Der Missbrauchsskandal hat die katholische Kirche nach wie vor fest im Griff. Zwar haben sowohl Papst Franziskus als auch sein Vorgänger dem Kindesmissbrauch in den Reihen der eigenen Kirche offiziell den Kampf angesagt, doch ob es der Vatikan wirklich ernst damit meint, wird immer wieder bezweifelt.
Dazu geben auch neue Enthüllungen aus dem Vatikan Anlass. Laut Medienberichten soll Papst Franziskus gegen einige wegen Kindesmissbrauchs beschuldigte Geistliche die Strafe gelockert haben. Ursprünglich sollten sie auf Empfehlung der vatikanischen Glaubenskongregation aus dem Priesteramt verstoßen werden, doch der Papst milderte die Strafe ab - in lebenslange Buße und Gebet sowie die Versetzung aus dem öffentlichen Priesteramt.
Missbrauchsopfer wie Marie Collins, die zu den Gründungsmitgliedern der von Franziskus eingesetzten Beraterkommission für Missbrauchsfälle gehört, äußerten sich bestürzt. Wenn man Schwäche hinsichtlich der angemessenen Strafe zeige, könne dies ein falsches Signal an jene senden, die über einen Missbrauch nachdenken, sagte Collins.
Laut der englischen Zeitung Daily Mail erklärte Vatikansprecher Greg Burke, dass dem Papst nach wie vor sehr an Verbesserungen bei der Aufklärung von Missbrauchsfällen gelegen sei, dass jedoch die Gnade, auf die der Papst großen Wert läge, auch für jene gälte, die sich abscheulicher Verbrechen schuldig gemacht hätten. Laut Daily Mail sagte Burke: "Der Heilige Vater versteht, dass für viele Opfer und Überlebende ein Zeichen der Gnade in diesem Bereich problematisch ist, aber er weiß, dass die Botschaft der Barmherzigkeit in den Evangelien letztlich eine Quelle machtvoller Heilung und Gnade ist."
Die Schlagzeilen über die päpstliche Gnade für geistliche Kinderschänder kommen für die katholische Kirche zu einer ungünstigen Zeit. Erst im Januar hatte der Enthüllungsjournalist Emiliano Fittipaldi sein Buch "Lussuria" (Unzucht) veröffentlicht, in dem er dem Vatikan vorwirft, unzählige Missbrauchsskandale gedeckt zu haben. Fittipaldi hatte bereits 2015 die Kirchenoberen gegen sich aufgebracht, als er ein Buch über Reichtum und Finanzgeheimnisse im Vatikan herausbrachte, in welchem er geheime Dokumente veröffentlichte. Auch in seinem neuen Buch erhebt Fittipaldi schwere Vorwürfe gegen die katholische Kirche. Diese versetze, so Fittipaldi, pädophile Geistliche nach wie vor lieber hin und her, statt sie zu exkommunizieren oder für ihre Strafverfolgung zu sorgen.
Der Verdacht der Vertuschung wird auch im australischen Missbrauchsskandal immer wieder laut, der aktuell ebenfalls für schlechte Schlagzeilen für die katholische Kirche sorgt. Anfang Februar veröffentlichte dort die staatliche Untersuchungskommission für Kindesmissbrauch einen Zwischenbericht. Danach fanden 60% aller angezeigten Missbrauchsfälle in religiösen Organisationen statt – hiervon fast zwei Drittel in der katholischen Kirche. Laut den Ermittlungen der Kommission haben 7% aller katholischen Priester in Australien zwischen 1950 und 2010 Kinder missbraucht. Das Durchschnittsalter missbrauchter Mädchen lag bei 10,5 Jahren, das missbrauchter Jungen bei 11,5 Jahren.
35 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Das Geheimnis des Glaubens: in ihren Statuten kommt Kindesmissbrauch nicht vor. Es wird einfach nicht darüber diskutiert, ist ja igitigit! Außerdem die Strafe: Buße und Gebet!
Kay Krause am Permanenter Link
Und die Frage ist doch - lieber Wolfgang - ob diejenigen, die sich in führenden kirchlichen Positionen befinden und darüber diskutieren SOLLTEN, sich in ihrer priesterlichen Vergangenheit nicht selber schuldig gemacht
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Wolfgang:
Falls Sie mit "Statuten" die Bibel meinen: Ausdrücklich kommt dort sexueller Kindesmissbrauch nicht vor, stimmt. Im Gegensatz etwa zum antiken Griechenland oder Rom, wo es zeitweise zum guten Ton gehörte, sich Kindersklaven als Lustknaben zu halten. Das scheint es in dieser Offenheit in der Welt des Alten Testaments nicht gegeben zu haben.
Immerhin wird jede Form des Inzests im Alten Testament ausdrücklich verboten. Damit wären heute mehr als die Hälfte aller Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs abgedeckt.
Im Neuen Testament wird Unzucht - und damit ist jeder Sex außerhalb der Ehe gemeint - allgemein verboten. Also auch Kindesmissbrauch.
Falls Sie mit "Statuten" das aktuelle Kirchenrecht meinen:
can. 1395 §1 des Codex Iuris Canonici: "Ein Kleriker, der sich auf andere Weise gegen das sechste Gebot des Dekalogs verfehlt hat, soll, wenn nämlich er die Straftat ... an einem Minderjährigen unter sechzehn Jahren begangen hat, mit gerechten Strafen belegt werden, gegebenenfalls die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgenommen."
Im aktuellen Priesterdienstrecht der Erzdiözese Wien gibt es einen eigenen Abschnitt "Umgang mit Kindern, Jugendlichen und besonders schutzbedürftigen Personen".
Es gibt in der Erzdiözese Wien eine eigene "Stabsstelle für Missbrauchs- und Gewaltprävention".
Und es gibt einen eigenen "Lehrgang zur Weiterbildung als Fachkraft für Prävention und Intervention gegen sexualisierte Gewalt".
