Aus internen Papieren des Europäischen Zoodachverbandes EAZA gehen Überlegungen hervor, "überzählige" männliche Junggorillas in den dem Verband angeschlossenen Zoos erforderlichenfalls zu töten: es sei dies "aus biologischer Sicht" das beste Mittel, die überhandnehmende Population männlicher Tiere zu managen.
In der Tat werden in europäischen Zoos Gorillas in so großer Zahl "nachgezüchtet", dass der zur Verfügung stehende Platz für sie nicht mehr ausreicht. Aktuell leben in den knapp 70 dem Verband zugehörenden Einrichtungen 463 Gorillas, 212 davon sind männlich.
Trotz der innerhalb des Zoowesens längst als problematisch erkannten Überpopulation männlicher Gorillas in europäischen Zoos wird ungehindert weiter drauflos "gezüchtet" (im Zoo Krefeld etwa, in dem derzeit sechs Gorillas leben, sollen gar weitere "Zucht"gruppen aufgebaut werden). Weshalb? Weil Gorillababies garantierte Kassenmagneten sind ("Ach wie süß"). Kommen sie in die Pubertät, müssen die männlichen Tiere aussortiert werden, da Gorillas in Haremsfamilien (1 m und mehrere f) leben, in denen nur ein erwachsener Mann (Silberrücken) geduldet wird. Was tun mit den nun "überflüssigen" männlichen Jungtieren? Nach Zoobetreiberlogik müssen sie getötet werden, da kein Platz für sie da ist beziehungsweise damit Platz geschaffen wird für neue Babys als neue Kassenmagneten. Und das alles unter dem Fähnchen des "Artenschutzes".
Die intern an die Mitgliedszoos der EAZA übermittelten Überlegungen wurden von einem Whistleblower an die britische Tageszeitung The Guardian durchgestochen, so dass sie ans Licht kamen. Sehr zum Missfallen der EAZA, die in ihrem Papier schon die Befürchtung geäußert hatte, das Töten (culling) der überzähligen Gorillas, gleichwohl "das angemessenste Werkzeug" (the most appropriate tool) für Populationsmanagement, könne womöglich auf öffentlichen Widerstand stoßen (the decision could be unpopular with the public).
Und weiter heißt es in dem geleakten EAZA-Papier: "Der hauptsächliche Nachteil dieser Option ist, dass sie in vielen Ländern umstritten ist und in manchen unter bestimmten Umständen sogar illegal. Jede Diskussion über Tötung kann schnell emotional werden, da es leicht ist, sich in Gorillas einzufühlen. Dies trägt ein hohes Risiko in sich, dass eine emotionale Reaktion seitens der Öffentlichkeit und/oder der Zoobelegschaft, vorangetrieben durch Social Media, den Zoos und Aquarien Schaden zufügen könnte". (The main downside of this option is that it is controversial in many countries and in some illegal, in specific circumstances. Any discussion on culling can quickly become an emotional one because it is easy to empathise with gorillas. This carries a high risk that an emotional response by the public and/or zoo staff and keepers, catalysed by social media, inflicts damage to zoos and aquariums.) Eine EAZA-Sprecherin bestätigte dem Guardian, die Option "überzählige" Tiere zu töten sei "Teil des Managementplans".
Massive Kritik
Tierschützer aus aller Welt waren und sind entsetzt. Es folgte massive Kritik an den Erwägungen und Planspielen des europäischen Zoodachverbandes. In einem eiligst veröffentlichten Statement suchte die EAZA die Wogen zu glätten. Wortreich ruderte man zurück und betonte, es sei bislang kein einziger männlicher Gorilla aus Managementgründen getötet worden, und es gebe auch keine unmittelbaren oder mittelfristigen Pläne, das zu tun. Vielmehr führe die EAZA regelmäßig "in die Tiefe gehende interne Diskussionen", um für jedwede Eventualitäten vorbereitet zu sein. Es bedeute dies notwendigerweise, dass auch Sichtweisen und Pläne vorgestellt würden, die man hoffe, nie umsetzen zu müssen.
