ZÜRICH/CH. (hpd) Nachdem Atheisten diese Woche mit Psychopathen gleichgestellt und als grosses Risiko für die Welt bezeichnet wurden, hat sich unser Autor Sandro Bucher die Frage gestellt, was nichtgläubige Menschen sonst noch sind und denken. Um das herauszufinden, hat er sämtliche in der Schweizer Mediendatenbank sowie in Google News archivierten Texte der letzten fünf Jahre durchforstet, die Antworten darauf geben wollen, was Atheisten ausmacht.
"... Atheisten sind auch bloss Menschen. Auch sie suchen letztlich Frieden, wollen geliebt werden und lieben, sorgen sich um den Planeten. Sie glauben an sich selbst und an die Welt. Der Glaube ist der Punkt, wo Atheisten und Gläubige sich treffen. ...", Hindu-Friedenbotschaft Sri Sri Ravi Shankar im Interview mit Die Zeit, 30. Juni 2011.
"... Atheisten sind gebildeter, toleranter und wissen mehr über den Gott, an den sie selbst nicht glauben. ...", Ergebnisse des Pew Center 2010 in einer Umfrage in den USA, Spiegel, 25. Juli 2011.
"... Militante Atheisten haben dafür gesorgt, dass die Religion Erfahrungsbereiche exklusiv für sich beansprucht, die von Rechts wegen allen Menschen gehören – und die für ein säkulares Leben zurückzufordern, uns nicht unangenehm sein sollte. ...", Atheist und Bestsellerautor Alain de Botton, Weltwoche, 16. Februar 2012.
"... Atheisten sind die unbeliebteste Glaubensgruppe der USA. Fast die Hälfte der Amerikaner würde eine atheistische Schwiegertochter oder einen Schwiegersohn ablehnen – aber nur ein Drittel eine muslimische. ...", Ergebnisse einer amerikanischen Studie, Annabelle, 7. März 2012.
"... Bücher dezidiert atheistischen Inhalts landen auf den Bestsellerlisten, atheistische Autoren sind gern gesehene Gäste in Talkshows, Verlage, die bisher vornehmlich Bücher christlicher oder dem Christentum nahestehender Autoren verlegten, bemühen sich eifrig um die Bestseller ausländischer Autoren, wenn deren Programm der Atheismus ist. ...", Religionsphilosoph und Religionswissenschafter Hubertus Mynarek im Interview mit Profil, 25. Mai 2012.
"... Ein auffallendes Merkmal vieler Atheisten ist, dass sie eine katholische Schule besuchten, teils gepaart mit einem liberalen Elternhaus. Die beiden Pole führten irgendwann, häufig noch in der Pubertät, zu einem "Erweckungserlebnis“, das ihnen die Augen geöffnet habe gegenüber einer Realität, in der Kirche und Staat viel enger miteinander verknüpft sind, als das allgemein wahrgenommen wird. ...", Freidenker Ronald Bilik im Interview mit Profil, 25. Mai 2012.
"... Atheisten sind nicht nur von Gott Befreite, sie leben mit anderen Notwendigkeiten, in ihrem Fall mit jener, in allem einzig auf sich selbst, also den Menschen, verwiesen zu sein. ...", Frankfurter Rundschau Online, 21. Juli 2012.
"... Heute haben nicht nur Moslems, sondern auch andere Europäer, die unterschiedlichen Traditionen entstammen oder Atheisten sind, persönliche und kulturelle Prioritäten, die sich nicht in christlichen Werten fassen lassen – und dieser Anteil der Bevölkerung wird weiter steigen. ...", Cicero, 1. September 2012.
"... Religion schafft eine Basis, auf der Fremde gut miteinander auskommen. Nur eine Fraktion entzieht sich gänzlich: die Atheisten. Und sie müssen dafür bezahlen. In mehrheitlich religiösen Gesellschaften sind Atheisten immer diejenige Gruppe, der die Leute am wenigsten vertrauen. ...", Sozialpsychologe-Professor Ara Norenzayan, Spiegel, 22. Dezember 2012.
"... Atheisten sind ansteckend in ihrer Zweifelsucht, und sie fürchten keinen strafenden Gott. Mehr noch, sie finden es ulkig, dass die anderen so unermüdlich in ihren Aberglauben investieren. ...", Spiegel, 22. Dezember 2012.
