Bilanz der "Zappel-Woelki"-Aktion

Teufelsdarstellung empört Kölner Dom-Besucher

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Der "Zappel-Woelki" vor dem Kölner Dom am vergangenen Wochenende
Der "Zappel-Woelki" vor dem Kölner Dom

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"Ohne Staat geht es nicht!"
"Ohne Staat geht es nicht!"

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Der "Zappel-Woelki" vor dem Kölner Dom bei Nacht
Der "Zappel-Woelki" vor dem Kölner Dom

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Die Kunstinstallation der "Langen Bank des Missbrauchsskandals" war für Passanten eine willkommene Sitzgelegenheit
Die "Lange Bank des Missbrauchsskandals" war eine willkommene Sitzgelegenheit

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Geschätzt zehn Personen pro Minute fotografierten die Woelki-Skulptur
Woelki-Skulptur wird fotografiert

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Gruppenbild mit "Zappel-Woelki" (von links): Karl Haucke (MoJoRed e.V. – Missbrauchsopfer-Josephinum-Redemptoristen), Jens Windel (Betroffeneninitiative-Hildesheim), Kabarettist Jürgen Becker, Bildhauer Jacques Tilly. Ganz rechts Aktionskünstler David Farago.
Gruppenbild mit "Zappel-Woelki"

In nur 28 Stunden wurde die Kunstaktion mit der Woelki-Skulptur aus dem Hause Tilly auf der Domplatte auf die Beine gestellt. Die Aktivisten vor Ort erhielten viel Zustimmung, aber auch Anfeindungen. Besonders für die Betroffenen war dies nur schwer zu ertragen.

522.821 Menschen sind in Deutschland 2022 aus der katholischen Kirche ausgetreten, wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, über jeder vierte davon in Nordrhein-Westfalen. Im Erzbistum Köln waren es 51.000 Personen und damit stattliche 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Der stellvertretende Generalvikar Milke Kolb führt die hohe Zahl auf negative Erfahrungen, Wut und Enttäuschungen zurück sowie auf "Frust über Menschen, die für die Kirche stehen und diese repräsentieren". Damit dürfte vor allem Kardinal Rainer Maria Woelki, der Kölner Erzbischof, gemeint sein.

Spätestens seit dem zurückgehaltenen Gutachten über Missbrauchsfälle in seiner Diözese steht er massiv in der Kritik. Nach seinem vom Papst abgelehnten Rücktrittsangebot und einer Auszeit geriet er wegen des Verdachts, falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben zu haben, in die Schlagzeilen. Zuletzt gab es gar eine Razzia, bei der auch Laptop und Handy des Kardinals beschlagnahmt wurden. Dass die Medien darüber vorab Kenntnis hatten und berichteten, ist dem Kirchenfürsten offensichtlich ein Dorn im Auge, denn er ließ seinen Anwalt – der auch Autor des zweiten Missbrauchsgutachtens ist – Anzeige erstatten. Durchsuchungen dieser Art seien in den Augen juristischer Laien immer eine Vorverurteilung, führte der Rechtsbeistand des Kardinals Björn Gercke gegenüber der Zeit aus.

Dies war der Auslöser für die Aktion, die am vergangenen Wochenende auf der Kölner Domplatte stattfand: Eine Großplastik des Düsseldorfer Wagenbau-Künstlers Jacques Tilly aus dem diesjährigen Karneval war vor dem weltberühmten Kirchengebäude zu bestaunen. Dargestellt ist Woelki, an dem der Missbrauchsskandal in Personifikation des Teufels zerrt, während der Erzbischof sich krampfhaft an einem der Türme des Domes festklammert, der bereits abzubrechen droht. "Das ist meine Einladung, habe ich gedacht", so David Farago, Initiator der Kunstaktion in Köln. "Die Begründung der Anzeige sagt alles über den Fall Woelki." Die Vorstellung, die veröffentlichten Filmaufnahmen der Razzia vor dem Eingang des Erzbistums würden das Ansehen des Erzbischofs beschädigen, während Woelki nichts ausgelassen habe seinen Ruf selbst zu ruinieren, sei lächerlich.

Am Donnerstagmorgen fiel die kurzfristige Entscheidung, eine Versammlung vor dem Kölner Dom mit der Skulptur anzumelden, die auf den Namen "Zappel-Woelki" getauft wurde (Erläuterungen dazu in der Ankündigung der Aktion, die im hpd erschien). In nur 28 Stunden plante Farago die Aktion, besprach sich mit Helfern und Missbrauchsbetroffenen und organisierte einen Anhänger für die Figur. Bis nachts packte er benötigte Ausrüstung und Infomaterial, fuhr gemeinsam mit Andreas Kielmann, aktiv beim Bund für Geistesfreiheit München und der Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung München, der kurzerhand über alle drei Tage Unterstützung zusicherte, die Nacht durch, um Freitag früh die Woelki-Skulptur in Düsseldorf in Empfang zu nehmen. Von dort ging es später nach "nebenan" in die Domstadt, wo die Aktivisten am späten Nachmittag bereits von mehreren Journalisten erwartet wurden. "Alle Kameras, auch die der Menschen auf dem Domplatz, richteten sich auf uns, als wir vorfuhren. Sie haben uns einen tollen Empfang bereitet", erzählt Farago von der Ankunft in Köln.