Doch, es wird darüber diskutiert!
Kay Krause am Permanenter Link
Wolfgang, welche Religion ist besser?
Gruß vom Kay
Angelika Oetken am Permanenter Link
Ein Rausschmiss aus dem Priesteramt bedeutet den Verlust der Versorgung und aller Privilegien, die ein katholischer Priester genießt. So etwas könnte die Zunge lösen.
Aus diesem Grund sorgt „Mutter Kirche“ auch noch für ihre Priester, wenn die offiziell aus ihrem bevorzugten Stand entlassen wurden. Sie schlüpfen dann in irgendeinem kirchlichen oder kirchennahen Betrieb unter.
Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden
Wolfgang am Permanenter Link
Es geht mir nicht darum, das die Priester Missbrauch betreiben. Ausschlaggebend ist der christliche Gott, der diesem Treiben seit Jahrhunderten tatenlos zusieht, aber z.B.
Marianne am Permanenter Link
Es gibt keinen Gott und keine Hölle und kein Paradies. Beides schaffen wir uns auf Erden. Und das dritte - Gott - haben auch WIR erschaffen. Wir haben nur dieses eine Leben - es ist unser Leben.
Angelika Oetken am Permanenter Link
Mir geht es zwar um die zahlreichen von katholischen Priestern missbrauchten, misshandelten und sexuell ausgebeuteten Kinder.
Paul am Permanenter Link
----"dass die Botschaft der Barmherzigkeit in den Evangelien letztlich eine Quelle machtvoller Heilung und Gnade ist."----
Kann mir mal jemand erklären, was die Quelle machtvoller Heilung sein soll? War Ranschbach nicht auch so eine Quelle, voller Viren und Bakterien, die von den Behörden geschlossen werden musste??? Für den Vatikan wäre es schon längst an der Zeit.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Der Schutz der Kinder hat Vorrang.
Er hat Vorrang vor dem guten Ruf oder auch nur der Eitelkeit der Kirche.
Er hat auch Vorrang vor öffentlichen Rachegelüsten.
Die Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft nützt nicht nur den Haftentlassenen. Sie verringert auch die Gefahr zukünftiger Straftaten und vermeidet dadurch neue Opfer.
Es kann also durchaus sinnvoll sein, Priester, die ein Verbrechen begangen haben, wieder ins Priesteramt einzusetzen. Sie haben dadurch wieder eine Beschäftigung, was auf jeden Fall besser ist als Arbeitslosigkeit und Untätigkeit.
Außerdem haben die Priester dadurch ein soziales Umfeld und soziale Kontrolle. Das ist gut für alle - so wie es bei jedem Haftentlassenen gut ist, wenn er wieder Arbeit und ein funktionierendes soziales Umfeld hat.
Es wird natürlich wichtig sein, Priester, die sich an Kindern vergangen haben, in einem Bereich einzusetzen, wo sie keine neuerliche Gefahr für Kinder darstellen. Ein Kloster oder ein Pflegeheim können geeignet sein.
Für die Dauer und den Vollzug von Haftstrafen ist die Kirche nicht zuständig. Ihre Aufgabe besteht lediglich darin, dass sie zumindest Offizialdelikte anzeigt.
Auch bei Gerichtsverhandlungen hat der Opferschutz Vorrang. Wenn das Opfer bzw. dessen Familie aus guten Gründen (!) eine außergerichtliche Einigung vorzieht (was mir nur bei kleineren Vergehen denkbar erscheint), oder eine Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, dann hat das die Gesellschaft zu respektieren.
Die Vergebung gehört zu den Kernbotschaften Jesu. Sie endet weder bei Priestern noch bei Kindesmissbrauch.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
>Es kann also durchaus sinnvoll sein, Priester, die ein Verbrechen begangen haben, wieder ins Priesteramt einzusetzen.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
"Aber nur als Seeisorger in einem Gefängnis wo er gerade seine zehnjährige Strafe absitzt."
Konrad Schiemert am Permanenter Link
> Und was dann?
Man kann auch über den moralischen Maßstab reden, mit dem ein Priester gemessen werden muss. Ich sehe diesen Maßstab für Priester weitaus höher als der Maßstab z.B für Poltiker(innen) (ohne die Absicht eine(n) Politiker(in) zu beleidigen)
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Natürlich soll er wo arbeiten, wo er keine Kinder missbrauchen kann. Ich verstehe nur nicht, warum das nicht z.B. ein kirchliches Pflegeheim oder ein Kloster sein soll.
Ich fände es analog auch nicht schlimm, wenn ein verheirateter Mann, der Kinder missbraucht hat, nach der Haftstrafe wieder von seiner Frau aufgenommen wird. Im Gegenteil: Wahrscheinlich wird sie besser auf ihn aufpassen, als das ein Bewährungshelfer je könnte. Und ich glaube nicht, dass der Täter das als Signal auffasst "Ist ja eh nicht so schlimm, was ich getan habe." Die Frau wird ihm schon sagen, was sie von seinen Taten hält. Hoffentlich.
(Ja, ich kenne Fälle, wo das wirkich geschehen ist. Ehefrauen schaffen die großartigsten Dinge. Sie können verzeihen, ohne zu verharmlosen. Und genau das will die Kirche auch!)
Damit, dass für Priester (und für Politiker, Ärzte, Lehrer) höhere moralische Maßstäbe gelten, haben Sie wieder recht. Diese höheren Maßstäbe dürfen sich auch in der Strafhöhe auswirken. Nicht aber in einer Vorverurteilung. Das wäre genauso verkehrt wie damals, als den Opfern viel zu oft nicht geglaubt worden ist (was hoffentlich, hoffentlich wirklich vorbei ist!)
