"Wir müssen lauter werden"

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Armin Navabi, Gründer von "Atheist Republic", erläuterte dem Düsseldorfer Publikum, wie man den Islam bekämpft, ohne Muslime zu bekämpfen.
Armin Navabi, Gründer von "Atheist Republic"

Wenn wir das politische Spiel nicht mitspielen, verlieren wir – das ist die klare Botschaft von Armin Navabi, Gründer von "Atheist Republic", bei seinem Vortrag in Düsseldorf. Er appellierte an Atheisten, sich füreinander zu engagieren, so wie es religiöse Gemeinschaften sehr erfolgreich tun. Andernfalls werde sich an der kritischen Lage der Ungläubigen in der Welt nichts ändern. Im Zuge dessen sprach der hpd mit ihm.

Armin Navabi ist ein Promi in der internationalen Atheisten-Szene. Er ist der Gründer von "Atheist Republic", einer Organisation, die Ungläubige weltweit vernetzen und unterstützen will. 2011 ging die Facebook-Seite online, heute haben sie 2,3 Millionen Menschen mit "Gefällt mir" markiert. Die Online-Community hat 1,7 Millionen Mitglieder, kann man auf der Website nachlesen. Dort gibt es unter anderem eine Sammlung atheistischer Blogs, einen Podcast, dem Besucher der Seite ihre selbst aufgenommenen Ansichten und Botschaften zur Verfügung stellen können und eine Galerie von Menschen, die sich selbst mit Schildern oder T-Shirts des Netzwerks ablichten.

Ein besonders Berühmtes ist das Bild von Rana Ahmad, die einen "Atheist Republic"-Zettel mit der Kaaba im Hintergrund fotografierte. So wurde die Online-Community auf sie aufmerksam und half ihr über eine Fundraising-Kampagne schließlich auch bei ihrer Flucht. Aber nicht nur das: Ranas Geschichte habe ihn inspiriert, nicht nur atheistische Inhalte zu verbreiten, sondern sich auch politisch zu engagieren und "Atheist Republic" zu einer Hilfsorganisation zu machen, sagte Armin Navabi dem hpd: "Als ich dieses Foto gesehen habe, konnte ich es nicht fassen. Das kann man jemandem, der nicht selbst mal Muslim war, überhaupt nicht beschreiben, was das bedeutet. Das ist der heiligste Ort in der islamischen Welt. Was sie getan hat, war unglaublich mutig." Heute gebe es Vertretungen seiner Organisation in jeder größeren Stadt der Welt.

Der Gründer war selbst einmal ein gläubiger Muslim, geradezu fanatisch. Als Kind sorgte er sich um seine Mutter, weil sie nicht regelmäßig betete. Eines Tages werde sie dafür in die Hölle kommen, war der junge Armin Navabi überzeugt. Und er wusste nicht, wie er den Anforderungen, die der Islam an ihn stellte, ausreichend gerecht werden sollte. Dann fand er einen vermeintlich sicheren Weg, ins Paradies zu kommen: Wenn Jungen vor Erreichen des 15. Lebensjahrs umkommen, kehren sie automatisch ins Paradies ein (für Mädchen gilt das nur bis zu einem Alter von neun Jahren). Nach mehreren erfolglosen Suizidversuchen stürzte er sich aus einem Fenster seines Schulgebäudes – und überlebte wieder.

Von da an vergrub er sich noch mehr als zuvor in religiösen Studien. Er wollte alles in seiner Macht stehende tun, um ein guter Muslim zu sein. Er beschäftigte sich auch mit anderen, auch alten Religionen, um herauszufinden, was sie so falsch machten, dass Allah sie hasste. Bei seiner Arbeit kam ihm irgendwann ein Gedanke: Was, wenn das alles nur von Menschen erfunden wurde? Dieser Gedanke quälte ihn. Er versuchte, ihn zu widerlegen, tat alles, um einen Beweis für die Existenz Gottes zu finden. Aber alles, was er fand, machte ihn nur noch mehr zum Atheisten. Daraus entstand das Bedürfnis, den Kontakt zu anderen zu knüpfen, die so dachten wie er. So entstand Anfang der 2000er Jahre der Vorläufer zur jetzigen Onlineplattform.

