Mina Ahadi und ihre Mitstreiter vom Zentralrat der Ex-Muslime erhalten Morddrohungen, nachdem sie sich mit einer Protestaktion gegen die öffentliche Verlautbarung des Muezzin-Rufs in Köln starkgemacht haben. Die Behörden nehmen die Drohungen sehr ernst und stellen die Islamkritikerin nun unter Polizeischutz.
Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass Mina Ahadi von Islamisten Hassbotschaften erhält, welche sogar bis zu konkreten Mordandrohungen gehen. Die nach der iranischen Revolution 1981 außer Landes geflohene Islamkritikerin weiß, was es bedeutet in ständiger Gefahr zu leben. Doch neuerdings ist die Bedrohungslage für sie und ihre Mitstreiter wieder extrem ernst geworden.
Nachdem Ahadi am 15. Oktober 2021 mit weiteren Ex-Muslimen eine Protestaktion vor der DİTİB-Zentralmoschee in Köln veranstaltete und dort zur muslimischen Gebetszeit gegen die vermutlich bald erlaubten öffentlichen Muezzinrufe demonstrierte, sei es schon zu starken Anfeindungen von Seite muslimischer Moscheebesucher gekommen. Rana Ahmad, die aus Saudi-Arabien geflüchtet ist, stellte während der Kundgebung zur Schau, inwiefern der Gebetsruf, sollte er bald öffentlich vernehmbar sein, sie jedes Mal aufs neue retraumatisiere und an ihre eigene vergangene Unterdrückung erinnere.
"Nach der Aktion merkten wir, dass wir besser schnell wegmüssen und anstatt U-Bahn zu fahren nahmen wir einzeln Taxis. Ein Journalist der Deutschen Welle wurde sogar angegriffen", berichtet Mina Ahadi von der Auflösung des Protests. Die eher kleine, von der Polizei beschützte Aktion mit etwa 30 Demonstranten, die sich gegen das Vordringen des islamischen Gebetsrufes in den öffentlichen Raum engagierten, erregte jedoch nicht nur vor Ort enorm viel Aufmerksamkeit, sondern verbreitete sich durch die Berichterstattung online noch einmal enorm. Auch durch den oben angeführten Beitrag der deutschen Welle, welcher auch auf Persisch und Arabisch ausgestrahlt wurde, erreichte die Aktion ein globales weitreichendes Publikum. Die verbalen Angriffe, welche bereits vor Ort passierten, setzten sich daraufhin allerdings auch im virtuellen Raum fort.
Einen Tag später erhielt Mina Ahadi mehrere persönliche Nachrichten von verschiedenen Profilen auf Instagram mit dem Wortlaut: "Ich bringe dich um wir haben deine Adresse rausgefunden", oder: "Dein letzter Tag wird kommen! Du Hure wirst schon in der Hölle verbrennen!" Ahadi beriet sich daraufhin mit ihren Freunden, die Drohungen zur Anzeige zu bringen und meldete sich sonntags bei der Polizei. "Zuerst hieß es, ich solle zur Polizeidienststelle kommen, doch nach wenigen Minuten riefen die Beamten wieder an und meinten, 'wir kommen zu Ihnen vorbei'", berichtet Ahadi den Ablauf der Ereignisse. Seitdem steht sie unter Polizeischutz.
"Toleranz ist gut. Aber was, wenn sie bedeutet, dass wir deshalb Angst haben müssen?"
Mehrmals täglich patrouillieren nun Streifenwagen vor ihrem Haus und ein Personenschützer begleitet sie, sobald sie das Haus verlassen möchte. Die Islamkritikerin war auch zuvor schon Anfeindungen ausgesetzt, auch von den islamistischen Regimen in Saudi-Arabien und Iran. Die Aktion vor der DİTİB-Zentralmoschee in Köln haben ihr nun womöglich weitere Feinde beschert. "Die neuen Drohungen stammen von Accounts mit türkischen Namen. Damit haben mich jetzt viele verschiedene islamistische Organisationen bedroht und möchten mich umbringen. Die Lage hat sich ein bisschen verschlechtert", bewertet Ahadi die Situation und fügt hinzu: "Ich muss mich selbst schützen und nachdenken, was ich mache. Ob Islamisten aus Arabien, dem Iran oder jetzt auch der Türkei, alle fühlen sich beleidigt und reagieren aggressiv." Doch sie und ihre Mitstreiter vom Zentralrat der Ex-Muslime wollen sich nicht einschüchtern lassen, denn Ahadi betont, dass es das Ziel der Islamisten sei, den öffentlichen Raum für sich zu erobern. Dagegen will sie sich zur Wehr setzen: "Die Strategie der Islamisten liegt darin, den Schritt in die Öffentlichkeit zu gehen und den eigentlich säkularen Raum einzunehmen. Der Muezzin-Ruf zeigt: Der Islam ist hier auch präsent. Es ist ein klarer ideologischer Aufruf."
Ahadis Forderungen sind konsequent. Auch Kirchenglocken sollten die Bevölkerung nicht belästigen, da sie der Meinung ist, dass der öffentliche Raum von jeglichen politischen Ideologien verschont bleiben solle. Doch anders als die Glocken sieht sie im Muezzin-Ruf nicht nur einen Gebetsaufruf, sondern vielmehr ein Statement, welches Gott über alles andere stelle. "Dieser Ruf ist ein riesiges Problem gerade für uns Ex-Muslime", erklärt Mina Ahadi: "Denn unter solchen Rufen wird noch heute weiterhin gemordet und gesteinigt."
Für die Islamkritikerin und ihre Mitstreiter kann ein solcher Ruf durchaus retraumatisierend wirken: "Einer meiner Freunde meinte sogar: 'Wenn das kommt dann muss ich die Stadt verlassen!'", erzählt sie. Mina Ahadi hat sich bereits mit einem offenen Brief an die Kölner Oberbürgermeisterin gewandt, in welchem sie den Muezzin-Ruf und das damit im Namen der Toleranz zusammenhängende Modellprojekt kritisiert. "Ich möchte Frau Henriette Reker gegenüber sagen: ja, Toleranz ist gut, aber jetzt muss ich deswegen zu Hause bleiben. Die Toleranz gegenüber dem politischen Islam bedeutet, dass wir Angst haben müssen", hält die Islamkritikerin den Stimmen entgegen, welche sich im Namen einer naiven Gleichberechtigung und Toleranz für das Modellprojekt starkmachen.
Die neusten Drohungen scheinen ihr damit Recht zu geben. Entmutigen lassen oder sich gar aus Angst zurückzuziehen kommt für die Exiliranerin Ahadi aber aufgrund ihres Polizeischutzes nicht in Frage. Sie hat bereits weitere Pläne und will eine Petition gegen den öffentlichen Ruf des Muezzins ins Leben rufen, außerdem soll es zu einer Pressekonferenz kommen, sollte das Modellprojekt tatsächlich starten. Trotz der Gefahr blickt Mina Ahadi zuversichtlich in die Zukunft: "Natürlich ist es eine ernste Sache, aber wir machen trotz der Gefahr unsere Arbeit weiter. Ich habe sehr viel Erfahrung mit dem politischen Islam. Die Hassbotschaften dürfen nicht das große Maß an Zuspruch vergessen lassen, welches wir auch bekommen haben. Wir werden am Ende gewinnen, weil viele Leute merken, dass so etwas einfach nicht wahr sein kann."