Angelika Oetken am Permanenter Link
Zur Frage der Prognose für die Wiedereingliederung von Sexualstraftätern, insbesondere, wenn es sich um Kleriker handelt: so lange ein Missbrauchstäter nicht bereit und in der Lage ist, die Verantwortung für sein Hand
Zum Zusammenhang von Sexualität und Missbrauch: es gibt einen Tätertypus, dessen sexuelle Identität so beschädigt ist, dass er nahzu suchtartig sexuell übergriffig agiert. Diesem Personenkreis wird fälschlicherweise eine besonders hohe Libido oder große sexuelle Potenz zugeschrieben. In der Realität ist das Gegenteil der Fall. Weshalb diese Männer auch ständig die PartnerInnen wechseln, bzw. unentwegt auf der Suche nach Opfern sind. In seinem sexuellen Agieren wirkt so ein „Don Juan“ auf normale Menschen derart abstoßend, dass sie ihm oft schon intuitiv aus dem Weg gehen.
Falls eine Institution diesen Personenkreis anzieht, liegt es in deren Verantwortung, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie diesem Phänomen begegenen will.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Fr. Oetken!
Wir wissen beide, dass es sehr unterschiedliche Motive für sexuellen Missbrauch an Kindern gibt: echte Pädophilie, die von Ihnen erwähnte psychosoziale Verwahrlosung, damit verwandt: Empathiemangel, Machtmissbrauch, der von Ihnen in einem anderen Posting erwähnte Narzissmus, mangelnde Hemmschwelle (v.a. unter Alkoholeinfluss), ...
Wenn ein Bischof zu entscheiden hat, wie er mit einem Priester verfährt, der ein Sexualdelikt gesetzt hat, wird er folglich jeden Fall einzeln zu entscheiden haben und nicht nach einem Schema F vorgehen.
Es wird auch einen Unterschied machen, ob der Priester Selbstanzeige erstattet hat, oder ob er versucht hat zu vertuschen, oder ob er seine Tat verharmlost.
Für diese Beurteilung wird die Expertise eines forensischen Psychologen hilfreich sein.
Den Priester zu entlassen und sich nicht weiter um ihn zu kümmern, halte ich jedenfalls nicht für hilfreich. Bei der Priesterweihe übernimmt der Bischof für den neugeweihten Priester Verantwortung. Dazu gehört auch, dass der Bischof gegebenenfalls das Volk vor dem Priester schützt. Und den Priester vor Versuchungen zur Sünde.
Angelika Oetken am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Schönecker,
ist für die Entscheidung, wie kirchenrechtlich mit einem Sexualstraftäter verfahren werden soll, nicht ein Kirchengericht zuständig und nicht der Bischof? Der wäre doch erst wieder am Zuge, falls die Kirchenrichter zu dem Schluss kommen, dass der Delinquent in seinem Priesteramt verbleiben soll und es um den weiteren Einsatz geht. Sicherlich stellt es für eine kirchliche Führungskraft eine große Herausforderung dar, Orte zu finden, an denen der sexuell straffällig Gewordene keinen weiteren Schaden anrichten kann. Was man schon daran erkennen kann, wie oft und mit welch furchtbaren Folgen das misslang.
VG
Angelika Oetken
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Meiner Meinung nach, ein Priester, der Kinder missbraucht hat gehört entlassen.
Ein anderer Aspekt: Die absolut wichtigste Eigenschaft eines Priesters ist m.E. die Glaubwürdigkeit. Kann er nach einer Verurteilung noch glaubwürdig heilige Botschaften übermitteln? Oder ist den Gläubigen egal, wer über Liebe, Moral, u.s.w. spricht? Ist der Predikt nur wie eine Droge, die gebraucht wird egal woher sie kommt? Mir wäre das ganz sicher nicht egal.
Der Fall des Familienvaters, der seine Kinder missbraucht hat, ist nicht vergleichbar mit dem Missbrauch von einem Priester, da dort ein rein private Entscheidung getroffen wird, ohne Signalwirkung für die Gesellschaft.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Nach geltendem Kirchenrecht kann sexueller Kindesmissbrauch durchaus ein grund für die Entlassung aus dem Klerikerstand sein. Es gibt sicher auch Fälle, wo das berechtigt ist, und es ist auch schon geschehen.
Es kann aber auch, denke ich, Fälle geben, wo es für ALLE Beiteiligten besser ist, dass der Priester sein Amt behalten darf.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Zu Doppelmoral und Vertuschung habe ich gerade erst ausfühlich Stellung genommen. Bleibt mir nur, süffisant genug zu bemerken, dass lebenslanges Gebet für Priester offenbar eine Strafe ist:
He reduced sentence for Rev Mauro Inzoli from defrocking to lifetime of prayer
...
allowing them to be punished by a lifetime of prayer.
buddy am Permanenter Link
"Diese unendliche Geschichte" ist ein - sich etwa ab dem Zweiten Vatikanischen Konzil - ausbreitendes Rammeligkeits-Gen in römisch-katholischen Gottesdienerkreisen.
Neben den Werken des Marquis de Sade zählt der über Jahrhunderte hinweg praktizierte Glaubens-Schäfchen-Mißbrauchs zu den Klassikern perverser Gewalt.
Er spielte und spielt sich weltweit ab. In Irland, USA, in der Dominikanischen Republik, in Deutschland, Österreich, Frankreich, Portugal, Australien - - - kurzum überall da, wo die römisch-katholische Geistlichkeit ihre christlichen Werte - gewalttätige Männer-Macht im Namen des HERRN - praktiziert.
Alltäglich praktiziert an der 1,27 Milliarde zählenden gutgläubigen Schafsherde, an Frauen (s.u.a. Beichtstuhl), Jugendlichen, Kindern und Kleinkindern.
Seit Mitte der 1990er Jahre nun erfährt die Welt - Schock für Schock - was sich in den Gehirnen und Gliedern der sexuell deformierten "Männer Gottes" abspielt.
Fortsetzung (nächste Mißbrauchs-Headline) folgt. Morgen oder Übermorgen.