Zwischen Junggesellenabschieden und Woelki-Verstehern

Auf der Domplatte, die, direkt neben dem Hauptbahnhof gelegen, ein zentraler und immer gut besuchter Ort der Stadt ist, hätten pro Minute etwa zehn Personen den "Zappel-Woelki" fotografiert, schätzt Farago. Die Resonanz sei dabei sehr unterschiedlich ausgefallen, je nach Zeitpunkt: Am Samstag habe es viel Zuspruch von Touristen, Shoppern und Junggesellenabschieden gegeben, während am Sonntag zur Messe "Woelki-Versteher" ihren Unmut kundtaten. "Es war ganz skurril: ein Passant – von der Kleidung nach zu schließen ein Mitarbeiter des Erzbistums – ging schnell am Stand vorbei und rief 'Schämt euch'. Danach verschwand er schnell in einem Seiteneingang des Kölner Doms", berichtet Jens Windel von der Betroffeneninitiative-Hildesheim.

Beschädigung der Teufelsfigur an der Seite
Beschädigung der Teufelsfigur an der Seite
(© Foto: David Farago)

"Insgesamt gab es eine Handvoll Leute, die immer noch nicht glauben wollen, dass der kirchliche Missbrauch wirklich stattgefunden hat. Da gab es Aussagen wie 'Sie müssen auch verzeihen können', 'Ihr hättet euch doch wehren können', 'Betroffene sind aber auch Jammerlappen', 'Das glauben wir nicht, dass Herr Woelki sich schuldig gemacht hat' oder 'Jetzt kommt ihr Betroffenen nach so langer Zeit aus dem Keller gekrochen und wollt Geld'. Ich habe da überhaupt kein Verständnis dafür und keine Lust, mit solchen Menschen in die Diskussion zu gehen. Genau dieses unsägliche Verhalten erleben wir ja seit Jahren, dass die Schuld bei uns gesucht wird", so Windel weiter. "Ich sehe da einfach die Verantwortung bei der Kirche – wenn sie offensiv mit dem Thema umgehen würde, in die Gemeinden gehen und sagen würde: 'das und das ist hier passiert', dann würden Menschen nicht mehr solche Dinge von sich geben. Und wenn die Zahlungen auch den Charakter eines Schmerzensgeldes hätten, dann müssten wir auch gar nicht in die Öffentlichkeit gehen; aber da das nicht so ist, sehen wir als Betroffeneninitiativen unsere Aufgabe darin, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Das größte Präventionsprojekt der katholischen Kirche scheint ja aktuell zu sein, dass sie durch ihr Verhalten so viele Menschen dazu bringt, auszutreten."

Besonders für Unmut sorgte die Teufelsdarstellung. Diese Symbolik geht zurück auf ein Papstzitat, das die Ursache für den Missbrauch im Teufel sieht, der auch in der Kirche sein Unwesen treibe. Dieses Abschieben der Verantwortung für die Taten inspirierte Jacques Tilly zu seiner Karikatur, die vor drei Jahren bereits bei "Spott sei Dank" erschienen war. Die Empörung ging so weit, dass am Samstagabend ein etwa 60-jähriger Mann randalierte: Laut Zeugenaussagen rammte er seinen Kopf gegen die Teufelsfigur, sodass eine Delle an der Seite entstand. Außerdem riss er den Schwanz des Teufels ab und versuchte anschließend zu fliehen. "Wir haben uns ihm in den Weg gestellt und verhindert, dass er wegläuft. Gegenüber der Polizei hat der Täter alles geleugnet. Es wurden Zeugen vernommen und wir haben einen Strafantrag gestellt", erzählt der Initiator der Kunstaktion. "Das geht doch nicht, dass man einen Teufel darstellt, schon gar nicht mit einem Menschen zusammen", soll der Randalierer laut Farago gerufen haben, er sei Christ, dies sei seine Motivation gewesen.

Abgerissener Schwanz der Teufelsfigur
Abgerissener Schwanz der Teufelsfigur (© Foto: David Farago)

Davon abgesehen zeigten sich die Aktivisten jedoch zufrieden mit der medialen und der Publikumsresonanz: "Jetzt, zwei Jahre nachdem der 'Hängemattenbischof' an derselben Stelle stand, ist Austreten das Thema Nummer eins. Die Leute zweifeln nicht mehr, sondern haben mit der Kirche und Woelki abgeschlossen", bilanziert David Farago. Und Andreas Kielmann fügt hinzu: "Wenn einer austritt, ist das eine persönliche Sache, aber wenn innerhalb eines Jahres 900.000 Menschen aus beiden Kirchen austreten, dann ist das eine bedeutende gesellschaftliche Entwicklung, die es unmöglich macht, in der Beziehung Staat-Kirche so weiter zu machen wie bisher. Das sind zu einem großen Teil Misstrauensbezeugungen aufgrund dieses Kindesmissbrauchs." Doch das Thema müsse ständig in Erinnerung gerufen werden, damit es nicht wieder in Vergessenheit gerate. Dabei ist Farago aber eines wichtig zu betonen: "Wir machen das für die und mit den Betroffenen und nicht wie Kirche und Politik über die Betroffenen hinweg."

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