Protest und Wirkung

Bundeswehr ließ Kinder an Handfeuerwaffen

BERLIN. (hpd) Gestern wurde bekannt, dass bei einem "Tag der Bundeswehr" schon Kleinkinder mit Maschinenpistolen und Gewehre hantieren durften. Das jedoch verstößt gegen die Richtlinien des Verteidigungsministeriums. Friedensaktivisten und Kinderrechtler sprechen von einem Skandal.

Am 11. Juni 2016 fand an 16 Standorten der "Tag der Bundeswehr" statt. In Kasernen und Innenstädten präsentierte sich die Armee und warb um Zustimmung und neuen Nachwuchs. Wie jetzt bekannt wurde, hat die Bundeswehr dabei Grenzen überschritten. Auf Fotos vom "Tag der Bundeswehr" im baden-württembergischen Stetten sind Vorschulkinder mit Handfeuerwaffen zu sehen: Ein Kind bestaunt ein Scharfschützengewehr vom Typ "G28", ein anderes hat eins der umstrittenen "G36"-Gewehre in der Hand. Weitere Bilder zeigen ein Kind mit einer "P8"-Pistole und die Einweisung eines Kinds an einer Maschinenpistole vom Typ "MP7" – alles Waffen des Herstellers "Heckler & Koch".

Ein für Soldaten bindender Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung seit 2011 verbietet jedoch, bei Armee-Veranstaltungen Personen unter 18 Jahren an Handfeuerwaffen zu lassen: "Es ist erschrecknd, dass zur Nachwuchswerbung selbst die eigenen Richtlinien außer Acht gelassen werden", so Roland Blach von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK). Überrascht ist Blach von dem Vorfall aber nicht: "Die Bundeswehr spricht junge Menschen heute gezielt wegen ihrer Technikbegeisterung mit Waffen an", so der Friedensaktivist. Im Gegensatz zum Hantieren mit Kleinwaffen erlaube es das Verteidigungsministerium sogar, dass Kinder in Panzer, Kampfjets oder anderes militärisches Großgerät steigen.

Dieser neue Skandal heizt die Debatte über den Umgang der Armee mit Kindern und Jugendlichen wieder an. Seit Jahren kritisieren Kinderrechtler und Friedensaktivisten, dass die Bundeswehr jährlich über 1.300 Minderjährige an der Waffe ausbildet. Ralf Willinger vom Kinderhilfswerk terre des hommes bezeichnet das Verhalten der Bundeswehr als "inakzeptabel": "Wir werden den Vorfall dokumentieren und an den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes weitergeben. Dieser UN-Ausschuss hat Deutschland schon 2014 aufgefordert, die Rekrutierung Minderjähriger einzustellen und Militärwerbung, die auf Kinder und Jugendliche abzielt, zu verbieten", so der Kinderrechtler. Willinger fordert die Bundesregierung auf, die Forderung der Vereinten Nationen endlich umzusetzen. Die Bundeswehr sei nur noch eine von wenigen Armeen weltweit, die Unter-18-Jährige bei sich aufnehme. "Zudem sollte das Verteidigungsministerium Konsequenzen gegen die Verantwortlichen für die Vorfälle in Stetten einleiten, die gegen den Ministeriumserlass von 2011 verstoßen haben", so der Kinderrechtler.

Beim neuerlichen "Tag der Bundeswehr" stand die Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen durch die Armee besonders im Fokus der Proteste, wie Marvin Mendyka berichtet. Er ist beim Netzwerk Friedenskooperative aktiv, welches die Gegenaktionen an dem Armee-Werbetag gemeinsam mit der DFG-VK und weiteren Friedens-Organisationen koordiniert hat. "Wir fordern nicht nur die Abschaffung des 'Tags der Bundeswehr', der reine Propaganda ist, sondern von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auch ein Ende der Rekrutierung von 17-Jährigen", so der junge Friedensaktivist. Mendyka und andere Aktivisten haben bei ihren Aktionen daher auch Unterschriften für die seit Februar laufende Kampagne "Unter 18 nie" gesammelt, die auch online auf www.unter18nie.de unterzeichnet werden kann: "Der neue Skandal um Kinder an Handfeuerwaffen zeigt, wie nötig es ist, das Thema anzugehen."

Nach aktuellen Medienmeldungen ermittelt die Bundeswehr auf Grund der Proteste bereits gegen die Soldaten, die am Wochenende kleine Kinder bei einem Tag der offenen Tür in Baden-Württemberg entgegen klarer Vorschriften mit Waffen der Truppe spielen ließen.