Der Kölner Erdogan-Tempel

Und Ralph Giordano hatte doch Recht

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DITIB-Zentralmoschee in Köln
DITIB-Zentralmoschee in Köln

Das Brimborium für den türkischen Präsidenten Erdogan war ein schwerer Fehler. Der Aufwand eines Staatsbesuchs dient Diktatoren stets ihren innenpolitischen Zwecken. Entsprechend feiern seine Medien in der Türkei ihren Sultan, der es mal wieder den arroganten Westlern gezeigt hat. Die liberale Demokratie hat solche Spielchen nicht nötig, gerade wenn sie dafür nichts bekommt – außer Spott und Schaden.

Das Debakel dieser verkorksten Visite hat aber auch ihr Gutes. Sie legt schonungslos die Hintergründe der Ditib-Moschee in Köln und deren Einweihung durch den Präsidenten eines auswärtigen Staates offen. Sämtliche nationalen Würdenträger waren diesem Akt der Desintegration ferngeblieben. Wer sich in den vergangenen Jahren in diesem bundesweit geführten Streit wacker für den Bau eingesetzt hat, hat sich hinter die Fichte führen lassen.

Ralf Giordano als weitsichtiger Kritiker

Einer der schärfsten Kritiker des Kölner Moscheebaus war der inzwischen verstorbene Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Ralph Giordano. Schon vor über 10 Jahren kritisierte er mit deutlichen Worten die Errichtung einer repräsentativen Moschee in Köln-Ehrenfeld. Er sagte "Unfrieden und Unruhe" voraus. Für ihn war das Bauwerk ein "falsches Signal", das ein falsches Bild gelungener Integration vermittle.

Flugs wurde Giordano in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt. Ausgerechnet Giordano, der als Jude im Versteck die NS-Zeit überlebte und früh gegen den Neonazismus auftrat, musste sich vom damaligen Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) vorwerfen lassen, er lenke "Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen". Auch von anderer Seite war die Kritik unerbittlich politisch korrekt – so von Micha Brumlik. Tenor: Wer diese Moschee in Frage stellt, spielt das Spiel der Rechten im Lande. Heute haben wir Beides, eine starke Rechte und den Erdogan-Tempel.

Giordanos Kritik war gewiss allzu pauschal gegen den Islam gerichtet; Er verkannte dessen interne Vielfalt. Er hatte aber Recht mit seiner Auffassung, dass man einen Moscheebau und die Burka ablehnen kann, ohne sich als nützlicher Idiot des Rechtsradikalismus abstempeln zu lassen. Giordano durchschaute rechtzeitig die Ditib, während andere parteiübergreifend auf Kuschelkurs getrimmt waren und lieber mit Wattebäuschen werfen statt Klartext zu sprechen. Er war hellsichtiger als andere, die heute bedröppelt ihre Fehleinschätzungen von damals zugeben – oder es zumindest tun sollten.

Kölner Moscheebau wirft grundlegende Fragen auf

Vorweg: Genehmigungen für Sakralbauten obliegen den zuständigen Behörden. Ob Baurecht vorliegt, ist daher eine Rechtsfrage. Die politische Auseinandersetzung steht indes auf einem anderen Blatt.

Hier stellen sich über den lokalen Anlass hinaus grundlegende Fragen. Das gilt einmal für das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften, denen es noch immer gelingt, die grundgesetzlich garantierte Glaubensfreiheit zur Stärkung ihrer eigenen institutionellen Macht zu nutzen. De Debatte um sexuellen Missbrauch hat gezeigt, wie unverfroren sich die großen Kirchen als Staat im Staate gerieren, wenn sie es sogar schaffen, die Aufklärung schwerer Straftaten nach eigener Kassen- und Interessenlage zu organisieren.

Allzu gerne versuchen islamisch-konservative Gruppen, im Windschatten der christlichen Kirchen in deren Sonderrolle zu schlüpfen. Die beiden Großkirchen wiederum nutzen diese Bestrebungen, um so ihre eigene Sonderstellung zu legitimieren.

Der Kölner Moscheebau legt schonungslos die Schwächen der liberalen Zivilgesellschaft beim Umgang mit orthodox-konservativen Islamverbänden und ihren Auftraggebern offen. Die offizielle Politik hat Verbände wie Ditib als Ansprechpartner hofiert und über deren mangelnde demokratische und rechtsstaatliche Substanz hinweg gesehen. In der linksliberalen Öffentlichkeit wiederum sind teilweise bis heute kritische Töne in Richtung Migranten verpönt und werden mit dem Vorwurf der irgendeiner der zahlreichen Phobien geahndet.