Armin Navabi auf der Bühne
Armin Navabi beantwortete zahlreiche Fragen des Publikums. Foto: Ricarda Hinz

Die habe sich "dramatisch schnell" verbreitet, weil man Gläubige nicht ausgeschlossen habe. Heiße Diskussionen und auch Konflikte waren die (beabsichtigte) Folge. Navabi konnte seine Klappe nicht halten, was seinen Atheismus anging, wie er sagt. Das habe seinen Eltern große Sorgen bereitet, sie fürchteten, ihr Sohn könnte getötet werden. "Im Iran sind schließlich schon Menschen für viel weniger hingerichtet worden." Als er nach Kanada ging, um zu studieren, waren sie erleichtert. Seine Mutter unterstützte das, was er tat, sie habe sogar dafür gebetet, dass "Atheist Republic" ein Erfolg wird, lacht der Exil-Iraner. Mittlerweile sei er so bekannt, dass er nicht mehr zurück könne. Nicht einmal, als seine Mutter an Krebs erkrankte und schließlich starb. Er hat einen hohen Preis bezahlt für sein Outing.

Mittlerweile hat Armin Navabi ein Buch geschrieben: "Why there is no God", eine Grundlagenschrift für Diskussionen, in der er gängige Argumente für die Existenz Gottes widerlegt. Und er ist weltweit gefragt: Momentan ist er in Europa unterwegs, in Großbritannien, den Niederlanden und in Deutschland, wo er auch Halt beim Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA) machte. Am Montag Abend sprach der Aktivist darüber, wie man den Islam bekämpft, ohne Muslime zu bekämpfen. Mehr noch: Wie man den Islam angreift und dabei die Muslime schützt. Dem liegt die Idee zugrunde, dass, wenn man sich gegen eine Ideologie wendet, es nicht automatisch bedeutet, sich auch gegen die Menschen zu wenden, die ihr folgen. Sein Auftritt wurde live auf Facebook gestreamt.

Für sein Handeln werde er sowohl von Rechten als auch von Linken kritisiert, erzählte Navabi in Düsseldorf: Für die einen ist er Muslimen gegenüber zu freundlich, für die anderen zu hart. Übrigens finde er es bizarr, dass so viele Linke den Islam verteidigten, obwohl er eine rechte Ideologie sei. Der Schutz von Muslimen habe sich bei ihnen dazu gewandelt, den Islam zu apologetisieren. Aber sogar andere Ex-Muslime sagten ihm bisweilen, er gehe zu weit, überschreite rote Linien. "Aber genau das macht es für mich interessant, ich will die rote Linie überschreiten." Beispielsweise habe er einmal einen Koran verbrannt und ein Video davon auf Youtube gestellt.

"Der beste Weg, den Islam zu bekämpfen, ist, sich mit Muslimen anzufreunden"

Erstaunlicherweise sind es aber genau seine vermeintlich aggressiven Aktionen, die den Wahl-Kanadier immer wieder ins Gespräch mit zahlreichen Muslimen bringen. Ein solcher Dialog, der die Muslime ernst nehme, funktioniere besser, als ihnen die Opferrolle zuzuweisen. Denn: "Religionen leben vom Opferstatus". "Der beste Weg, den Islam zu bekämpfen, ist, sich mit Muslimen anzufreunden", ist Navabi überzeugt. Die meisten Muslime seien besser als der Islam, genau wie die meisten Christen besser als das Christentum seien. Er werde zwar nie das akzeptieren, woran die Menschen glauben, aber er akzeptiere die Menschen, die daran glauben wollen. In seinen 20 Jahren im Iran habe er erlebt, dass vieles mit dem Koran gemacht wird: Man küsst ihn vor dem ersten Schultag, benutzt ihn als Dekoration oder fuchtelt damit herum. Nur gelesen werde er fast nie. Er wird auswendig gelernt und zitiert, aber über den Inhalt werde nicht nachgedacht.

Um die Menschen zu überzeugen, müsse man in ihre Köpfe gelangen. Im persönlichen Kontakt schaffe der Aktivist es, einen Zugang zu finden, auch wenn die Leute ihn vorher hassten für das, was er tut, würden sie ihn dann akzeptieren, weil er auch einräume, falsch liegen zu können. Man könne sich immer darauf einigen, dass man das, was man tut, deshalb tut, weil man denkt, es sei gut für die Welt. In jedem Fall müsse man etwas tun – auch die Sklaverei habe sich nicht von selbst abgeschafft.

Aber auch die Diskriminierung von Muslimen, wie es unter anderem in China passiere, ist Armin Navabi ein Dorn im Auge. Er ist ein kompromissloser Verteidiger der Menschenrechte, was bisweilen zu Irritationen führen kann: Zum Beispiel, weil er dafür eintritt, dass diese auch für IS-Kämpfer zu gelten haben. Auch sie hätten einen fairen Prozess verdient und dürften nicht einfach hingerichtet werden. Daneben seien auch Selbstmordattentäter als Opfer zu betrachten, obwohl sie nicht als solche mitgezählt würden – sie seien Opfer des Islam. Sein Anspruch an Muslime wiederum ist: "Ihr müsst uns akzeptieren, während wir eure Ideologie attackieren." Gläubige hätten das Recht, ein Buch zu propagieren, das Ungläubigen ewige Höllenqualen androht. Dann müssten sie es anderen aber auch zugestehen, diese Schrift zu kritisieren.

