Rezension

Die "Politische Ökonomie des Populismus"

Der Politikwissenschaftler Philip Manow nimmt in "Die Politische Ökonomie des Populismus" eine Deutung des genannten Phänomens vor, welches auf Reaktionen auf Entwicklungen im Bereich der Migration und des Warenaustausches zurückgeführt wird. Dabei erweitert er den bisherigen Blick um verschiedene Komponenten, geht auch sehr reflektiert und strukturiert vor, mündet aber dann doch in einer etwas ökonomiezentrierten Deutung.

Warum kam es zum Aufstieg des Populismus? Als Antworten auf diese Frage entstanden viele Interpretationsansätze, die sich teilweise ergänzen, sich aber auch teilweise widersprechen. Da ist vom Aufstand der Modernisierungsopfer, von den Folgen des Neoliberalismus, von den Logiken kultureller Spaltung oder von dem Scheitern etablierter Politik die Rede.

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Der Politikwissenschaftler Philp Manow fügt diesen nun eine weitere Deutung hinzu, wobei er auf "Die Politische Ökonomie des Populismus" abstellt. Das Buch des Professors an der Universität Bremen erschien mit diesem Titel und beklagt zwei Defizite in der bisherigen Kontroverse um die gemeinten Ursachen. "Das erste Defizit besteht … darin, dass in ganz überwiegendem Maße über Populismus geredet wird, ohne zugleich über Kapitalismus zu sprechen …" (S. 9), sehe man von dem Gerede über den "Neoliberalismus", womit alles und nichts erklärt würde. Und das zweite Defizit zeige sich in "dem Fehlen eines systematischen Vergleichs" und eines "vergleichenden Analyserahmens" (S. 12).

Die Fixierung einerseits auf ökonomische Gesichtspunkte und andererseits auf den internationalen Vergleich zieht sich denn auch durch den Text. Die komparative Blickrichtung ist aber nicht nur auf Länder, sondern auch auf Phänomene bezogen. Denn es fällt auf, dass in mittel- und nordeuropäischen Ländern eher rechtspopulistische und in südeuropäischen Ländern mehr linkspopulistische Parteien reüssieren können. Dazu findet sich folgende Ausgangsthese: "Migration wird dort politisch zum Problem, wo der Wohlfahrtsstaat großzügig und zugänglich ist (Kontinental- und Nordeuropa)." Und: "Zugleich ist in Südeuropa der Wohlfahrtsstaat zwar ebenfalls großzügig, aber für Migranten im Regelfall nicht zugänglich, da seine Leistungen weitgehend auf Arbeitsmarkt-Insider gerichtet sind bzw. der Leistungszugang klientelistisch geregelt ist" (S. 19). So erkläre sich auch die unterschiedliche politische Ausrichtung: rechtspopulistisch gegen einwandernde Personen in Nordeuropa und linkspopulistisch gegen freien Güterverkehr in Südeuropa.

Mit dieser Ausgangsposition nähert Manow sich dann dem Problem: Dabei nimmt er zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit den gegenteiligen Erklärungsansätzen vor und skizziert die unterschiedlichen Entwicklungen in verschiedenen Ländern. Immer wieder wird dabei betont, dass die Globalisierung in Form des internationalen Handels und der forcierten Migrationsentwicklung die Rahmenbedingungen für populistische Siegeszüge darstellten. Ein besonderer Beleg dafür wird in Italien gesehen, hätten dort doch die Linkspopulisten im Süden und die Rechtspopulisten im Norden Erfolg. Um seinen Ansatz empirisch zu prüfen, geht der Autor auch ausführlicher auf die AfD-Wahlerfolge in Deutschland ein, wozu es u. a. heißt: "Es ist … die in der Vergangenheit erfahrene Arbeitslosigkeit, die sich in Verbindung mit der Flüchtlingspolitik nach 2015 zu einem Syndrom des Unmuts verfestigte" (S. 100). Und dann wird noch einmal die europäische Entwicklung mit den unterschiedlichen Folgen der Globalisierung hinsichtlich der Problemstellung betrachtet.

Manow bezieht sich demnach stark auf die ökonomische Entwicklung, ohne immer nur platt auf den "Neoliberalismus" hinzuweisen, worin sich mitunter andere Erklärungsmodelle erschöpfen. Er betrachtet Populismus auch als ein nicht nur politisch rechtes, sondern auch linkes Phänomen, ohne hier eine oberflächliche Gleichsetzung vorzunehmen. Darüber hinaus geht er in der Erörterung reflektierend und systematisch vor und setzt sich dabei immer wieder mit gegenteiligen Positionen auseinander. Dabei warnt der Autor auch vor der Fixierung auf bloße Identitätspolitik. Insofern finden sich in dem Buch beachtenswerte Reflexionen, gleichwohl wirkt die Deutung in einer anderen Form ähnlich ökonomiezentriert wie manche kritisierte Interpretationen. Denn so sehr die genannten Faktoren eine bedeutsame Rolle spielen mögen, so müssen andere Gesichtspunkte als Wirkungsfaktoren noch stärker mit berücksichtigt werden. Dazu gehört der Blick auf die konkreten Akteure, aber auch die politische Kultur in den jeweiligen Ländern.

Philip Manow, Die Politische Ökonomie des Populismus, Berlin 2018 (Suhrkamp-Verlag), 177 S., ISBN: 978-3-518-12728-5, 16,00 Euro