am Permanenter Link
Moin, Herr Namensvetter! Ich simme Ihne 100% zu! Aber für mich ergibt sich die Frage: Sind das wirklich "unsere" Volksvertreter"?
nimmt doch kaum einer ernst. Die Piraten? Ein konfuser Verein! Die Humanisten? Sind (NOCH!) eine verlorene Stimme. Warum treten die öffentlich so wenig in Erscheinung?
Herr Krause, ich habe keine Ahnung, vielleicht können sie einem Mitglied Ihrer Ahnengalerie weiterhelfen?
m.f.G., Kay,v.Krause
Ernst-Günther Krause am Permanenter Link
Selbstverständlich sind das "unsere" Volksvertreter, auch wenn sie nicht nur unsere, sondern auch die Interessen von anderen Wählern vertreten. Ich habe 1977 die Nichtraucher-Initiative München e.V.
Kay Krause am Permanenter Link
Liebe säkulare Es-Pe-Disten! wundert Ihr Euch noch, wenn die große Mehrheit Eurer alten Wähler-Klientel kein Wort Eurer Reformwilligkeit mehr glaubt?!
Mit real-sozialdemokratischen Gruß,
Kay Krause
Peter Hemecker am Permanenter Link
Als in der Kommunalpolitik tätiger Bürger beobachte ich schon seit langem, dass die Nähe zwischen Politik und Verwaltung einerseits und den Kirchen andererseits immer mehr zunimmt.
Auch die SPD, die einstmals von der 'Religion als Opium des Volkes' sprach, ist mittlerweile durch und durch verquickt mit den Kirchenleuten und stellt das auch noch groß zur Schau. Diese kleine Gruppe von kirchenkritischen Mitgliedern, von denen der obige Artikel handelt, hat überhaupt keine Chance innerhalb der Partei. Soweit ich weiß gibt es nur die Piratenpartei und die Partei der Humanisten, die sich eindeutig für die Trennung von Staat und Kirche positionieren. Da es bei der Europawahl keine Prozenthürde gibt, sollte man beim 'Kreuzchen machen' daran denken.
A.S. am Permanenter Link
Ich erlaube mir, in diesem Zusammenhang auf die FDP zu verweisen.
Als Partei hat die FDP immerhin arbeitsfähige und gut vernetzte Strukturen, anders als die "Humanisten" oder die "Piraten".
Peter Hemecker am Permanenter Link
Dann frage ich mich, warum die FDP, die die meisten Jahre der vergangenen 70 Jahre BRD mit in der Regierung saß und auch in den meisten Bundesländern Mitverantwortung trägt und trug, nichts zu einer Trennung von Kirch
Ich erinnere mich an ein WDR-Interview, in dem der FDP-Mann Gerhart Baum zu diesem Thema gefragt wurde und fast hysterisch die Frage mit den Worten abwendete "Um Himmels Willen, davon haben wir uns sehr schnell getrennt, das hat uns nur geschadet, davon wollen wir auch nichts mehr wissen." Weitere Nachfragen des Moderators wurden von ihm abgewürgt.
Kay Krause am Permanenter Link
Hallo A.S.! Ich schätze Ihre Kommentare sehr! Aber Neo-Liberalismus?
Thomas Göring am Permanenter Link
Passend zu diesem Artikel lese ich gerade in der F.A.Z. das Folgende:
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/atheisten-duerfen-keinen-arbeitskreis-in-der-spd-gruenden-16096047.html
Demzufolge verweigert der religionshörige Parteivorstand seinen "GenossInnen" schon seit mehreren Jahren stur & arrogant die Gründung eines säkularen Arbeitskreises.
Der Parteivorstand verbietet solch einen Arbeitskreis kurzerhand.
Somit dürfte sich die Sache allmählich wohl erledigt haben. Ende - aus - vorbei.
Wer außer Großkapital & Kirchen & Islamverbänden braucht diese Partei noch - und wozu genau?
Warum fällt mir beim Thema "SPD" bloß immer mal wieder das "Seifenlied" von Kurt Tucholsky & Hanns Eisler ein? (Das ist zwar schon etwas älter, aber im Kern irgendwie doch zeitlos.)
https://www.youtube.com/watch?v=Fd5xvhYYVl4