Seit wann ist es aber Rassismus, sich gegen neu-osmanische oder saudisch-wahabitische Zentralen eines autoritären Religionsverständnisses zu wehren?

Es muss doch die Frage erlaubt sein, ob der bedingungslose Einsatz vieler wohlmeinender und ehrlicher Menschen für den Moscheebau im Rückblick nicht doch ein Akt der Selbsttäuschung war. Das lässt sich wohl auch für andere vergleichbare Fälle behaupten.

Ausweg: genau hinsehen und sich nicht täuschen lassen

Die Kontroverse um den Bau islamischer Moscheen muss in einem größeren Zusammenhang gesehen werden. Sie reiht sich ein in eine Vielfalt vergleichbarer Fragen, bei denen aus dem linksliberalen Spektrum heraus allzu gerne die Rassismus- und Nazi-Keule in die Hand genommen wird.

Als ein Beispiel sei der (angebliche) Anspruch auf eine religiös "saubere" Essensversorgung der Kinder in Schulen und Kitas herausgegriffen. Müssen aber alle "halal" essen und haben Schulträger und Eltern gefälligst devot ihr Haupt zu beugen? Auf der anderen Seite: was spricht dagegen, muslimische Kinder so zu versorgen, dass ihr Essen im Einklang mit ihren Glaubensvorstellungen (oder denen ihrer Eltern) steht? Die Grenze zwischen Dominanz und Rücksichtnahme ist immer da, wo auch anderen etwas aufgenötigt wird.

Streit gibt es auch an Schulen und Universitäten über die Einrichtung von Gebetsräumen. Haben Säkulare und andere Menschen mit ihren unterschiedlichen religiösen Vorstellungen einen Anspruch darauf, vor dem Anblick gläubiger Menschen "verschont" zu werden und was ist mit dem Anblick von Sakralbauten mit Minaretten von über 50 Metern in guter Innenstadtlage?

Es kann auch in diesen Debatten aus säkularer Sicht keine überzeugende Option sein, die Freiheit des Grundgesetzes an dieser Stelle verkürzen zu wollen.

Der liberale Verfassungsstaat kann von niemandem verlangen, quasi öffentlich unsichtbar zu bleiben. Sich über andere zu erheben, kann aber auch nicht angehen. Weder eine politische noch eine religiöse Einstellung darf als Vorwand dafür missbraucht werden, die Bedürfnisse anderer zu missachten oder sich den Staat dienstbar zu machen.

Menschen, die sich aus tiefster Überzeugung einer Ausgrenzung gesellschaftlicher Gruppen entgegenstellen, dürfen sich nicht (länger) von Ditib und Co instrumentalisieren und von den Gegenstücken zu AfD und Pegida am Nasenring durch die Manege führen lassen.

Bei der Debatte über Grenzen der Religion geht es vielmehr darum, im Diskurs die erforderlichen Kriterien zu entwickeln, anhand derer eine sachgerechte Differenzierung möglich ist, ohne dabei in rechte Hörner zu blasen.

Es ist möglich, auch hoch emotionale Debatten – über Moscheebauten und das Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Religionsgemeinschaften – mit besseren Argumenten und mehr Sachlichkeit zu führen. Dazu gehört, dem jeweils anderen zuzuhören statt pauschal zu diffamieren und ihm stets böswillige Absichten zu unterstellen.

Dass man derartige Diskussionen ohne Schaum vor dem Mund und keine Töne führen kann, zeigt die Berliner Initiative Pro Berliner Neutralitätsgesetz. Ihre klare Absage an jeden religiösen Fanatismus aller Schattierungen bei gleichzeitigem Respekt vor der Glaubensfreiheit stehen nicht im Widerspruch zueinander. Auf der Grundlage einer solchen Haltung lässt sich auch die Position zu Moschee- und anderen Sakralbauten (selbst)kritisch hinterfragen und gesellschaftspolitisch ohne rechte Ressentiments entwickeln.

Abgesehen von komplexen Rechtsfragen kann und darf es politisch nicht darum gehen, ob ein solcher Bau errichtet werden darf oder nicht. Zu fragen ist vielmehr, wer den Bau mit welchem (sozialräumlichen) Konzept errichten will und wer das Projekt finanziert. Hier ist auch viel mehr Transparenz der Betreiber erforderlich. Wer Heimlichkeit sät, wird Misstrauen ernten!