MIZ 2/23 erschienen:

Untergang, Verschwinden, Bedeutungsverlust von Religionen

Was passiert eigentlich genau, wenn eine Religion "untergeht"? Ist anhaltender Mitgliederverlust ein Anzeichen für den kommenden Untergang? Oder eher der Bedeutungsverlust im öffentlichen Leben? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Titelthema der MIZ 2/23.

Im Editorial stellt Gunnar Schedel die Frage, ob Religionen ohne Mitglieder vorstellbar sind. Beruht die gesellschaftliche Stellung der Kirchen wirklich in erster Linie auf ihrer Mitgliederzahl? Oder gewährleisten ganz andere Faktoren deren Überleben?

Transformation oder Verschwinden?

In einem längeren Interview geht der Religionswissenschaftler Hartmut Zinser auf verschiedene Aspekte des Untergangs von Religionen ein. Er geht nicht davon aus, dass die Modernisierung der Lebensverhältnisse zwangsläufig das Ende der Religionen mit sich bringen wird. Nach seiner Beobachtung sind Religionen bislang immer nur durch andere Religionen zum Verschwinden gerbacht worden. Außerdem verschwinden, auch wenn eine Religion untergeht, nicht unbedingt all ihre Aussagen und Bilder, sie können beispielsweise – wie bei den antiken Religionen der Griechen und Römer – in den Bildungskanon übergehen und so weiterhin wirksam sein.

Gerhard Rampp stützt sich bei seiner Einschätzung, dass Volkskirchen in aufgeklärten Gesellschaften keine Zukunft haben, zunächst auf harte Fakten: die demographische Entwicklung, die Kirchenaustrittszahlen, die Taufquote. Als wichigste Ursache sieht er neben dem Glaubwürdigkeitsverlust im Zuge der Missbrauchsskandale das mittlerweile in Deutschland vorherrschende Bild von der Welt, in dem Gott einfach keine zentrale Rolle mehr spielt.

Zahlen und schweigen

Die von der Ampelkoalition in Angriff genommene Ablösung der Staatsleistungen ist ins Stocken geraten. Friedrich Coradill geht auf die Gesetzentwürfe ein, deckt ihre Schwachstellen auf und zeigt, dass das derzeit gewählte Verfahren wohl dazu führt, dass die Bevölkerung auch weiterhin für die Kirchen zahlen muss.

Nach der "Berliner Expert*innenkommission" hat nun auch der "Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit" seinen Abschlussbericht vorgelegt: ein kritik- und emanzipationsfeindliches Dokument, das sich durch einen unseriösen Umgang mit Quellen auszeichnet, meint Romo Runt. Das Ziel der Studie liegt auf der Hand: Religionskritik zum Schweigen zu bringen.

Türkei und Polen

In einem langen Artikel erläutert Lale Akgün die Situation in der Türkei nach der Wiederwahl des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Ihr besonderes Augenmerk gilt dem extrem konservativen Umfeld, das Erdoğan unterstützt hat. Und sie stellt die Frage, warum in Deutschland – im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten – Erdoğan so viel Unterstützung findet.

Dass in Polen gerade sehr kontrovers über die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche diskutiert wird, zeigt ein weiterer internationaler Artikel.

Humanismusdebatte

Über den Begriff des "säkularen Humanismus" wird gestritten. Nachdem Horst Groschopp in der MIZ 1/23 eine Kritik dieser Vorstellung entfaltet hat, antwortet im aktuellen Heft Rainer Rosenzweig aus dem Vorstand des Zentralrats der Konfessionsfreien und präsentiert "säkularen Humanismus" als "Zukunftsbegriff": "Wer sich seinen Mitmenschen gegenüber 'humanistisch' verhalten möchte, dabei aber keine religiöse Begründung braucht und auch keine haben will, darf sich getrost als säkularer Humanist sehen, mit anderen Menschen zusammenschließen und organisieren."

Daneben bietet das Heft die Rubriken "Zündfunke" und "Internationale Rundschau", die Glosse "Neulich…" und eine Buchbesprechung.

Weitere Informationen zur aktuellen MIZ auf der Website der Zeitschrift.

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