Offener Brief von ECKIGER TISCH:

Appell an die deutsche Delegation bei der Beerdigungsfeier für Joseph Ratzinger

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Bronzestatue Benedikts XVI. an der Wand des Kongegrationssaales auf dem Kapellplatz in Altötting
Bronzestatue Benedikts XVI.

Das weltweite Bündnis von Betroffenengruppen Ending Clergy Abuse (ECA) fordert von den staatlichen Delegationen, die an der Beerdigungsfeier für Papst Benedikt XVI. teilnehmen werden, dass sie sich klar auf die Seite der Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs stellen.

ECKIGER TISCH, der mit seinem langjährigen Sprecher Matthias Katsch zu den Gründern von ECA gehört, schließt sich dieser Aufforderung an und richtet einen Appell an die deutsche Delegation unter Führung des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers:

Lassen Sie sich nicht für den Versuch einspannen, die Geschichte umzuschreiben. Stellen Sie sich an die Seite der Opfer! Statt mit Ihrer stillen Anwesenheit die Politik der katholischen Kirche im Hinblick auf Kindesmissbrauch durch ihre Priester zu legitimieren, sollten Sie stattdessen drei Dinge tun:

1. Null-Toleranz einfordern

Verlangen Sie von Papst Franziskus, dass er endlich ein universales Kirchengesetz zur Null-Toleranz im Umgang mit klerikalem Missbrauch erlässt, wie es Betroffene aus aller Welt seit Jahren fordern. Wer als Priester Kinder missbraucht hat, soll nicht länger Priester sein, wer Missbrauch als Bischof vertuscht hat, soll nicht länger Leitungsaufgaben in der Kirche haben.

2. Öffnung der Archive

Fordern Sie den Vatikan auf, alle Dokumente und Beweise im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch durch Geistliche den Justizbehörden des jeweiligen Landes zu übermitteln. Eine unabhängige Untersuchung über den Umgang mit Fällen von Kindesmissbrauch durch Verantwortliche der katholischen Kirche auch in den Archiven des Vatikans muss ermöglicht werden.

3. Zusammenarbeit mit staatlichen Ermittlern

Fordern Sie Papst Franziskus auf, seine Bischöfe entgegen der bisherigen Praxis anzuweisen, voll mit den staatlichen Ermittlungsbehörden zu kooperieren, einschließlich derjenigen der Vereinten Nationen.

Vor allem aber: Treten Sie bitte der Mythenbildung über die Rolle des Verstorbenen in Bezug auf die Aufdeckung von sexuellem Kindesmissbrauch durch Kleriker der katholischen Kirche entgegen. Joseph Ratzinger war persönlich sicher ein freundlicher und bescheidener Mensch. Er hat sich bemüht, seiner Kirche zu dienen, wie er es verstand. Aber: Benedikt XVI. ist der Papst, unter dem der Missbrauchsskandal nicht länger unter der Decke zu halten war − nicht derjenige, der etwa aktiv an der Aufarbeitung mitgewirkt hat.

Es waren Betroffene, die seit den 1980er Jahren in den USA, später in Irland, Australien und schließlich 2010 in Deutschland und Mitteleuropa die Aufdeckung vorangetrieben haben – gegen den hinhaltenden Widerstand von Bischöfen und des Vatikans.

Matthias Katsch
Geschäftsführer und Sprecher ECKIGER TISCH e.V.

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