Vertreter des Zentralrates der Ex-Muslime und der Säkularen Flüchtlingshilfe machten ihre Forderungen mit Transparenten deutlich. Später fuhr der rote Doppeldecker zwei Mal durch die Domstadt. Abends sprachen Michael Schmidt-Salomon und Jacqueline Neumann über den unzureichend weltanschaulich neutralen Staat.
Der Katzensprung von 40 Kilometern in die Konkurrenz-Karnevalshochburg war schnell geschafft. Am Rudolfplatz vor der Hahnentorburg erwarteten den Bus bereits einige Vertreter des Zentralrats der Ex-Muslime und der Säkularen Flüchtlingshilfe, die hier zuerst gegründet worden war. Sie übergaben dem Vorstandssprecher der Giordano-Buno-Stiftung (GBS), Michael Schmidt-Salomon, einen Strauß rote Rosen und hielten Transparente hoch, auf denen das Zitat des saudischen Bloggers Raif Badawi "Säkularismus ist die Lösung" zu lesen war. "Keine Privilegien für Kirchen und Islamverbände!" stand darunter. Andere hielten Schilder mit der Aufschrift "Das Gesetz steht über der Religion" hoch.
Mit dabei war wie am Vortag Aktionskünstler Wolfgang Klosterhalfen, der seine Transparente zur Kritik am "Sterbehilfekriminalisierungsparagraphen" 217 aufspannte. Eines zeigt eine Karikatur von einer erlaubten Form der Selbsttötung: Nämlich, sich vor einen Zug zu werfen und damit unbeteiligte Menschen in die eigene Freitodentscheidung mit hineinzuziehen.
Zwei Stadtrundfahrten durch die Domstadt fanden unter der Leitung der GBS-Regionalgruppe beziehungsweise des Humanistischen Forums Köln statt. Die große DITIB-Moschee, die der türkische Präsident Erdogan vergangenen Herbst höchstpersönlich eröffnet hatte, konnte der Kampagnen-Bus leider nicht anfahren, da die umliegenden Unterführungen zu niedrig für eine Durchquerung sind. Weiter ging es durch die Christophstraße, in der der Kölner Christopher-Street-Day alljährlich stattfindet, am Wohnsitz von Kardinal Rainer Maria Woelki vorbei zum berühmten Kölner Dom. In Sichtweite des monumentalen Kirchenbaus, der die Grenzhöhe allgemeiner Bebauung festlegt, hielt der Bus und ein Teilnehmer der Stadtrundfahrt erzählte, dass es in der Stadt ganze 257 Kirchen gebe. Leider wussten die Kölner sonst kaum etwas über Themen zu berichten, die für säkular interessierte Menschen relevant sein könnten, obwohl Köln sich als deutscher Hauptsitz von Opus Die und Erzbistum des verstorbenen berüchtigten Kardinals Joachim Meisner hierfür mehr als anbietet.
Am Abend sprachen Michael Schmidt-Salomon und Jacqueline Neumann, Direktoriumsmitglied des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw) im "kleinen Stapelhäuschen" am Rheinufer jeder aus seiner Perspektive über die verfassungswidrige Vermischung von Religion und Politik und was sich in Deutschland daran ändern müsse.
Der hpd ist Medienpartner der Säkularen Buskampagne 2019 und berichtet über alle Tage der Tour des Busses durch Deutschland.
3 Kommentare
Kommentare
Wolfgang Kloste... am Permanenter Link
Laut Bahn AG legen oder stellen sich jährlich ca. 800 Menschen "erfolgreich" vor einen Zug. Einige überleben schwer verletzt solche "Suizidversuche".
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Man kann ja auch mal so herum fragen: Was ist von Politikern zu erwarten, die einer Lehre anhängen oder zumindest eine Institution unterstützen, die eine Lehre verbreitet, deren Repräsentanten über 500 Jahre Menschen
Dass es staatliche Gesetze gibt, die auch für den Nicht-Christen gelten, der in diesen Glaubensfragen eventuell eine andere, ebenso zu achtende Auffassung hat, ist dem immer noch vorhandenen kirchlichen (und politisch unterstützten) Streben nach Herrschaft über die "Seelen" geschuldet. Dieses Streben nach Macht und Einfluss manifestiert sich in gesellschaftlichen Strukturen (z.B. in der Rechtsprechung oder im Erziehungswesen), wirkt unbewusst als tradiertes Wertesystem noch in den Köpfen selbst Glaubensferner (Gysi: Ohne Kirche keine Moral!) und zeigt sich zum Beispiel in einem kirchlich-staatlichen Machtdenken, das stets mehr durch Verbieten als durch Vorleben und Überzeugen gekennzeichnet war. Diese aus dem Glauben folgenden strafbewehrten Verbote lassen einerseits erkennen, dass die Kirche, einschließlich der ihr willfährig ergebenen Politiker, ihrer eigenen Klientel nicht traut, andererseits sich anmaßt, auch allen Nichtgläubigen auf dem Umweg über staatliche Gesetze ihre Glaubensauffassung aufzuzwingen. Das Grundgesetz jedenfalls verbietet, Gesetze spezifisch religiös, auch nicht verdeckt und unausgesprochen, zu begründen.
Aber welche Bedeutung ordnen Politiker dem Grundgesetz noch zu, wenn sie das Recht auf Selbstbestimmung so drastisch einschränken, wenn sie in Form des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes schleichend Zensur einführen und diese Einschränkung der Meinungsfreiheit scheinheilig durch private Institutionen ausführen lassen, wenn das Grundgesetz zwar festlegt, dass es keine Staatskirche gäbe, aber diese Kirche in (fast) jedem Kopf eines führenden Politikers präsent ist, bei (fast) jeder staatlichen Zeremonie oder Trauerfeier offiziell auftritt, der Bundestag und die Landtage von Kirchenvertretern zwecks "Beratung" umzingelt sind, diese offiziell aber nicht als Lobbyisten bezeichnet werden dürfen?
Ach, ja – "wohlwollende Neutralität" nennt man den Qualm dieser Nebelkerze.
Roland Weber am Permanenter Link
Ich stelle mal die Vermutung auf, dass die meisten Menschen überhaupt nicht erahnen, wie sehr wir doch immer noch in einem Kirchenstaat leben.
"Die Kirchen tun ja so viel Gutes!" - "Ach ja, was denn auf ihre eigenen Kosten?"