Ein kritischer Blick auf die "effiziente Landwirtschaft"

Die Wegwerfkuh

BONN. Die Journalistin Tanja Busse legt mit “Die Wegwerfkuh. Wie unsere Landwirtschaft Tiere verheizt, Bauern ruiniert, Ressourcen verschwendet und was wir dagegen tun können” eine Art “Reportage-Buch” mit kritischen Ausführungen zur Ernährungswirtschaft vor. Es berichtet von Begegnungen und Eindrücken in Kombination mit allgemeinen Beschreibungen und Sachaussagen, wobei es die Autorin irgendwie den Bauern wie den Veganern recht machen will, was nicht richtig gelingen kann.

Die Auswahl unseres Essens hat Konsequenzen für die Gesundheit, für die Klimaentwicklung, für die Tiere, für die Umwelt und für die Wirtschaft. Man kann darüber nicht ständig beim Frühstück, Mittagessen und Abendessen nachdenken. Gleichwohl macht die Bedeutung derartiger Zusammenhänge zumindest gelegentliche Reflexionen zum Thema notwendig. Als Einladung dazu bietet sich das Buch “Die Wegwerfkuh. Wie unsere Landwirtschaft Tiere verheizt, Bauern ruiniert, Ressourcen verschwendet und was wir dagegen tun können” an.

Geschrieben hat es die Journalistin Tanja Busse, die insbesondere zu Landwirtschaft und Verbraucherschutz publiziert. Ihre beiden Bücher “Die Einkaufsrevolution” (2006) und “Die Ernährungsdiktatur” (2010) fanden bereits große Aufmerksamkeit. Alle drei Formulierungen bei der Titelgebung verdanken sich wohl einer Verkaufsstrategie. Gleichwohl kann die Autorin für damit einhergehende Dramatisierungen gute Belege und Kritiken liefern. Dies gilt auch für “Die Wegwerfkuh”:

Ausgangspunkt für ihre Betrachtungen ist der Blick auf die Effizienzsteigerung und Technisierung der Landwirtschaft, die zwar zur Ausweitung der Produktion, aber auch zu Folgekosten in der Wirkung führen. Bei den kritischen Ausführungen dazu geht es Busse nicht um ein “Bauern-Bashing” wie sie vielfach betont. Als Grundposition formuliert sie: “Die moderne industrialisierte Landwirtschaft ist Teil einer Gesellschaft, die als Ganzes einer falschen Wachstumserwartung verfallen ist. Die einer kurzsichtigen Effizienzlogik folgt und die … bei aller Effizienz und Leistungssteigerung mehr Ressourcen verbraucht, als sie an Werten schafft. Deshalb muss die Landwirtschaft ebenso wie die Wirtschaft insgesamt einen neuen Wachstums- und Wertbegriff finden – und das auf eine Weise, die auch ökonomisch nachhaltig ist. Und damit kommen die Bürger ins Spiel, die als nachhaltige, verantwortliche Konsumenten ihren Teil zu dieser Wende beitragen und als Wähler Rahmenbedingungen für diesen Wandel von der Politik einfordern müssen” (S. 17).

In diesem Spannungsverhältnis sei die Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft angesiedelt. Warum dies so ist, wird von Busse dann ausführlich dargelegt: Zunächst geht es um die “Nutzung” der Tiere: “Hochleistungsmilchkühe” halten eine erhöhte Milchproduktion körperlich nur eine begrenzte Lebenszeit durch, danach werden sie als “Wegwerfkuh” geschlachtet und so “entsorgt”.

Der beschworene Effizienz-Gedanke habe denn auch Folgewirkungen: “Ausgerechnet im Bestreben nach effizienterer Milchproduktion werden ganz ineffiziente Wegwerfkühe produziert, während ihre Kälber durch die industrielle Mast ziemlich effizient krank gemacht werden” (S. 105). Ganz allgemeine gehe mit der Effizienzsteigerung auch enorme Verschwendung einher. Betroffen davon seien insbesondere die Tiere. Busse fragt auch nach den Alternativen zu dieser Entwicklung, die für sie der “Effizienzlogik des Neoliberalismus” (Byung-Chul Han) entspricht. Als neue Modelle gelten ihr etwa eine ausgeweitete Direktvermarktung und eine solidarische Landwirtschaft.

Busse legt mit “Die Wegwerfkuh” ein Buch im Reportagestil vor. Einen hohen Stellenwert nehmen die Schilderungen von Besuchen und Gesprächen ein, wobei die dabei präsentierten Beschreibungen immer wieder mit allgemeinen Sachinformationen ergänzt werden. Dies steht einerseits für eine lockere Darstellung und Schreibe, andererseits aber auch für ein Hin-und-her-Schwanken bei Erörterung und Positionierung. Deutlich macht die Autorin, dass die günstigen Nahrungsmittel im Supermarkt noch höhere Preise anderer Art im längerfristigen Sinne haben. Nicht allen bedeutsamen Aspekten widmet sie dabei genauere Aufmerksamkeit wie etwa den Folgen für die Klimaentwicklung. Indessen wird anschaulich die bedenkliche Dimension der Landwirtschaftsentwicklung deutlich gemacht. Busse will es dabei sowohl den Bauern wie den Veganer irgendwie recht machen. Dies kann aber nicht gelingen, denn hier ist die Differenz bezogen auf die “Nutztier”-Frage zu groß. Gleichwohl macht sie in ihrem Buch auch auf Chancen für eine “biovegane Landwirtschaft” aufmerksam.

Tanja Busse, Die Wegwerfkuh. Wie unsere Landwirtschaft Tiere verheizt, Bauern ruiniert, Ressourcen verschwendet und was wir dagegen tun können, München 2015 (Karl Blessing-Verlag), ISBN: 978–3–89667–538–5, 288 S., 16,99 Euro