Rene Göckel am Permanenter Link
Mir war schon in 2010 klar, dass sich nichts ändern wird. Mit einem Unterschied: Diese Brut agiert nun nicht mehr unerkannt.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Die Kirche hat solche Leute aus ihren Reihen genauso wie jeden anderen Täter ohne Wenn und Aber der weltlichen Justiz zu übergeben. Ihre Gnade kann sie gerne unabhängig davon verteilen. Nichts dagegen.
Franz Hugentobler am Permanenter Link
Man sollte nur in den seltensten Fällen eine Anzeige wegen Kindesmissbrauchs erstatten, ohne vorher die Zustimmung des Opfers gewonnen zu haben.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Diesmal gebe ich Ihnen, was Ihr Ziel betrifft, völlig recht. Strafbare Handlungen gehören angezeigt, Täter vor die weltliche Justiz gebracht.
Nur der Ist-Zustand ist falsch geschildert: Das, was Sie fordern, geschieht oft genug. Inzwischen. Das war, zugegeben, bei weitem nicht immer so.
Es gibt und gab aber keine kirchliche Vorschrift, die besagt, dass bekannte Fälle von Missbrauch nicht staatlich angezeigt werden sollen. In der aktuellen Rahmenordnung der Erzdiözese Wien heißt es zu diesem Thema:
"§76: Kein Ersatz für staatliche Verfahren:
Die diözesane Kommission ist unabhängig von allenfalls zum selben Sachverhalt geführten Verfahren vor staatlichen Behörden und Gerichten tätig. Ihre Arbeit kann und soll ein Verfahren vor den staatlichen Behörden und Gerichten nicht ersetzen."
Der Eindruck, dass die Kirche Straftaten behandelt, aber nicht vor Gericht bringt, könnte dadurch entstehen, dass solche Fälle oft nach staatlichem Strafgesetz verjährt sind. Die Kirche aber beschäftigt sich trotzdem mit diesen alten Fällen. Eine Anzeige vor der weltlichen Justiz hätte einfach keinen Sinn.
Straftaten im Vatikan selbst werden selbstverständlich auch im Vatikanstaat gerichtlich behandelt.
Angelika Oetken am Permanenter Link
Bezeichnend ist, dass die Missbrauchstaten, die Kleriker begehen, im Gegensatz zur staatlichen Rechtsprechung kirchenrechtlich gar nicht verjähren.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Danke für den verlinkten Artikel.
Mir gefällt an ihm, dass er Missstände der Vergangenheit und auch aktuelle Nachlässigkeiten, Heucheleien und falsche Prioritäten aufzeigt, gleichzeitig aber Fortschritte der Kirche im Umgang mit ihren eigenen Verbrechen erkennt.
Auch in diesem Artikel ist der Hinweis enthalten, dass es u.U. sinnvoll sein kann, "einen möglicherweise lebenslang Rückfallgefährdeten im außerseelsorglichen Einsatz unter kirchlicher Aufsicht zu belassen." Genau meine Meinung - nämlich zum Schutz vor weiteren Verbrechen.
Wolfgang am Permanenter Link
Im Grunde erkennt die RKK keine weltlichen Gerichte an, denn ihr oberster Richter ist Gott.
Darum wird ja auch die Charta de Vereinigten Nationen vom Vatikan bis heute nicht unterzeichnet.
Menschen sollen leiden, so entledigt man sich sämtlicher Verantwortung und ein Gott hat sich dazu auch bis heute nicht geäußert. Also weitermachen!
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Dazu haben wir eine eindeutige Regelung in unserer Verfassung, nämlich der Bibel. Röm 13, 1-2:
"Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt.1
2 Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen."
Genau darauf haben z.B. die Nationalsozialisten gerne gepocht, und wegen dieses Gehorsams dem Staat gegenüber haben viele Christen keinen Widerstand geboten, als er angebracht gewesen wäre. Christen haben dem weltlichen Recht nicht zu wenig, sondern zu viel gehorcht.
Bei den Hexenverbrennungen war es genauso: Der Hexenwahn ist erst losgegangen, nachdem die constitutio criminalis carolina in Kraft getreten war (1532). Zuvor, unter kirchlichem Recht, gab es kaum Hexenverbrennungen. Und auch danach konnte in Ländern mit katholischer Rechtsprechung (Italien, Spanien) der Hexenwahn nicht grassieren. Also wieder: Die Christen haben nicht zu wenig, sondern zu viel auf weltliches Recht gehört.
Itna am Permanenter Link
Nein, nach ihrer Logik haben sie auf Gott gehört, der ja diese staatliche Macht, weltliche Gerichte einsetzte. Alles klar?
Franz Hugentobler am Permanenter Link
Anzweigezwang hat z.B. in Oesterreich die FPOe verlangt. Vielleicht gibt das zu denken.
Noncredist am Permanenter Link
>> "(...) dass jedoch die Gnade, auf die der Papst großen Wert läge, auch für jene gälte, die sich abscheulicher Verbrechen schuldig gemacht hätten." <<
Vergeben und vergessen. Wie war es noch mit den Nazis und der Rattenlinie? Dem Verbrechen an den Juden, der eigenen Mutterreligion? All den kath. Frauen, welche abgetrieben haben? Den verbrannten Herätikern, Ketzern, Hexen usw.?
*Die* Kirche ist stets mit weisser Weste rausgekommen. Sie hat *nie* etwas getan. Ausser Dogmen erlassen, hat sie *nie* etwas getan. Stets waren es "Einzeltäter", denen die Kirche ihre ganze Milde walten ließen. *Sie* vergibt.
