Der Humanistische Verband Österreich (HVÖ) begrüßt das Sterbehilfe-Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts. Auch der HVÖ verfolgt seit Jahrzehnten das Ziel, dass das Selbstbestimmungsrecht auf den eigenen Tod respektiert wird.
Wie bekannt, hat das deutsche Bundesverfassungsgericht das paternalistische Gesetz über die Einschränkungen der Sterbehilfe und die Assistenz dabei als nicht verfassungskonform verworfen. Damit ist ein großer Schritt in Richtung selbstbestimmtes Lebensende gemacht worden, der nun mit entsprechenden Gesetzen mit Leben erfüllt werden muss.
Österreich hinkt auf allen Gebieten, in denen es um Selbstbestimmung geht, den europäischen Entwicklungen hinten nach, also auch auf diesem. Während der schwarz-blauen Ära wurde sogar von einigen kirchennahen Kreisen das Verbot der Sterbehilfe in der Verfassung diskutiert.
HVÖ-Präsident Gerhard Engelmayer erklärt hierzu: "Der HVÖ verfolgt seit Jahrzehnten schon das Ziel, dass das Selbstbestimmungsrecht auf den eigenen Tod respektiert wird. Wir werden nun auch in Österreich auf einen ähnlichen Entscheid Seite an Seite mit der Österreichischen Gesellschaft für ein Humanes Lebensende (ÖGHL) darauf hinarbeiten. Der Staat hat auf Betreiben der Kirche viel zu lange am Sterbebett mitbestimmt. Wir stimmen unseren deutschen Freunden zu, dass es kompetente und auch organisierte Hilfe für Menschen geben muss, die sich aufgrund schwerer Krankheit oder hohen Alters nachhaltig und ernsthaft entschlossen haben, aus dem Leben zu scheiden. Natürlich müssen für die Suizidhilfe klare Regeln und ein Katalog von Sorgfaltskriterien eingehalten werden. Besorgte Zukunftsvisionen oder Angstparolen sind aufgrund der langjährigen Erfahrungen mit diesem Thema in anderen Ländern in Europa und in den USA fehl am Platz."
In einem säkularen Staat ist den aufgeklärten Bürgern nicht vorzuschreiben, welches Leid sie auf sich zu nehmen haben und wie und wann sie aus dem Leben scheiden. Unterstellungen, aus der Situation der Sterbewilligen ein Geschäft zu machen, sind in hohem Maße unseriös, weil das Problem beherrschbar ist. Man darf auch anderen Betrieben, die mit Schwerkranken zu tun haben, nicht taxfrei unlautere Absichten unterstellen.
Suizide werden durch die vermehrte Einbeziehung von Fachleuten menschlicher, weniger verzweifelt, weniger brutal und seltener werden.
"Der Humanistische Verband Österreich versucht, sich darauf einzustellen, dass ein Bedarf an Beratung, Hilfe und auch humanistischer Seelsorge im Kontext von assistiertem und begleitetem Sterben durch Selbsttötung zunehmen wird, sollte es zu einer ähnlichen Regelung wie in Deutschland kommen, wovon wir ausgehen", so Engelmayer.
Allgemeine Ziele des HVÖ für die Neuregelung der Suizidhilfe in Österreich (analog zu den Zielen des Humanistischen Verband Deutschlands):
- Das Selbstbestimmungsrecht zum eigenen Tod respektieren und gewährleisten.
- Voraussetzungen und Regeln für die Hilfe zur Selbsttötung bestimmen.
- Betroffene vor einsamen sowie brutalen Selbsttötungen schützen.
- Unüberlegte, spontane und voreilige Suizidversuche verhindern.
- Rechtliche Unsicherheiten für alle, die humane Hilfe zur Selbsttötung leisten, ausräumen.
- Für Ärzt*innen klarstellen, dass und wie sie Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen, und entsprechende Sorgfaltskriterien formulieren.
- Gesellschaftlichen Forderungen, welche die Zulassung der ärztlichen Tötung auf Verlangen anstreben.