Vielmehr setze man auf Auswilderung, Kastration und Reduktion der Anzahl weiblicher Tiere in den Haremsgruppen. Da Auswilderungen aus Zoos heraus praktisch unmöglich sind, greifen die Zoos tatsächlich seit 2011 in erster Linie auf Kastration als Mittel des "Populationsmanagements" zurück. Aber selbst für die kastrierten männlichen Gorillas, die gegebenenfalls über die Pubertät hinaus in ihren Ursprungsfamilien verbleiben können oder als "Schwarzrücken" eigene Junggesellengruppen formen, wird es zu eng in den europäischen Zoos. Mehr Haremsgruppen mit jeweils weniger weiblichen Tieren sind auch keine Lösung. Daher die aktuellen Überlegungen des Verbandes.
This is not true
Es sei eine absichtliche und böswillige Falschdarstellung dieser Diskussionen, so die EAZA in ihrem Statement, wenn nun behauptet würde, es sei geplant, solche Überlegungen auch in die Tat umzusetzen. Das sei nicht wahr. Auch sei es irreführend, zu behaupten, die EAZA verlange von ihren Mitgliedszoos, die Tiere verpflichtend zu töten (was zum einen gar niemand behauptet hat und was, zumindest hierzulande, rein rechtlich auch gar nicht machbar wäre: in deutschen Zoos ist das Töten von Tieren aus "Managementgründen" nicht erlaubt; in anderen europäischen Ländern hingegen schon. (Vgl. Giraffenbulle Marius im Zoo Kopenhagen) Der deutsche Zoodachverband VdZ arbeitet insofern seit Jahren daran, die tierschutzrechtlichen Bestimmungen entsprechend aufzuweichen.
Bislang jedenfalls, so die EAZA, werde den Mitgliedszoos das Töten überzähliger Gorillas nicht empfohlen (So far, culling is not recommended...), und es sei unwahrscheinlich, dass sich das in kurzer oder mittelfristiger Zeit ändere. (...this is unlikely to change over the short to medium term). Sollten solche Maßnahmen indes irgendwann einmal erforderlich werden, werde man das "transparent und mit Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung" kommunizieren.
Zusammenfassend gilt: das Töten "überzähliger" Zoo-Gorillas bleibt eine Option, die die EAZA für prinzipiell erwägenswert und möglicherweise notwendig hält. Sämtliche deutschen Zoos, in denen Gorillas gefangengehalten und zur Schau gestellt werden (Leipzig / Frankfurt a. M. / Gelsenkirchen / Rostock / München / Nürnberg / Berlin / Duisburg / Saarbrücken / Stuttgart / Münster / Heidelberg / Hannover / Köln und Krefeld) sind Vollmitglieder der EAZA, unterliegen also deren Maßgaben.
18 Kommentare
Kommentare
Elke P. am Permanenter Link
Und gleichzeitig unterstützt die EAZA die Pläne des Krefelder Zoos, die bestehende "Zuchtgruppe" um Silberrücken KIDOGO um weitere "Zuchtgruppen" zu erweitern.
Manfred am Permanenter Link
Das Herr Goldner etwas gegen die Überlegungen der EAZA hat ist wohl zu erwarten. Warum soll in internen Gedankenspiele nicht auch die Tötung diskutiert werden? Dies gehört m.E. auch zu einer langfristigen Planung.
Gerade jetzt in dieser Coronazeit. Sollte den Medizinern verboten werden sich mit dem Gedanken einer Triage von Patienten zu beschäftigen? Auch diese Überlegungen gehören zu einer langfristigen Planung.
Frank Albrecht am Permanenter Link
Gorillas und Triage bei Coronapatient*innen? Nicht einmal ansatzweise vergleichbar.
Martin Küpper am Permanenter Link
Interessant dass das für Sie nicht ansatzweise vergleichbar ist, während sie selber den Vergleich von der überlegten Kindestötung herbei ziehen. Muss man sich da nicht auch mal selber hinterfragen?
Frank Albrecht am Permanenter Link
Nicht jeder Vergleich ist nun einmal angebracht. Das sie das nicht wahrhaben wollen ist nicht mein Problem.
Antimodes am Permanenter Link
Ja, Gorillas sind eine stark emotionalisierte Art. Primaten sind uns wichtig, sie sind uns evolutionär nah und damit ähnlicher als andere lebende Tiere.
Wenn wir diese Art und ähnliche wie Elefanten, Großkatzen und Eisbären erhalten wollen, müssen wir Individuen töten. Oder wir lassen sie aussterben. Nicht zu handeln ist das Ende dieser Arten, wir müssen uns entscheiden.