Diese "Trennung" zwischen Unternehmen (welche *stets* unschuldig ist!) und den Mitarbeitern (welche adressiert/beschützt/vergeben wird), vollkommen ohne einen einzigen Funken von Verantwortungsbewusstsein, ist eine Meisterleistung der RKK! Hut ab! Sehr viele Privatunternehmen würden sich Arme und Beine ausreissen, um so Leben zu dürfen. Einmal ein Fehler, und das gesamte Unternehmen muss um die Existenz kämpfen. Nicht so bei der Kirche. Die hat absolut kein Problem mit Skandale. Eine Schalgzeile in der Öffentlichkeit, doch innerhalb der Kirchenmauer gibt es nicht einmal ein Echo. Sogar das Gegenteil. Vergeben und Vergessen. Herrlich! :)
>> "Diese versetze, so Fittipaldi, pädophile Geistliche nach wie vor lieber hin und her, statt sie zu exkommunizieren oder für ihre Strafverfolgung zu sorgen." <<
Ist doch praktisch: Solange den Mantel des Schweigens über die "eigenen Hirten" ausbreiten, bis genug Gras gewachsen ist. Danach kann die Strafverfolgung eh' nichts mehr ausrichten und die paar Kratzer an der Oberfläche, welche die Kirche im eigenem Land bekommt, lässt sich mit der Masse an Frischfleisch aus anderen Ländern sehr leicht kitten. Lieber XXX-tausende Abergläubische als ein paar hundert Kirchenaustretern, lautet das Motto. Da sind ein paar Negativschlagzeilen echt kein Problem.
Würde eine andere Organisation, etwa eine Supermarktkette oder ein Modelabel solche Praktiken ausüben, würden sofort Köpfe rollen. Das Unternehmen hätte in Fällen von Kindesmissbrauch zumeist keine Chance mehr zu bestehen.
>> "Der Verdacht der Vertuschung wird auch im australischen Missbrauchsskandal immer wieder laut, der aktuell ebenfalls für schlechte Schlagzeilen für die katholische Kirche sorgt." <<
Und sonst? Zur Zeit ist das doch nur eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Presse. Sie verkauft ihre Presse-Produkte und macht ein paar Dollar damit.
Was ich mir wünsche, wären TATSÄCHLICHE KONSEQUENZEN. Wenn - rein hypothetisch - der Verdacht bestätigt werden würde, so wünsche ich mir eine KONSEQUENTE ENTFERNUNG dieser einen Kirche. Keine Buße und kein Gebet für 'ne Woche! Einfach HAUSVERBOT! Wer nachweislich eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt, gehört hinter Gitter. Wenn die Kirche tatsächlich BESCHEID GEWUSST hatte, dann ist sie als Mitwisserin und mit aktiver Behinderung der Justiz mit im Boot. Und soll meiner Meinung nach auch zusammen mit den Tätern versenkt werden.
Aber ich bin ja nur ein böser Atheist und gebe nur meine 2 Cents dazu ab. Sowas wird eh' nie kommen. Dazu hat man sich genug Machtfett angesammelt, als das man so simpel untergeht ;)
Angelika Oetken am Permanenter Link
Pädophile Priester in Senioreneinrichtungen versetzen –
eine gute Lösung für ein großes Problem?
In diversen Veröffentlichungen und Stellungnahmen wurde von Seiten katholischer Verantwortlicher versichert, dass so genannte „pädophile“ Priester aus der üblichen Gemeindearbeit herausgenommen und in Senioreneinrichtungen versetzt worden seien. Dies soll mutmaßlich gegenüber der Öffentlichkeit suggerieren, damit habe man von kirchlicher Seite aus das Problem gelöst.
Ich bin Ergotherapeutin und arbeite seit fast 30 Jahren u.a. mit alten Menschen. Zudem bin ich von meiner Großmutter (Jahrgang 1903) aufgezogen worden. Alte Menschen, ihre Lebensgeschichten, ihre Mentalitäten, ihre Bedürfnisse und Probleme sind mir vertraut.
Was sich auf den ersten Blick nach einer gut durchdachten, logischen Lösung anhört („Pädophile von Kindern fernhalten, indem man sie in Senioreneinrichtungen versetzt“), mutiert beim zweiten Blick zu etwas Fragwürdigem, beim dritten und noch genaueren Hinsehen, offenbart sich eine Fahrlässigkeit im Umgang mit anderen, bedürftigen und oftmals hilflosen Menschen, die Ihresgleichen sucht.
Ich möchte Sie einladen, mich im Folgenden auf meiner kleinen Betrachtungsreise zu begleiten.
Der erste Blick:
Um wen geht es überhaupt?
Die Bewohner von Senioreneinrichtungen!
Ich möchte an dieser Stelle den Tätern nicht die sonst übliche unangemessen starke Aufmerksamkeit geben und verweise statt dessen auf diese großartige Ausarbeitung von Herrn Hans-Hagen Haase zum Thema „Pädophilie“: http://content.karger.com/ProdukteDB/produkte.asp?Aktion=ShowFulltext&ProduktNr=224211&Ausgabe=227433&ArtikelNr=46756
Dazu nur kurz: Herr Haase sieht wie viele seiner KollegInnen echte „Pädophilie“ als eine ernste Persönlichkeitsstörung an, die ähnlich schwierig zu behandeln ist wie eine starke Suchterkrankung. Und zwar, weil es den meisten Kranken an der für den Erfolg der Therapie nötigen Einsicht und Motivation fehlt. Dies bringt die „Pädophilie“ als schlimmste Form des krankhaften Narzissmus mit sich.
Senioreneinrichtungen sind Orte, die als geschützter und betreuter Lebensraum für alte Menschen gedacht sind. Das Durchschnittsalter beträgt meist 75 Jahre. So gesehen, könnte man sagen. „Was soll denn ein Pädophiler da groß an Schaden anrichten…“.
Deshalb…..