Gruppenbild mit Zuhörern und dem Referenten
Zum Vortrag kamen auch prominente Ex-Muslime aus Deutschland und Mitglieder der Säkularen Flüchtlingshilfe Köln. Foto: Düsseldorfer Aufklärungsdienst

Es ist erwartbar, dass bei einer solchen Haltung – noch dazu, wenn man sie öffentlich äußert – entsprechende Verfolgung nicht ausbleibt: Normalerweise erhalte er im Schnitt alle zwei Wochen eine Morddrohung. Wenn etwas viral geht, können es aber auch mehrere Tausend an einem Tag sein, so der "Atheist Republic"-Gründer gegenüber dem hpd. Am meisten hätten sich gläubige Muslime aufgeregt, wenn es um Homosexualität ging. Beispielsweise als er auf dem Christopher Street Day (CSD) in Vancouver ein T-Shrit mit der Aufschrift "Allah is gay" trug – was in Deutschland mit Amed Sherwan einen Nachahmer fand. Navabis Erwiderung auf den Entrüstungssturm dazu lautete: "Ist schwul eine Beleidigung?" Die Aktion sei erfolgreich gewesen. Es sei der effektivste Weg, Homophobe bloßzustellen, die sich mit ihrer Reaktion selbst entlarvten. Er wolle damit auch die Linken an ihre ursprünglichen Ziele erinnern.

Zweimal musste der Aktivist schon umziehen, weil gewisse Leute wussten, wo er wohnt. Es gab auch schon einen Aufruf an alle Kanadier, "die Ehre besitzen", ihre Pflicht zu tun und ihn zu enthaupten. Seine Frau bekomme regelmäßig Vergewaltigungsandrohungen. Eine Fatwa habe aber noch niemand gegen ihn ausgesprochen. "Diese Ehre wurde mir noch nicht zuteil, aber ich arbeite dran", lacht er. Er wolle sich nicht beschweren, schließlich hätten atheistische Aktivisten in Ländern wie Pakistan, Saudi-Arabien oder Bangladesch ganz andere Sorgen. Unter Polizeischutz stehe er nicht.

Danach gefragt, was man tun könne, um die Atheisten in der arabischen Welt, die ihre Religion nicht verlassen dürfen, zu unterstützen, antwortete er beim Vortrag in der Düsseldorfer Zentralbibliothek: "Wir müssen die Stimme sein, die sie nicht haben", das versuche er mit seinen Onlinebeiträgen. Der Atheismus gewinne weltweit demographisch, verliere aber politisch gegen die religiösen Gruppen: "Es gibt auch ein politisches Spiel, das wir spielen müssen". "Wir Atheisten schaffen es nicht, uns zusammenzuraufen und wirklich was gebacken zu kriegen". Wenn Religionen verfolgt werden, gebe es immer einen Aufschrei, bei Atheisten interessiere es hingegen niemanden. Deswegen sei es sehr einfach, Atheisten zu verfolgen und sie seien demzufolge eine der am meisten diskriminierten Gruppen weltweit. "Wir müssen dafür sorgen, dass es darauf eine Reaktion gibt, wir müssen lauter werden." Bei Juden, Christen oder Muslimen würde man es nicht so einfach hinnehmen, wenn wie in Malaysia von Regierungsseite dazu aufgerufen wird, sie zu jagen. Dort hatte sich eine Ortsgruppe von "Atheist Republic" getroffen und ein Foto davon gepostet.

"Alle Religionen sind gleich falsch, aber nicht alle Religionen richten den gleichen Schaden an", ist Armin Navabi überzeugt. Der Islam sei momentan die schädlichste Religion. Keine andere würde in dieser Dominanz jeden Aspekt des Lebens ihrer Anhänger kontrollieren wollen. Für den Wahl-Kanadier ist die Sachlage klar: Es gebe keinen islamischen Faschismus, Islam sei Faschismus. Und es gebe keinen politischen Islam, sondern der Islam sei eine politische Ideologie. Wird die Menschheit irgendwann "erwachsen" und wird es als Teil der Evolution irgendwann keine Religion mehr geben? Der "Atheist Republic"-Gründer denkt, ja, wenn man bedenke, wie sehr sich die Welt im Laufe der Geschichte mit steigendem Wissen schon entwickelt habe. Nicht nur Religionen, sondern generell die meisten falschen Informationen würden eines Tages verschwinden.