Rezension

Die "Rote Hilfe"

Der Politikwissenschaftler Robin Feber will in seiner Studie "Die Rote Hilfe e. V. – Eine Bewertung der Organisation hinsichtlich der Einhaltung demokratischer Minimalbedingungen" untersuchen, ob die angesprochene Organisation selbst extremistische Zielsetzungen aufweist. Da er sich aber nicht durchgängig strikt an seine Fragestellung hält, wird die Einschätzung nicht breiter begründet, was nicht gegen die Kernaussage spricht, nur hätte sie besser erläutert werden müssen.

Über manche durchaus bekannte politische Organisation fehlt es mitunter an aufgearbeitetem breiterem Wissen, was auch für die "Rote Hilfe" gilt. Gelegentlich ist sie in den Schlagzeilen, sofern ihr Prominente angehören. Denn gleichzeitig gilt die "Rote Hilfe" als linksextremistisch. Dabei erweckt sie selbst den Eindruck, man würde sich nur für inhaftierte linke Demonstranten einsetzen. Indessen betont die "Rote Hilfe" auch, sie sei kein karitativer Verein.

Um was für eine Organisation handelt es sich aber nun und welche Einschätzung ihres Wirkens ist angemessen? Eine Antwort auf diese Frage will der Politikwissenschaftler Robin Feber in seiner Studie "Die Rote Hilfe e. V. – Eine Bewertung der Organisation hinsichtlich der Einhaltung demokratischer Minimalbedingungen" geben. Der Untertitel deutet bereits das Erkenntnisinteresse an: Handelt es sich um eine demokratische oder undemokratische Organisation? Als Analyseraster für die Erörterung dienen dann die Minimalbedingungen eines demokratischen Verfassungsstaates.

Cover

Nach einleitenden Ausführungen zu Forschungsstand, Methode, Problemstellung und Struktur wird der extremismustheoretische Bezugsrahmen erläutert, wobei es um eine Definition von Extremismus, eine Auseinandersetzung mit der Kritik daran und eine Differenzierung von Intensitätsgraden von Extremismus geht. Danach liefert der Autor eine Beschreibung der Entwicklung der "Roten Hilfe", wobei die Ausführungen von der Gründung in der Weimarer Republik über die Post-Achtundsechziger-Wiedergründung bis in die Gegenwart reichen. Anschließend wird die Frage, inwieweit es sich um eine extremistische Organisation handelt, bezogen auf drei Zeiträume thematisiert. Dies erklärt sich auch dadurch, dass die "Rote Hilfe" selbst hinsichtlich der personellen und politischen Zusammensetzung mehrfach von organisatorischen Umbrüchen geprägt war. Es geht um die Phase von 1974 bis 1977, die Phase von 1978 bis 1994 und die Phase von 1995 bis 2018. Danach erfolgt noch eine Einschätzung des Gefahrenpotentials der "Roten Hilfe".

Bilanzierend meint der Autor, dass sich die Organisation gewandelt habe. So handelte es sich zunächst um einen der maoistischen KPD/ML nahestehenden Verein, welcher sich dann zu einem strömungsübergreifenden Verband entwickelte. Trotz der damit einhergehenden Abkehr vom Marxismus-Leninismus würden nach wie vor die Institutionen des Rechtsstaates delegitimiert. Zwar werde Gewalt nicht direkt ausgeübt, aber regelmäßig gerechtfertigt. Außerdem propagiere die "Rote Hilfe" die Vorstellung von einem repressiven Staat. Daher sei sie im Untersuchungszeitraum durchgängig als extremistisch anzusehen, zunächst in harter, später dann in weicher Form. Hinsichtlich der Einschätzung des Gefahrenpotentials wird davon ausgegangen, dass die Organisation eher geringen Einfluss habe. Gleichwohl sei ihre Ideologie anschlussfähig, gebe es doch Berührungspunkte zu demokratischen Randgruppen. Es komme letztendlich darauf an, ob die "Rote Hilfe" mit ihrer "Antirepressionsarbeit" breiter Resonanz in der Öffentlichkeit für ihre Deutung erhalten würde.

In der Gesamtschau fällt das Urteil zur Studie ambivalent bis kritisch aus. Einerseits erhält man eine Fülle an Informationen über die "Rote Hilfe", die für die 1970er und 1980er Jahre aus Primärquellen aufgearbeitet wurden. Dann wird auch auf überaus problematische Aspekte verwiesen, was etwa für die zumindest unklare Einstellung zum Linksterrorismus gilt. Gleichwohl überwiegt die kritische Bewertung. Denn über weite Strecken hat man es doch mit einer Beschreibung zu tun, wobei mal die Fragestellung etwas, mal aber auch gar nicht thematisch berührt wird. Die Ausführungen zur ersten Phase entstammen meist nur einer Quelle, bei den anderen beiden Phasen geht es um breitere Wissensgrundlagen. Mitunter haben sich auch kleine Fehler, Ungenauigkeiten oder Widersprüche eingeschlichen. Der bedeutsamste Einwand bezieht sich aber darauf, dass die eigentliche Fragestellung nicht systematisch etwa in einem eigenen Kapitel erörtert wird. Dieser Einwand spricht nicht gegen die Kernthese, nur sollte sie besser begründet sein.

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