Der zweite Blick:
Der Grund für den Aufenthalt in einer Senioreneinrichtung ist nicht das Alter allein, sondern die Pflegebedürftigkeit bzw. der Wunsch nach Hilfe, Sicherheit und Unterstützung in erreichbarer Nähe. Es gibt dort durchaus auch wesentlich jüngere Bewohner, mitunter sogar 20jährige. Es handelt sich um Menschen, die in diesen Einrichtungen Unterschlupf gefunden haben, weil sie behindert oder chronisch krank sind, keinen anderen Platz gefunden haben oder zusammen mit ihren alt- und pflegebedürftig gewordenen Angehörigen dorthin ziehen. Dies ist häufiger der Fall als gemeinhin angenommen. Fast jede Senioreneinrichtung hat etwa 5 Prozent solcher „junger“ Bewohner, d.h. Menschen unter 50 Jahren. Zudem haben viele Bewohner Familie bzw. Kontakt zu Jüngeren. Selbstverständlich kommen auch Kinder zu Besuch in diese Einrichtungen.
Die Zahl der Menschen, die dort leben und unter vielfältigen Krankheiten und Gebrechen leiden ist hoch. Die Forschung gibt Hinweise auf Risikofaktoren für Pflegebedürftigkeit. Demnach gehören besonders psychiatrische und/oder Herz-Kreislauferkrankungen zu den abhängig machenden Faktoren. Derzeit findet in den Einrichtungen gerade ein Generationenwechsel statt. Die Jahrgänge, die im zweiten Weltkrieg schon erwachsen waren, machen denen Platz, die im Krieg oder kurz danach aufgewachsen sind. Diese Menschen haben eine Zeit tiefster Verwerfungen erlebt. Sie wuchsen zumeist in einem Milieu auf, das durch Härte, Aggression, Unsicherheit, Gewalt, Misshandlung, Entbehrungen, Krankheit, Armut, Verluste und Übergriffe geprägt war. Sexuelle Gewalt und Missbrauch war genauso verbreitet wir heute, aber die Kinder und Jugendlichem ihm noch schutz- und rechtloser ausgeliefert als das heutzutage der Fall ist. Gleichzeitig war die deutsche Gesellschaft mit dem Verdrängen und der Orientierung auf Ökonomie beschäftigt. Statt psychosozialer Hilfen gab es für diese Kinder Vorbilder, die darauf setzten, Erlebnisse zu verdrängen und Trost in materiellen Dingen und Arbeitssucht zu suchen. Im Klima allgemeiner Leugnung war die Gelegenheit zu Reflektion oder einfach nur zum „darüber Sprechen“ nicht da. Wer psychisch krank wurde, bekam keine Hilfe oder geriet in die Fänge der Psychiatrie, in der die Spuren der nationalsozialistischen Medizin und Vernichtungsideologie bis in die 90er Jahre noch nicht aufgearbeitet und beseitigt waren.
Kurzum: diese Menschen erlebten in der Psychiatrie Retraumatisierungen und vielfach Folter. Die meisten Insassen „somatisierten“ deshalb wie das in der Fachsprache hieß, um nicht ausgegrenzt zu werden. D.h. sie entwickelten körperliche Krankheiten und Symptome mit psychiatrischem Hintergrund.
Deshalb haben wir derzeit einen regelrechten „Boom“ an gerontopsychiatrisch Erkrankten, suchtkranken Senioren und Menschen, die unter larvierten (verdeckten) Depressionen leiden und schon lange Zeit gesundheitsgefährdendes Verhalten betreiben. Diese Menschen werden häufiger pflegebedürftig als Menschen, die nicht traumtisiert wurden oder die Gelegenheit hatten, Traumen zu bewältigen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Posttraumatische_Belastungsst%C3%B6rung
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,610297,00.html
http://www.traumatherapie-ruhr.de/kriegstraumata.htm
http://www.emma.de/ressorts/artikel/vergewaltigung-im-krieg/das-vererbte-trauma/
http://www.unabhaengig-im-alter.de/
Fazit: In Senioreneinrichtungen kommen Pädophile nicht nur mit älteren Menschen zusammen, sondern treffen auch auf ziemlich junge. Die Rate an Opfern von sexualisierten Übergriffen in der Kindheit, die keine Gelegenheit hatten, das Erlebte zu verarbeiten ist gerade in Senioren- und Pflegeeinrichtungen sehr hoch. Manche Personen, die z.B. an gerontopsychiatrischen Erkrankungen wie „Demenz“ leiden, durchleben die Übergriffe in der Kindheit in ihrer Vorstellung immer wieder und wieder. Schutz- und wehrlos.
Ist das den Verantwortlichen in der römisch-katholischen Kirche, in den entsprechenden Bistümern etwa nicht bewusst?!?!?
Nötig ist…..
Der dritte Blick:
Die römisch-katholische Kirche Deutschlands ist Träger bzw. Schirmherrin vieler karitativ-sozialer Einrichtungen. Der Markt der Senioreneinrichtungen und Altenhilfe wächst dabei beständig. Die RKK profitiert damit von ihrer langen Positionierung am Markt und ihrer guten politischen Vernetzung. Katholische Ausbildungsstätten für medizinisch-pflegerisches und pädagogisches Personal haben ebenfalls eine lange Tradition. Ich greife mal ein Beispiel heraus, stellvertretend für viele solcher Lehrveranstaltungen:
Die Katholische Fachhochschule Mainz http://www.kfh-mainz.de/index.htm bietet eine spezielle Weiterbildung zum Thema „Umgang mit Traumatisierten“ an http://www.kfh-mainz.de/ifw/2012/B12_L3.htm „Trauma“ ist also ein Thema und zwar ein so Wesentliches, dass an katholischen Hochschulen dazu Fortbildungen angeboten werden. Zudem gibt es etliche Krankenhäuser, auch solche mit psychiatrischen bzw. gerontopsychiatrischen Abteilungen, unter katholischer Trägerschaft.
Ein paar Beispiele:
http://www.kkel.de/st-antonius-krankenhaus/
http://www.katholisches-klinikum.de/kliniken-institute/gerontopsychiatrische-klinik-tagesklinik/st-vincenz-hospital/gerontopsychiatrische-tagesklinik.html
Die Alexianer, ein katholischer Träger http://www.alexianer.de/unsere_angebote/
hat z.B. allein acht Standorte in Deutschland, die sich gleichzeitig der Psychiatrie und Altenhilfe widmen.
