Auf politischer Ebene nutzen Herrscher diese Ideologie, um ihre Macht zu legitimieren und zu festigen, etwa in Saudi-Arabien, wo dieses Phänomen evident ist. Dort gilt jeglicher Einspruch nicht als Opposition, sondern als religiöser Fehltritt, der im Dies- sowie im Jenseits zu bestrafen ist. In Syrien nahm der Salafismus dagegen seit Ende des 19. Jahrhunderts den Weg der politischen Opposition und der religiösen Reform ein. Angeführt wurde diese Opposition von der intellektuellen Elite in Syrien wie Abd al-Rahman AL Kawakbi, Jamal al-Dien al-Qasmi und Mohamad Rida. Aus deren Bestrebungen und Aktivitäten, bildeten sich mit der Zeit mehrere Organisationen wie der "Al Ghara’a Verein" im Jahr 1924 und im Jahr 1930 "Al Tamdn Verein", die bestrebt waren ihre Reformen umzusetzen. Hauptanliegen ihrer Reformbewegung war eine Aufklärung und Bekämpfung der religiösen Missstände, die sich zum Ende des Osmanischen Reiches in der Gesellschaft festgesetzt hatten. Mitte des letzten Jahrhunderts erschien in Syrien eine neue Salafistische Schule, die von dem traditionellen Salafsismus in Saudie Arabien sehr beeinflusst war. Die Quellen für diese neue Schule basierten auf die Aussagen und Fatawas von Abn Taymiyeh und Mohamad bin abd Al Wahab.
Die berühmtesten Wissenschaftler und geistliche Führer hier waren Sheikh Abdel-Al Qader Arna’ut, der im Jahre 2004 in Damaskus verstarb und von Dr. Ma’amun Hamash beerbt wurde. Sheikh Nasser Al-Albani galt dagegen als geistlicher Vater dieser Lehre und ihr Reformator. Seine Berühmtheit ging über die syrischen Grenzen hinaus und erreichte die gesamte arabische Welt. Man verwehrte ihm jedoch im Jahre 1980 den Besuch Syriens. Er verstarb 1999 in Jordanien. Die Vertreter der salafistischen Lehre waren bis zum Beginn der syrischen Revolution Repressionen und Inhaftierungen ausgesetzt. Ideologisch bekämpfte das Regime sie durch den Sufismus systematisch. Der regimenahe sufistische Geistliche, Dr. Said Ramadan Al-Buti, publizierte etwa zahlreiche Bücher, deren Inhalt das Ziel hatte, die salafistische Lehre zu zerlegen. Dies hatte zur Folge, dass die Anhänger des Salafismus in den Untergrund abtauchten. Ihre Treffen wurde geheim gehalten, die dort herrschende Atmosphäre hatte einen familiären Charakter. Der Zusammenhalt war dadurch groß. Heute gilt Saudi-Arabien als "Hirte" der traditionellen Salafisten. Das Königreich sieht Gehorsam gegenüber dem Machthaber vor. Dadurch wird ersichtlich, warum ihre Anhänger sich zu Beginn der syrischen Revolution weigerten, diese zu unterstützen. Man erfährt mehr über die Besonderheiten dieser Bewegung durch ihre verschiedenen Positionen, etwa in Ägypten. Dort ist die Al Nour-Partei die treibende salafistische Kraft. Sie unterstützte den Putsch des Abdel-Fattah Sissi gegen den gewählten Muslimbruder-Präsidenten Muhammad Mursi. Da Sissi der "Mächtigere" der Beiden war, haben die Muslime nach dem Verständnis des traditionellen Salafismus diesem zu folgen bzw. ihm zu gehorchen.
Wenn wir uns die Rebellengruppen in Syrien ansehen, so haben viele Brigaden einen salafistischen Hintergrund. Als Beispiel kann die von Zahran Allusch gegründete Jeish al-Islam (Die Armee des Islam) gelten. Es ist bekannt, dass Jeish Al-Islam mit den Salafistin in Saudi Arabien sehr gut vernetzt ist. Weiterhin ist er von Saudi-Arabien politisch unterstützt worden. Er wurde zum Beispiel als Vertreter vom Jeish Al-Islam zu den Riad-Gesprächen im Dezember 2015 eingeladen. Allusch kam Ende 2015 bei einem Luftangriff ums Leben. Die traditionelle salafistische Schule durchlief in den letzten fünf Jahren einen tiefgreifenden Wandel. Aus losen politischen Formationen wurden politische Parteien, wie die bereits erwähnte Nour-Partei in Ägypten und wie ähnliche unangekündigte Gruppierungen in Syrien. Dieser Artikel beleuchtet in erster Linie den Wandel der jihadistischen salafistischen Schule in den letzten Jahren.
Der dschihadistische Salafismus
Diese Lehre glaubt an den Dschihad im Sinne einer kriegerischen Auseinandersetzung, an den Krieg gegen den Westen sowie gegen Ungläubige. Dadurch soll der Weg zum Aufbau eines islamischen Staates geebnet werden. Die jihadistische Ideologie war das Resultat der Kombination aus drei unterschiedlichen Komponenten:
- Der Wahhabi-Salafismus Saudi-Arabiens (Osama bin Laden), gekoppelt an
- die Übernahme dynamischer Strukturen der Muslimbruderschaft (Abdullah Azam) und an die
- Neo-jihadistische Bewegung aus Ägypten (Aiman az-Zawahiri).
Basierend auf dieser neuen Ideologie entstand al-Qaida als erste jihadistische Organisation mit überregionaler Ausprägung. Die al-Qaida gilt als politische Plattform dieser Schule. Eine Besonderheit dieser Lehre ist die simple und klare Botschaft, ein Schwarz-Weiß-Denken auch bezüglich der Definition von "Islam" und "Unglaube". Dadurch werden relevante Ideen und Gedanken leichter aufgenommen, vor allem von Menschen, die neu zur Religion gefunden haben. Während die al-Qaida hier als spiritueller Vater angesehen wird, gilt der IS als berühmtes Exempel im syrischen Fall. Diese Strömung wurde seinerzeit vom syrischen Regime gefördert. So wurden im Jahre 2004 manche IS-Anführer offiziell angestellt, etwa Sheikh Abu Al-Qaa’Qaa‘, der Imam der Iman-Moschee in Aleppo. Auffällig war, dass Abu Al-Qaa’Qaa‘ viele junge Männer erfolgreich rekrutierte, um sie in den Irak zu schicken, wo sie am Kampf gegen die Amerikaner teilnahmen. Das Assad Regime hatte die Befürchtung, dass die Amerikaner in Syrien einmarschieren könnten, wenn die Lage im Irak sich stabilisiert hat. Daher versuchte es auf diesem Weg, al-Qaida im Irak zu stärken. Die regionale Zweigstelle al-Qaidas im Irak entwickelte sich indessen in mehreren aufeinanderfolgenden Stadien, bis daraus die Organisation "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" (ISIS) entstand. Im Sommer 2014 (29.06.2014) rief sie die Wiederbelebung des "islamischen Kalifats" in den Regionen aus, die unter ihrer Kontrolle standen. Seither stellt der "Islamische Staat" (IS) die letzte organisatorische Entwicklung dar, der die Ideologie des jihadistischen-Salafismus zu Grunde liegt.
2 Kommentare
Kommentare
David am Permanenter Link
Interessante Analyse.
Klemens am Permanenter Link
Kann man den religiösen Kriegstreibern, die den Koran und die Hadithen, buchstabengetreu auslegen, nicht mal sagen, dass sie dann auch die damaligen Waffen verwenden müssen...