Ich habe wenig Probleme damit. Primaten sind mir nicht nur aus Sentimentalität erhaltenswert, die sind auch hervorragende Studienobjekte, um mehr über uns selbst zu erfahren ohne Experimente an der eigenen Art vornehmen zu müssen. Sicherlich mag man es aus Tierethischer Sicht verwerflich finden. Aber dann müssen entweder viele Individuen versorgt werden, welche die Art nicht erhalten oder der Erhalt muss eingestellt werden. Wir müssen unsere Recourcen auch zum Erhalt der schrumpfenden stabilen Ökosysteme reduzieren. Andererseits ist ein Aussterben wahrscheinlich in den nächsten Jahren nicht umkehrbar.
Es ist leicht, mit dem Finger auf die Zucht zu zeigen, aber es muss klar sein, dass die Alternativen auch ihre Probleme haben.
Arterhalt in die Hände von Zoos zu geben ist nur ein Weg. Vorteilhaft ist der Lehrauftrag und die vergleichsweise gute Refinanzierung. Wir könnten auch andere Wege beschreiten. Wer das finanziert, bleibt offen. Statt mehr männliche Gorillas zu erhalten, könnte man auch eine andere bedrohte Art erhalten. An denen mangelt es nicht.
Frank Albrecht am Permanenter Link
Es ist nicht nur aus ethischer Sicht verwerflich ein gesundes nicht-menschliches Tier (hier Gorilla) zu töten.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Und was macht man mit überzähligen Menschen??
Sind die Gorillas die Vorstufe zur Ermordung dieser? oder lässt man diese einfach weiterhin verhungern.
Martin Küpper am Permanenter Link
Es zeigt Mal wieder nicht gerade von Sachlichkeit, wenn in der Überschrift steht dass Zoos etwas planen, wenn dann am Ende des Artikels doch eingeräumt werden muss, dass man sich nur die Option offen lässt es eventuel
Frank Albrecht am Permanenter Link
Ein Plan ist nur eine „gedankliche Vorwegnahme von Handlungsschritten“. Heißt also nicht: man wird es sicher tun oder es ist entschieden. Es ist also nur ein „vielleicht“ oder ein „eventuell wenn“.
Martin Küpper am Permanenter Link
Ich gehe davon aus, dass sie so gut wie ich wissen, dass "planen" suggeriert, dass man zumindest das Vorhaben hat etwas zu tun.
Damit sehen Sie übrigens auch: Vergleiche sind auch möglich, ohne dass man gleich die überlegte Tötung eines Kindes heranzieht, um die (eindeutig nicht geplante) Tötung von Gorillas damit emotional noch weiter aufzubauschen. Das spricht auch erneut wieder nicht für Sachlichkeit, sondern eher für Voreingenommenheit und Kalkül. Es ist aber ja auch gar nicht das Ziel sachlich über die Arbeit von Zoos zu diskutieren, sondern Empörung und Abneigung zu erzeugen. Und dann hat "Zoos planen Gorillas zu töten" halt die bessere Wirkung.
Frank Albrecht am Permanenter Link
Die Überschrift ist noch immer völlig korrekt. Da können sie sich winden wie sie wollen. Eine Planung ist variabel und keine feste Größe.
Viola Egan am Permanenter Link
eine Planung kann auch verworfen werden. Wussten Sie das ?
Frank Albrecht am Permanenter Link
Das kommt davon. Entweder haben sie meine Kommentare nicht gelesen oder meine Kommentare inhaltlich nicht verstanden. Ich schreibe die ganze Zeit davon, dass „Planen“ nichts Festes ist.
Peter am Permanenter Link
Es werden auch jedes Jahr Millionen Tiere in die Schlachthöfe getrieben. Wo ist der Unterschied?
Frank Albrecht am Permanenter Link
Genauso absurd, ungerechtfertigt, unrechtmäßig und kritikwürdig. Aber ihr Whataboutismus ist dennoch keine Rechtfertigung für diese Gorilla-Mordabsichten.
Peter am Permanenter Link
Man kann es auch so sehen: Werden Gorillas gezüchtet, müssen die überschüssigen männlichen Tiere getötet werden. Züchtet man aber gar nicht, werde diese erst gar nicht geboren.
Frank Albrecht am Permanenter Link
Ersetzen sie das Wort „Gorilla“ mit „Menschenskinder“ und ihre Absurdität wird deutlich. Es sei denn sie sind …..