BBC-Recherche deckt auf:

Vermeintliche "Heiler" missbrauchen Frauen

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Die britische Rundfunkanstalt BBC hat untersucht, wie Geist- oder Koranheiler Hilfe suchende Frauen sexuell missbrauchen und ihre Übergriffe als Teil einer Behandlung rechtfertigen. Einen Schwerpunkt hat die BBC auf "Heiler" in Marokko und im Sudan gelegt. Nachdem sich eine Freiwillige mit versteckter Kamera wegen vermeintlicher Unfruchtbarkeit an den mehrfach von Frauen beschuldigten Sheikh Ibrahim gewandt hatte, musste auch sie vor seinen grabschenden Händen flüchten.

Über ein Jahr lang hatte ein Team der britischen Rundfunkanstalt BBC recherchiert, um Einblicke in die Machenschaften von manipulativen und gewalttätigen Geist- und Koranheilern in Marokko und im Sudan zu erhalten. Die Journalisten sprachen mit 85 Frauen, die über die Übergriffe und sexualisierte Gewalt von 65 sogenannten Heilern berichteten. Zudem befragten sie Nichtregierungsorganisationen, Gerichte und Jurist*innen zum Thema. Auch zwei beschuldigte "Heiler" bekamen eine Chance, ihr Handeln zu erklären und womöglich um Verzeihung zu bitten. Durch den knapp 25-minütigen Beitrag, der auch auf YouTube einsehbar ist, führt die Journalistin Hanan Razek.

Die Maschen, mit denen verzweifelten Menschen, vor allem Frauen, teilweise horrende Geldsummen für angebliche Heilung abgenommen werden, sind erschreckend. Selbstbewusst behaupten die "Heiler", mit ihrer Stimme, ihren Gebeten und Zitaten aus dem Koran Lähmungen, Blindheit, Nierenleiden oder Krebs heilen zu können. Auch Depressionen oder Probleme mit dem Ehepartner wollen die "Heiler" aus der Welt schaffen können.

Dazu bedarf es bei ihnen jedoch allerhand Berührungen und sexueller Übergriffe bis hin zu Vergewaltigungen. Frauen berichten von Manipulationen, Drohungen oder gar dem Einsatz von Drogen, die Beschuldigte angewandt haben sollen, um sexuelle Handlungen an den Frauen durchführen zu können. Bedrohlich wirken dabei nicht nur die Ankündigungen der vermeintlichen Heiler, Patientinnen auf ewig zu verfluchen, oder die an die Frauen gerichteten Morddrohungen bei Unwilligkeit, sondern bereits die Diagnosen: denn nicht selten soll ein Dschinn im Körper der betroffenen Frau an Unglück und Krankheit schuld sein. Als mächtige Dämonen beschrieben, sind sie geeignet, den angeblich von ihnen besessenen Frauen Angst einzujagen.

Viele, die von den sogenannten Heilern missbraucht wurden, können sich nicht offenbaren, ohne dass ihr Ruf Schaden nimmt oder sie gar eine Bestrafung als vermeintlich Schuldige fürchten müssen, da die "Heiler" zumeist respektierte Mitglieder der Gesellschaft sind. Dennoch haben Betroffene es gewagt, mit dem BBC-Team zu sprechen. Sie berichteten von völlig absurden "Therapien". So sollte eine Frau mit einem "Heiler" schlafen und die vermischten Körpersäfte ihrem Mann einflößen, um ihn von seiner Zweitfrau zu ihr zurückkehren und sie besser behandeln zu lassen.

Ein Anruf Hanan Razeks bei einem "Heiler" zeigt die sexuelle Aggressivität dieser Männer schon vor einem Treffen auf. Als potentiell Behandlung suchende wird die Journalistin gefragt, ob sie mit dem vermeintlichen Heiler schlafen würde und was sie sagen würde, wenn er sie küsste.

Im Verlauf des BBC-Beitrags begibt sich eine Freiwillige mit angeblich unerfülltem Kinderwunsch und versteckter Kamera zum bereits von mehreren Frauen beschuldigten Sheikh Ibrahim. Er nähert sich der Frau an, berührt sie, lässt nicht von ihr ab, als sie protestiert, grabscht an ihre Schenkel. Später im Interview von Razek zu seinem Handeln befragt, leugnet er zunächst, um das Interview dann rasch abzubrechen. Ein anderer "Heiler" flüchtet vor einem Journalisten, der ihn zu seinen Vergehen befragen möchte.

Schutz von Frauen für Frauen

Zu Wort kommt im Beitrag auch ein religiöser Würdenträger, der zwar angibt, dass Heiler eigentlich Experten in Bezug auf den Koran und Islamangelegenheiten sein müssten und Berührungen des Körpers Hilfesuchender auf keinen Fall erlaubt seien, der aber die Erfahrungen der Frauen herunterspielt und das Fehlverhalten der "Heiler" mit deren mangelnder Bildung entschuldigt.

Von religiöser Seite scheint also keine Hoffnung auf Schutz zu kommen. Ähnlich sieht es auf der Behördenseite aus: auch sie tun wenig zum Schutz der Frauen. Und selbst wenn ein sogenannter Heiler eine Haft antreten muss, ist diese nur von kurzer Dauer.

Mehr Unterstützung schenken Frauen einander. So gibt es "Heilerinnen", die sich um die Behandlung von Frauen bemühen. An den Stätten dieser "Heilerinnen" verfallen die Hilfesuchenden ebenfalls in Trance, wälzen sich entrückt am Boden, jubilieren oder weinen. Jedoch sind sie in diesen hilflosen Momenten keinem Missbrauch durch Männer ausgeliefert. Zudem gibt es weitere Initiativen von Frauen für Frauen. Eine als junges Mädchen von der Belästigung durch einen "Heiler" betroffene Frau versucht heute Mädchen und Frauen diese Erfahrung zu ersparen. Zudem hat sie eine Sportstätte für Mädchen ins Leben gerufen.

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