"... Atheisten verstehen nicht, warum Religionen anstrengend und teuer sind. Sie sehen nur die gigantische Verschwendung von Zeit und Energie. ...", Spiegel, 22. Dezember 2012.
"... Atheisten sind beachtenswert ehrliche Menschen, da sie zu ihren intellektuellen und spirituellen Fragen stehen. Dabei sind sie allerdings gläubiger, als sie wahrhaben wollen, denn sie glauben, dass es keinen Gott gibt. ...", Freikirchler René Christen im Interview mit Migros-Magazin, 11. März 2013.
"... Atheisten sind nicht gut auf Religion zu sprechen, erst recht nicht in England. ...", Basler Zeitung, 15. Mai 2013.
"... Atheisten sind nicht notwendigerweise kämpferische Religionsgegner. Im Gegenteil, viele von ihnen sind offen für spirituelle Fragen. ...", Stefan Huber, Professor für empirische Religionsforschung an der Uni Bern im Interview mit reformiert, 29. November 2013.
"... Atheisten sind in der Regel Einzelgänger. Sie reden nicht mit einer Stimme. Und sie fühlen sich mitunter diffamiert als eigennützig, verbohrt, abgewandt von der Gesellschaft. Sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschliessen und die eigenen Überzeugungen offensiv zu vertreten, verspricht offenbar vielen Abhilfe: ein sichtbares Zeichen dafür, dass man ebenfalls ein gutes und wertvolles Mitglied einer Gemeinschaft sei. ...", St. Galler Tagblatt, 14. Juni 2014.
"... Die ostdeutschen Atheisten sind das beste Beispiel dafür, dass einem Atheisten nichts zu einem guten Leben fehlt. ...", Religionssoziologe Gert Pickel im Interview mit der Reformierten Presse, 14. November 2014.
"... Im Kontakt mit Menschen, die sich Atheisten nennen, ist mir immer mehr aufgegangen, was Menschen zur Kirche hinaustreibt: die Verlogenheit. Wenn sie uns das vorhalten, so sind sie päpstlicher als viele, die sich papsttreu nennen. … Die Atheisten sind uns immer wieder unangenehme Mahner für das, was Papst Franziskus seinen engsten Mitarbeitern kurz vor Weihnachten ans Herz gelegt hat. Es könnte kurz zusammengefasst werden mit den Worten: Was wir beten, zum Leben werden lassen; was wir leben, zum Gebet werden lassen. ...", Schweizer Benediktiner Martin Werlen, Sonntag, 8. Januar 2015
"... Solange Unsicherheit herrscht und die grossen Götter regieren, werden Atheisten gehasst, wie viele Umfragen ergeben haben. Die Frommen fürchten, die Gottlosen könnten sie ausnutzen, da sie nicht an göttliche Regeln gebunden sind. Doch diese Angst wird schnell vergessen, wenn der Staat die strafende Rolle Gottes übernimmt. ...", Sozialpsychologe-Professor Ara Norenzayan, Basler Zeitung, 23. März 2015.
"... Atheisten sind immer Klugscheißer, das unterscheidet sie von den Agnostikern. Agnostiker und Atheisten verbindet ihre Ablehnung religiöser Institutionen. Doch während der Agnostiker die Beschränktheit des menschlichen Erkenntnisvermögens betont und somit eine gewisse intellektuelle Demut offenbart, ist der Atheist restlos von sich und seinem überlegenen Intellekt überzeugt, was ihm nach seiner Überzeugung das Recht gibt, jede Form von Religiosität in den Dreck zu ziehen. ...", The European, 28. Mai 2015
"... Innenminister Thomas de Maizière stellt pauschal urteilend einen direkten Zusammenhang zwischen Fremdenfeindlichkeit und Atheismus her, weswegen mehr Christlichkeit besser wäre. Die Grüne Katrin Göring-Eckardt unterstellt Atheisten kognitive Störungen, weshalb das komplexe Christentum, 'verständlich und lebensnah' vermittelt werden müsse. ...", Berliner Zeitung, 28. Dezember 2015.