Fazit:
Man halte sich vor Augen: ein zur Einsicht kaum fähiger, schwer persönlichkeitsgestörter, zu sexualisierten Übergriffen auf Kinder neigender Priester wird an eine Arbeitsstelle versetzt, an der er auf Menschen trifft, die in Folge von eben diesen Übergriffen in ihrer Kindheit zum Teil sehr schwer krank geworden sind. Diese Menschen werden im Kontakt zu solch einem Priester der ständigen Gefahr der Retraumatisierung ausgesetzt. Über ihr Bedürfnis nach Sicherheit setzt man sich dabei einfach hinweg. Falls die Leitung der entsprechenden Einrichtung von der Vorgeschichte dieser Priester in Kenntnis gesetzt wird oder zufällig davon erfährt, muss sie nicht nur mit diesem Wissen leben, sondern sich fortan auch Sorgen um die Sicherheit der jüngeren Bewohner und ihrer kleinen Besucher machen.
Versetzen wir uns mal kurz in die Lage eines Seniorenheimbewohners, der selbst in der Jugend sexualisiert misshandelt wurde, unter den Folgen sehr gelitten hat und immer noch leidet, der regelmäßig Besuch von seinen Enkeln bekommt und nun feststellen muss, dass der „neue“ Priester das typische Täterverhalten zeigt. „Opfer“ merken, wenn sie mit Tätern in Kontakt kommen. Auch wenn sie geistig vielleicht nicht mehr so präsent sind, ihre Emotionen und ihr Alarmsystem wird bis zuletzt funktionieren. Das hat ihnen überhaupt erst das Überleben ermöglicht. Dieser traumatisierte alte Mensch wird sicherlich fortan sehr besorgt um die Sicherheit seiner Enkel sein, wenn die ihn in der Einrichtung besuchen, mutmaßlich auch in Panik verfallen. Wie soll er sich fortan verhalten? Den Kontakt zu seiner Familie abbrechen, um die Kinder zu schützen? Allen Feierlichkeiten, auf denen in christlichen Einrichtungen ja meist auch der Pfarrer zugegen ist fern bleiben? Andere warnen? Sich an die Heimleitung wenden?
Wie dem auch sei: so ein alter, selbst eigentlich hilfsbedürftiger Mensch verfügt über etwas, was den Verantwortlichen in den Bistümern offenbar abhanden gekommen ist: Einfühlungsvermögen und Verantwortungsgefühl gegenüber Schwächeren.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Danke für Ihren durchaus vernünftigen und bedenkenswerten Beitrag!
Es wird wohl klug sein, wenn der Leiter einer Einrichtung (in diesem Fall des Pflegeheims) von der Vorgeschichte des Priesters erfährt. Der Leiter kann dann - wie Sie - Bedenken äußern.
Mir ist beim Lesen auch eingefallen, dass Pädophilie oft gar nicht so sehr mit reiner Sexualität zu tun hat, sondern oft viel mehr mit Machtmissbrauch. In diesem Fall wird man von einem Einsatz in einem Pflegeheim sicher Abstand nehmen müssen.
Es gibt aber auch - wie ich aus meiner Erfahrung in der Gefängnisseelsorge weiß - Missbrauchstäter, die ihre Taten sehr bereuen und äußerst therapiewillig sowie -fähig sind. Nicht jeder ist "zur Einsicht kaum fähig".
Sie haben völlig recht damit, dass ein Einsatz in einem Pflegeheim kein allgemeingültiges Patentrezept ist, sondern manchmal auch schädlich sein kann. Aber nicht immer.
Zu den Argumenten bzgl. Opfer in Pflegeheimen: Es gibt, so denke ich, auch Täter, die ausreichend therapiert sind, um kein Täterverhalten mehr an den Tag zu legen. Viele Täter bahnen nur unter Alkoholeinfluss eine pädophile Tat an und sind nüchtern völlig unauffällig. Es iwrd, wie gesagt, gut sein, wenn die Heimleitung informiert ist und auf Warnsignale achtet.
Angelika Oetken am Permanenter Link
Zu meinem Beitrag: ich freue mich, dass er Ihnen gefällt Herr Schönecker. Ich hatte ihn 2013 ähnlich für die Opferinitiative "Schafsbrief" geschrieben.
Sie schreiben: "Es wird wohl klug sein, wenn der Leiter einer Einrichtung (in diesem Fall des Pflegeheims) von der Vorgeschichte des Priesters erfährt. Der Leiter kann dann - wie Sie - Bedenken äußern.“
Soweit ich informiert bin, unterbleiben in solchen Fällen offizielle Hinweise an die Einrichtungsleitungen. Wer also als Heimleitung nicht an den Flurfunk des zuständigen Bistums angeschlossen ist, wird nichts ahnen. Aber für etwaige Folgen gerade stehen müssen.
„Mir ist beim Lesen auch eingefallen, dass Pädophilie oft gar nicht so sehr mit reiner Sexualität zu tun hat, sondern oft viel mehr mit Machtmissbrauch. In diesem Fall wird man von einem Einsatz in einem Pflegeheim sicher Abstand nehmen müssen.“
Sie weisen da auf einen wichtigen Punkt hin, um den seit Jahrzehnten erbittert gerungen wird. Nämlich die Frage, wie viel Machtmissbrauch, Aggression, Gewalt und überhaupt Negatives und Dunkles in der Sexualität stecken. Bzw. solche Impulse mit Sexualität nichts zu tun haben. Da treffen Weltanschauungen aufeinander. Ich bin deshalb dazu übergegangen, es so zu formulieren: „Übergriffigkeit ist traditionell ein fester Bestandteil unserer Sexualkultur“. Kultur kann man reflektieren und fortentwickeln, rein biologisch-deterministisch besetzte Begriffe wie „Sexualität“ lassen da weniger Spielraum. Etwas flappsig ausgedrückt: „Kindesmissbrauch ist ein Kollateralschaden unseres gesellschaftlichen Umgangs mit Sexualität“. Ich hoffe, dass es innerhalb der kommenden Jahre Gelegenheit gibt, diese wichtige Debatte öffentlich und breit zu führen. Denn ich befürchte, dass wir ansonsten als Gesellschaft Gefahr laufen, uns ständig im Kreis zu drehen, bzw. zwischen den Polen „Schmutz macht Sex erst interessant und gut“ und „Sex ist ein körperlicher Ausdruck von Liebe“ ständig hin- und her zu laufen, aber nirgendwo anzukommen.
