Sudanesische Frauenrechtlerin gefangen genommen

sudan_moschee_fahne.jpg

Der Sudan ist ein islamisch geprägtes Land.

Menschenrechtsverletzungen sind im wirtschaftlich enorm geschwächten und von einer Reihe von Konflikten geprägten Sudan keine Seltenheit. Oppositionelle, Journalist:innen, Regimekritiker:innen und viele mehr sind starken staatlichen Repressionen ausgesetzt. Die landesweit bekannte Frauenrechtlerin Amira Osman wurde nun gefangen genommen, um an ihr ein Exempel zu statuieren, damit es weniger Menschen wagen, sich für mehr Rechte für Frauen in diesem von der Scharia geprägten Land einzusetzen. Dies sorgte unter anderem bei der UN für Empörung und scharfe Kritik.

Zwar ist der Sudan seit 1956 von der einstigen Kolonialmacht des Vereinigten Königreichs unabhängig und hat daraufhin demokratische Strukturen gemäß eines föderalen Bundesstaats aufgebaut, doch 1989 kam es zu einem Militärputsch, der das Land langfristig veränderte. Der ehemalige Soldat Umar al-Baschir wurde dabei zum Machthaber des Sudans, welcher mit autoritärer Hand regierte und von internationalen Beobachter:innen häufig als Diktator eingestuft wurde. Erst ein weiterer Militärputsch im Jahr 2019 konnte diesen aus seinem Amt bringen. Seither wurde ein Ausnahmezustand verhängt, versucht, eine Übergangsregierung zu etablieren, die jedoch letztlich scheiterte, und kurzzeitig hatte erneut das Militär versucht, die höchste Macht an sich zu reißen. Der gewählte Ministerpräsident Abdalla Hamdok konnte sich – auch durch die Unterstützung, die er landesweit und über die Landesgrenzen hinaus erfuhr – zumindest zeitweise durchsetzen und galt bis Januar 2022 als der offizielle Machthaber, wenn auch politisch geschwächt. Doch auch mit einem demokratisch legitimierten Präsidenten hat das Militär starken Einfluss, was sich etwa an General Abdel Fattah Burhan zeigt, der den nationalen Souveränitätsrat anführt und die Entscheidungsgewalt über Sicherheitsfragen im Land besitzt.

Allerdings vermag es auch diese militärische Sicherheitspolitik nicht, die immer wieder aufkeimenden Streitigkeiten zu beenden. Seit vielen Jahrzehnten herrschen in weiten Teilen des Landes Terror und Willkür. Ein langanhaltender Bürgerkrieg, blutige Auseinandersetzungen um Rohstoffe, ethnische und religiöse Konflikte und nicht zuletzt auch der anthropogene Klimawandel zerrütten das Land bis heute. Hunderttausende Menschen wurden dabei zu Flüchtlingen. Allein im Nachbarstaat Tschad lebten 2020 nach Angaben der Vereinten Nationen 360.000 geflohene Menschen. Im Jahr 2011 konnte der Bürgerkrieg durch ein Referendum zwar vorerst beendet werden, wodurch der Süden des Landes unabhängig wurde: dabei entstand der Südsudan, welcher gemäß dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf das zweitärmste Land der Welt ist. Nur zwei Jahre später kam es jedoch im Streit um Ölfelder und deren Einnahmen erneut zu bewaffneten Konflikten. Immer wieder versuchen Akteure aus der Zivilgesellschaft, eine friedliche Lösung aufzuzeigen oder aber über brutale Vorfälle zu berichten, um zumindest der Vertuschung vorzubeugen und Diskussionen auf Grundlage von Fakten führen zu können. Dies ist jedoch alles andere als ungefährlich.

Besonders Journalist:innen und Menschenrechtler:innen geht es dabei nicht selten an den Kragen. Das hat auch Amira Osman zu spüren bekommen. Die national bekannte Frauenrechtlerin, die sich vehement gegen das islamistische Regime des ehemaligen Präsidenten Umar al-Baschir einsetzte, wurde bei einem nächtlichen Überfall auf ihr Haus von 15 bewaffneten und maskierten Männern gefangen genommen. Aktivist:innen aus der Region sehen den Vorfall als Teil einer landesweit angelegten Strategie, um gezielt gegen alle Bürger:innen vorzugehen, die sich explizit für die Demokratie einsetzen. Die Vereinten Nationen sind mit einer eigenen Mission zur Konfliktprävention und zur Unterstützung des demokratischen Übergangs vor Ort und kommentierten die Festnahme ebenfalls empört. Es sei ein Muster der Gewalt gegen Frauenrechtler:innen zu erkennen, welches die Gefahr berge, dass deren politische Beteiligung insgesamt verringert werde.

Ihre Schwester zeigte sich im Interview mit Reuters besorgt, da sie weder weiß, wo Amira ist, noch welche Sicherheitsbehörde sie mitgenommen hat. Die Art der Festnahme und ihr kritischer Gesundheitszustand – durch einen Unfall ist Amira teilweise gelähmt – machen Amani schwer zu schaffen, da sie nicht weiß, ob ihre Schwester in der Gefangenschaft medizinisch korrekt und menschenwürdig behandelt wird.

Es ist nicht das erste Mal, dass Amira Osman festgenommen wurde. 2013 hatte sie sich geweigert, ein Kopftuch zu tragen, was gegen das geltende Gesetz zur öffentlichen Ordnung verstieß. Im Jahr 2002 wurde sie zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie Hosen trug. Sogenannte Sittenwächter:innen achten auf die Einhaltung des Rechts, welches sich im Sudan an der Scharia orientiert. Bereits früher wurden im Nordsudan für das Tragen von Hosen einige junge Frauen festgenommen, ausgepeitscht und zu einer Geldstrafe verurteilt. Jüngst gab es zwar einige Reformen an diesen Kleidervorschriften, doch noch immer bestehen viele davon fort. Diese Missstände und die stete Einflussnahme des Militärs, welches die Scharia als oberste Doktrin ansieht, zeigen, wie weit und steinig der Weg der Säkularisierung im Sudan noch immer ist, obwohl vertraglich seit knapp anderthalb Jahren eine Trennung von Staat und Religion angestrebt wird.

Unterstützen Sie uns bei Steady!