"... Wer an Gott glaubt, verwendet mehr Hirnzellen für Mitgefühl als für analytisches Denken. Das Gehirn von Atheisten arbeitet genau andersherum. Dadurch sind sie intelligenter, aber auch kaltherziger. Diese Eigenschaften definieren auch Psychopathen. ...", FOCUS Online, 25. März 2016.
"... Für viele moderne wissenschaftliche Atheisten sind die Religionen etwas, das mit Gottesbeweisen beginnt und von ihnen abhängt. ...", David Gelernter, amerikanischer Informatiker und Netzkritiker im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, 26. März 2016.
9 Kommentare
Kommentare
David am Permanenter Link
Vielen Dank für die Zusammenstellung.
Immer wieder erschreckend zu sehen, was man in den simplen Sacherverhalt, etwas aufgrund fehlender guter Gründe nicht zu glauben, hineinreden kann.
Hans Axel Krämer am Permanenter Link
Würden mehr Gläubige das Alte und Neue Testament lesen, gäbe es wahrscheinlich nur noch Atheisten.
Wolfgang am Permanenter Link
1. April gelle?
Ach doch nicht? Hm, muss aber die Angst groß sein vor den Atheisten, die doch angeblich immer auf der Suche nach Gott sind.
Und im übrigen, die unangenehmen Worte des Jesus wurden dem Jesus in den Mund gelegt, von Menschen, die ihn nicht leiden konnten!
Da gehste doch glatt auf die Knie und bist baff! Tja, so geht nun einmal Christendumm!
Noncredist am Permanenter Link
>> Atheisten sind beachtenswert ehrliche Menschen, da sie zu ihren intellektuellen und spirituellen Fragen stehen.
Atheisten haben keine Notwendigkeit, einen Glauben an eine personelle übernatürliche Entität auszuleben. Sie haben genauso einen "Glauben", dass es keinen Gott gibt, wie Christen einen festen und unerschütterlichen Glauben besitzen, dass es Dionysos nicht gibt ;)
Christen verschwenden keine Sekunde ihres Lebens daran, einen "Nichtgott" zu negieren. Ein Dionysos ist für sie schlicht und einfach "nicht da". Exakt dasselbe geht in einem Atheisten vor. Er denkt und glaubt nicht an einen Nicht-Gott, sondern macht einfach nur nicht das, was die Theisten alltäglich machen (sollten): den religiösen Glauben leben.
>> Die Atheisten sind uns immer wieder unangenehme Mahner für das, was Papst Franziskus seinen engsten Mitarbeitern kurz vor Weihnachten ans Herz gelegt hat. <<
Die Katholische Kirche mahnt lieber mit Worten als mit Taten zu helfen. Machtverlust, wie auch der Verzicht auf die prunkvolle Ausstattung des katholischen Glaubens, sind bekanntlich keine akzeptable Themen des katholischen Glaubens. Daran wird sich auch so schnell nichts ändern.
>> Innenminister Thomas de Maizière stellt pauschal urteilend einen direkten Zusammenhang zwischen Fremdenfeindlichkeit und Atheismus her, weswegen mehr Christlichkeit besser wäre. <<
Zwischen Fremdenfeindlichkeit und das Tragen einer Kleidung lässt sich ebensoschnell einen Zusammenhang feststellen. Der hochintelligente Schluss daraus, sofort auf Kleidung zu verzichten, wird merkwürdigerweise wohl kaum diskutiert werden wollen, oder? ;)
>> Die Grüne Katrin Göring-Eckardt unterstellt Atheisten kognitive Störungen, weshalb das komplexe Christentum, 'verständlich und lebensnah' vermittelt werden müsse. <<
Natürlich besitzen Atheisten eine "kognitive Störung", was ihnen bei der Akzeptant einer übernatürlichen Entität ständig dazwischenfunkt. Alles irgendwie schon nachgewiesen. Irgendwo.
