BERLIN. (hpd) Papst Franziskus ist auf mich zugegangen. Nein, nicht nur auf mich. Auf alle Homosexuellen, aber auch auf die Armen, die Benachteiligten und Schwachen. Auf alle, die die katholische Kirche in ihrer Vergangenheit verletzt haben könnte. Da scheint es vielleicht ganz praktisch, dass man nicht ins Detail geht. Es könnte länger dauern, bis diese Liste abgearbeitet ist.
Doch was soll ich nun mit dieser Geste, mit der Handreichung? "Danke und auf Wiedersehen, Herr Pontifex"? Irgendwie wäre mir danach, denn ich weiß nicht wirklich, wie ich mit solch einer öffentlichkeitswirksamen Schau umgehen will. Die katholische Welt steht fast Kopf, aber auch ein bisschen die Protestanten, die Orthodoxen und andere Gläubige. Sie sind begeistert von diesem Schritt, den Franziskus gegangen ist. So emotional, so leidenschaftlich, so selbstlos. Und dann auch noch solch eine Barmherzigkeit, solch eine Gnade!
Ja, genau das ist das Problem. Wieder werde ich den Gedanken nicht los, dass dort ein älterer Mann vor mir steht und dem kleinen, hilflosen und in seiner persönlichen Entwicklung so entglittenen, schwulen Ungläubigen nochmals deutlich macht, wie arm dran er doch ist und dass man über all seine Sünde hinwegsehen könne – denn dieser, der Schöpfungsgeschichte entflohene und verlorene Sohn kann ja eigentlich nichts für seine Situation, er will eigentlich nur spielen, seinen Schnuller zurück und möglichst bald wieder Sex.
Eine Bitte um Verzeihung sieht für mich anders aus. Denn sie ist mit Glaubwürdigkeit verbunden. Mit dem Zugeständnis, dass das, was passiert ist, eben nicht noch einmal vorkommen wird. Bei Franziskus dagegen, da will ich es nicht wahrhaben. Mir scheinen seine ständigen Vorstöße des Samariters wie ein Locken und Reizen mit Zuckerbrot und Peitsche. Eine Entschuldigung, damit die Menschheit jubelt – und dann die Einschränkung, dass man an den Normen eigentlich nichts ändern wolle. Der Schwule, die Lesbe, sie bleiben also irgendwie die Schmuddelkinder, nicht nur der katholischen Kirche.
Es ist eine geschickte PR, die Franziskus da fährt. Er erweckt den Anschein, dass auch Rom die Menschenwürde schätzt und die Homosexuellen entsprechend als Geschöpfe des Herrn respektiert. Ob damit aber ebenso gleiche Rechte verbunden sind, Toleranz und Akzeptanz, damit tut sich nicht nur der Papst schwer. Denn über die konservative Exegese der Heiligen Schrift kann auch er nicht hinwegsehen – und betrachte ich den ehemaligen Erzbischof auf alten Videos, dann wollte er schon damals nicht an der Überzeugung rütteln, wonach Schwule und Lesben per se in der Abkehr von Gottes Wort leben.
Wer um Vergebung bittet, der sollte auch etwas dafür anbieten. Und es ist sicher nicht der herunterschauende Blick des Mitleids, der überzeugt. Es wäre die bedingungslose Annahme, die Jesus eigentlich auch formuliert. Doch Franziskus, aber ebenso viele deutsche Würdenträger, schaffen es nicht, ohne sich noch eine kleine Hintertür offen zu lassen. Erst, wenn sie mit der Gutheißung eines jeden Menschen auch die Freiheit verbinden, die Verantwortung für das – meinetwegen auch gläubig geführte – Privatleben des Einzelnen ohne dogmatische Vorgabe in die Hand des Gegenübers zu legen und gerade dann noch zu ermutigen: "Du sollst ein Segen sein!" (1. Mose 12,2), könnte das was mit Versöhnung werden. Bis es aber so weit kommt, brauche ich wohl wirklich noch ein Leben nach dem Tod.
5 Kommentare
Kommentare
Olaf Sander am Permanenter Link
Erst wenn auf dem Petersplatz ein Denkmal stünde, das Männer und Frauen zeigte, die sich in Liebe homosexuell küssten und der Papst, like Willy Brandt, einen Kniefall vor dem Denkmal machte, erst dann wäre die religiö
Andererseits...
Würde man für alle von der Kirche geknechteten Menschen Denkmäler aufstellen, wäre der Petersplatz wohl voll gestellt und der alte Mann bekäme Kreuzschmerzen.
Wolfgang am Permanenter Link
Nu(h)r wer es glaubt, wird selig!
Die Worte hört ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.
Johann Wolfgang von Goethe
Wolfgang am Permanenter Link
Traue keinem Theologen, er will nur dein Bestes: Dein Geld!
Andreas Leber am Permanenter Link
Das ist eine klare, sachliche und treffende Analyse. Danke, Dennis.
Markus Pfeifer am Permanenter Link
Die Kirche ist und bleibt einfach zeitgeistig. Allerdings hängen sie dem Zeitgeist von vor 50-100 Jahren an. Also, einfach noch ein bisschen warten ;)