„Es gibt aber auch - wie ich aus meiner Erfahrung in der Gefängnisseelsorge weiß - Missbrauchstäter, die ihre Taten sehr bereuen und äußerst therapiewillig sowie -fähig sind. Nicht jeder ist "zur Einsicht kaum fähig".“
Die Entscheidung würde ich lieber Fachleute treffen lassen. Es ist typisch für Missbrauchskriminelle, dass sie sehr überzeugend Reue mimen können. Sobald sie die Gelegenheit dazu haben, aber wieder missbrauchen. Falls Sie das Thema interessiert, möchte ich Ihnen einen Fachartikel empfehlen: „Pädophile Perversion, sexueller Missbrauch und Pädosexualität“ von Hans-Hagen Haase. Bei Karger gegen eine kleine Gebühr im Netz abzurufen.
„Zu den Argumenten bzgl. Opfer in Pflegeheimen: Es gibt, so denke ich, auch Täter, die ausreichend therapiert sind, um kein Täterverhalten mehr an den Tag zu legen.“
Ich bin froh, dass ich keine entsprechenden Gutachten erstellen muss. Zum Einen ist die Frage, wann die Therapie bei TäterInnen ausreichend ist schwer zu beantworten, weil man das Ergebnis ja erst in Rückschau wirklich beurteilen kann, zum Anderen ist es unklar, ob und wenn ja welche Therapie überhaupt greift.
„Viele Täter bahnen nur unter Alkoholeinfluss eine pädophile Tat an und sind nüchtern völlig unauffällig. „
Auch das ist typisch. Viele TäterInnen sind alkoholkrank oder nutzen andere Drogen. Meiner Einschätzung nach handelt es sich um eine unzureichende Selbstbehandlungsstrategie zu der insbesondere die Personen greifen, die als Kind selbst sexualisierte Misshandlungen erlebt haben, das nie aufgearbeiten oder reflektieren konnten oder wollten, von Flashbacks und Täterintrojekten heimgesucht werden und dann zum Alkohol greifen. Was dazu führt, dass sie ihre Täterimpulse nicht mehr unter Kontrolle haben und selbst Kinder missbrauchen. Man sollte dabei nicht vergessen, dass es trotz aller Debatten und Aufklärung noch einen riesigen blinden Fleck bei dem Thema gibt, nämlich den sexuellen Missbrauch von Söhnen durch ihre Mütter. Die schädlichen Folgen dieser Konstellation halte ich für extrem. Einmal, weil die missbrauchenden Mütter ihre Attacken hinter normalen Zärtlichkeiten und Pflegehandlungen tarnen und den Missbrauch oft auch so anbahnen, zum Anderen, da die (männlichen) Opfer sich in einem Rollenvakuum befinden. Das, was ihnen passiert ist, kann es aus gesellschaftlicher Sicht nicht geben (Frauen missbrauchen nicht) und sie als Opfer sind gar nicht vorgesehen (Jungen werden nicht missbraucht). Abgesehen von der drastischen Beziehungsstörung, die sich in einem solchen, als „Inzest“ bezeichneten Mutter-Sohn-Verhältnis äußert. Hinzu kommt, dass bei Missbrauch in frühester Kindheit die Ereignisse auf der vorbewussten Ebene, im impliziten Gedächtnis gespeichert werden. D. h. sie können höchstens somatosensorisch, aber nicht sprachlich-räumlich-zeitlich erinnert werden. Kurzum: das erwachsene Opfer verspürt Täterimpulse, versteht aber gar nicht warum. So etwas zu therapieren, ist nur was für spezialisierte PsychotraumatologInnen und dauert sehr lange. Die TherapeutInnen müssen ihre männlichen Patienten auf einer äußerst schwierigen und schmerzhaften Reise begleiten. An deren Ende oft die totale Abkehr vom übergriffigen Umfeld steht und die gesamte Persönlichkeit, die ganze Kindheit umgedeutet werden muss. Für jemanden, der sowieso schon am Rand der Gesellschaft steht doppelt belastend. Genau aus diesen Gründen missbrauchen solche vom Opfer zum Täter gewordenen Personen lieber weiter, als sich ihrer Traumabiografie zu stellen. Selbst missbrauchen entlastet in ähnlicher Weise wie Tiere quälen.
„Es iwrd, wie gesagt, gut sein, wenn die Heimleitung informiert ist und auf Warnsignale achtet.“
Wenn die Heimleitung als stark und gut vernetzt gilt, wird das zuständige Bistum oder die Ordensleitung es nicht wagen, ihr einen Täterpriester unterzujubeln. Mit solchen Verhaltensweisen kann man schnell mal ein ganzes Netzwerk von Untergebenen gegen sich aufbringen. Inklusive Presse und Öffentlichkeit. Wäre innerhalb des Gefüges „Katholische Kirche“ nicht das erste Mal. Und wer als klerikale Führungskraft so was auslöst, wird mit einem Posten nicht unter dem des Missbrauchsbeauftragten bestraft. Entschuldigen Sie bitte den schwarzen Humor, der in meinem letzten Statement zu Tage tritt, aber ohne diesen hätten meine MitstreiterInnen und ich wohl schon längst resigniert.
VG
Angelika Oetken