Das Anhänger des komplexen Christentums (welche im Augenblick 'verständlich und lebensnah' Flüchtlingen das Leben so schwer wie möglich machen möchten) im Bezug zu sämtlichen *anderen* Religion dieser Welt exakt die selben "kognitiven Störungen" aufweisen, dürfte vernachlässigbar sein. Vor nicht allzulanger Zeit hatte das komplexe Christentum eine klar verständliche und lebensnahe Methode entwickelt, dem ein Ende zu setzen: den Zwang. Notfalls half noch etwas Gewalt und die Androhung des baldigen Lebensendes auf einem Scheiterhaufen nach. Gute Methoden, "kognitive Störungen" zu therapieren, nicht wahr? ;)
>> Wer an Gott glaubt, verwendet mehr Hirnzellen für Mitgefühl als für analytisches Denken. Das Gehirn von Atheisten arbeitet genau andersherum. Dadurch sind sie intelligenter, aber auch kaltherziger. Diese Eigenschaften definieren auch Psychopathen. <<
Es korreliert anscheinend, das mag stimmen. Aber ist die Ursache der Kaltherzigkeit tatsächlich im intensiveren analytischen Denken zu suchen?
In manchen Ortschaften, zum Beispiel Saudi-Arabien oder dem IS, ist der Glaube weit verbreitet. Es dürfte dort mehr Gläubige geben als Ungläubige. Ich bin gespannt, wie man hier eine Studie darlegen würde, dass der Glaube an Gott mehr "Empathie-Gehirnzellen" stimuliert als der Unglaube :)
Es dürfte sich auch kaum bestätigen lassen, dass in durch Wissenschaft geprägten Familien eine höhere Empathielosigkeit finden lässt, als in anderen Familien.
Ich bin der Meinung, dass das Mitgefühl, die Empathie, als Resultat einer komplexen Handlung im Gehirn, aber nicht ausschließlich an der spezifischen "Empathie-Zelle" messbar, unter Anderem von der Bildung, den sozialen Strukturen, der Erziehung, der Ausprägung des Charakters sowie auch von der Anzahl und Nutzung der Spiegelneuronen, wie auch von unzähligen chemischen Wirkstoffen im neuronalem Bereich abhängig ist. Einen Zusammenhang monokausal an der roten Färbung einer Gehirnregion festzumachen, dürfte für jeden ernstzunehmenden Wissenschaftler eine Peinlichkeit sondergleichen sein.
Aber es erzeugt Klicks auf Webseiten, und dies erfreut die Werbeindustrie. Führt zur vermehrten Ausschüttung von Glückshormonen im Körper. Sollte man dann die These implizieren, dass Drogenkonsumenten, Selbstbefriedigung wie auch der Focus irgendwie in einem kausalem Zusammenhang stehen? ;)
Hans Trutnau am Permanenter Link
Meine Güte - so viele Worte für eine einfache Sache, die Abwesenheit von Göttern. Selbst am 1. April.
Kay Krause am Permanenter Link
Dass ich richtig gelegen habe damit, den Intelligenzquotienten von Herrn de Maiziere nicht allzu hoch einzuschätzen, das bestätigt er ungefragt mit seinem Kommentar (s.o.)
Thomas am Permanenter Link
"Atheisten sind immer Klugscheißer, das unterscheidet sie von den Agnostikern."
---
Sven am Permanenter Link
"Die Grüne Katrin Göring-Eckardt unterstellt Atheisten kognitive Störungen, weshalb das komplexe Christentum, 'verständlich und lebensnah' vermittelt werden müsse. ..."
Genau. Z.B. so verständlich wie das Titelbild der meisten Kinderbibeln, auf dem sich auf einem netten Holzbötchen lauter glückliche Tierpärchen tummeln (während um sie herum der Rest der "Schöpfung" elendig ersäuft).
Das ist vermutlich die "Komplexität" der Liebe des christlichen Gottes, die uns Atheisten nach Meinung von Frau Göring-Eckardt entgeht.
Jedesmal, wenn ich so eine Kinderbibel sehe, könnt' ich mich übergeben.
Robert Harfmann am Permanenter Link
Thomas de Maizière scheint das vermeidliche Monopol über Emotionen und Moral, das Religionsgemeinschaften weitgehend widerstandslos an sich gerissen haben, noch nie hinterfragt zu haben.
Agnostiker sind mehrheitlich inkonsequente Atheisten. Noch habe ich keinen Agnostiker getroffen der diese "ich kann die Existenz nicht ganz ausschließen daher möchte ich mich nicht festlegen" Einstellung auch dem Osterhasen oder dem Weihnachtsmann gegenüber vertreten würde obwohl die empirische Beweislage ist gleich dünn ist wie bei einem irgendwie gearteten Gott. Es bleibt noch viel zu tun!