BERLIN. (hpd) In Dresden müsse man seit über einem Jahr jeden Montag erleben, wie Menschen sich auf Volkssouveränität und Demokratie berufen, die sie jedoch am liebsten – schaut man hinter die öffentlichen Reden – abschaffen würden, so der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) Dresden.
"Unsere Staatsform ist ihnen solange recht, bis sie eine Mehrheit zu ihrer Abschaffung hinter sich scharen konnten. Wer sich heutzutage fragt, wie es zur nationalsozialistischen Diktatur kommen konnte, kann derzeit regelmäßige Live-Aufführungen besuchen", zeigt sich Michael Brade (36), Präsident des HVD Dresden, besorgt und zitiert den Staatsphilosophen Charles de Montesquieu: "Die Tyrannis eines Fürsten in einer Oligarchie ist nicht so gefährlich für das Gemeinwohl wie die Apathie der Demokratie."
Von völliger Apathie könne jedoch zum Glück (noch?!) keine Rede sein. Denn gerade erst zeigten 13.000 TeilnehmerInnen der Menschenkette, dass sie sich gegen Extremismus und Radikale stellen. Der HVD Dresden hatte sich dem Aufruf zur Teilnahme angeschlossen – wohl wissend, dass es ganzjähriger, kontinuierlicher Anstrengungen bedarf, das friedliche und tolerante Miteinander der Menschen zumindest zu erhalten.
Der Humanistische Verband ist der Ansicht, es stünde der Stadt Dresden gut zu Gesicht, sich mit einem dauerhaften Symbol zur Bedeutung der Demokratie zu bekennen, und schlägt daher die Umbenennung der Haltestelle "Am Zwingerteich" (DVB-Linie 11) in "Sächsischer Landtag" vor. Von den Dresdner Verkehrsbetrieben AG konnte man in Erfahrung bringen, dass die hierfür erforderlichen Kriterien erfüllt seien.
Mit ihrem Anliegen habe man sich an Stadtratsfraktionen, Landtagspräsident, das Netzwerk Demokratie und Courage e.V., die DVB AG, den Fahrgastbeirat Dresden e.V. und die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung gewandt, verbunden mit der Hoffnung auf wohlwollende Unterstützung bzw. rasche Umsetzung.
Der Vorschlag wird mittlerweile von den Verkehrsbetrieben und dem Stadtplanungsamt beraten.
4 Kommentare
Kommentare
valtental am Permanenter Link
"Wer sich heutzutage fragt, wie es zur nationalsozialistischen Diktatur kommen konnte, kann derzeit regelmäßige Live-Aufführungen besuchen".
Aber, was der Vorschlag einer Haltestellenumbennung in "Sächsischer Landtag" als "dauerhaften Symbol zur Bedeutung der Demokratie" bringen soll, ist mir völlig schleierhaft. Hat man nicht dringendere Sorgen, als historische Flurnamen durch außer Sichtweite liegende Instanzenbezeichnungen zu ersetzen? Auch gut gemeintes ist leider vor fragwürdigem Aktionismus nicht gefeit.
Michael Brade am Permanenter Link
Schon den ersten Satz des Artikels vergessen?
Der Landtag liegt zum einen in Sichtweite. Zum anderen rücken Namen und Bezeichnungen ins Bewusstsein, woran zu selten erinnert wird, welche Errungenschaft Despotismus und Diktatur entgegengestellt wurden. In Dresden äußerte sich ein CDU-Stadtrat auf den Vorschlag, eine Straße am Landgericht in "Marwa-al-Sherbini-Str." umzubenennen, man könne nicht jedem Gewaltopfer eine Straße widmen. Mit derlei Herabwürdigungen haben wir es vor Ort zu tun!
Darauf muss man mit kontinuierlicher Arbeit zur Toleranzförderung UND mit einzelnen symbolischen, pointierten Aktionen antworten.
valtental am Permanenter Link
Danke für die Erinnerung des ersten Satzes - hatte ich doch tatsächlich am Ende des Artikels schon wieder vergessen.
Der Landtag liegt zum einen in rund 300m Entfernung hinter Gebäuden, und an der Haltestelle sieht man erst mal nicht viel mehr als eben den schönen Zwingerteich...
Zum anderen halte ich grundsätzlich nichts von politisierender Ortsausschilderung, weil ich selbst ungern auf einer Luther- oder Calvin-Straße oder dergleichen wohnen möchte. Da hilft aber nur grundsätzliche Neutralität durch Verzicht an allen Orten. Man kann auch mit Gedenktafeln erinnern, ohne gleich den historischen Stadtplan zu entsorgen. Hier bin ich mehr Historienfan als Demokrat.
Ihre guten Absichten in Ehren, aber ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wie diese symbolische, pointierte Aktion einer Haltestellenumbenennung Passanten den 'Sächsischen Landtag' als Errungenschaft gegen Despotismus und Diktatur ins Bewusstsein rufen soll?
Aber Sie werden dessen ungeachtet sicher erfolgreich sein, weil sich kaum jemand trauen wird, alte Lokalhistorie zu verteidigen, wenn die Demokratie gerettet werden muss. Das würde wohl als zu große Herabwürdigung kritisiert werden.
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Ok, das ist EINE Umbenennung... von so vielen notwendigen.
Ob des anstehenden Lutherjahres bei dem ja sogar von Staats wegen der Juden- und Menschenfeind Luther bejubelt werden soll - ich empfehle dazu die Sichtung des Filmes "Luther einmal anders - Die Dunkle Seite Martin Luthers" (z.B. bei youtube) - stelle ich die Frage, ob man als säkuzlare Szene nicht ob der Unvereinbartkeit der Forderungen Luthers mit einer aufgeklärten Gesellschaft, die Ehrung die ihm durch tausende Luther-Strassen und -Plätze erfährt kritisieren und deren Umbenennung fordern müsste.