Patientenverfügungen sollten so konkret wie möglich formuliert sein. Das betont in einer Pressemitteilung vom Dienstag der Bundesgerichtshof (BGH), weil sich drei Schwestern stritten, ob die Mutter eine künstliche Ernährung noch gewünscht hätte oder nicht.
Wer seine Bevollmächtigten dazu verpflichten will, ihn in bestimmten Situationen sterben zu lassen, muss konkret für diese Situation die ärztlichen Maßnahmen beschreiben: "Eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB (s. DGHS-Flyer 'Die wichtigen Gesetze') entfaltet unmittelbare Bindungswirkung nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können.
Von vornherein nicht ausreichend sind allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen aber auch nicht überspannt werden. Vorausgesetzt werden kann nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Die Äußerung, 'keine lebenserhaltenden Maßnahmen' zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung." (Az: XII ZB 61/16 vom 6. Juli 2016).
Eine sichere Patientenverfügung in Schriftform dokumentiert den Willen des Patienten für Behandlungswünsche, sichert das Selbstbestimmungsrecht und bindet den Arzt. Seit dem 1. September 2009 ist dies durch das sog. "Patientenverfügungs-Gesetz" (BGB § 1901 a, § 1901 b, § 1904) auch im Zivilrecht verankert.
Patientenverfügungen der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) sind bereits seit Jahren entsprechend konkret und rechtssicher konzipiert. In der laufend aktualisierten Patientenschutz- und Vorsorgemappe der DGHS sind die nötigen Formulare enthalten, für Mitglieder ist die Mappe, die Beratung, Hinterlegung und der Rechtsschutz auf die hinterlegten Verfügungen im Mitgliedsbeitrag enthalten, Nicht-Mitglieder können die Mappe gegen eine Schutzgebühr von 10 Euro (Vorkasse erbeten) in der DGHS-Geschäftsstelle anfordern.
Wer sicher gehen will, dass der verfügte Wille befolgt wird, sollte mit allen beteiligten nächsten Angehörigen dieses Thema durchsprechen. Im konkreten Fall, über den der BGH zu entscheiden hatte, waren die beiden übrigen Töchter anderer Ansicht als diejenige Tochter, die von der Patientin bevollmächtigt worden war.
2 Kommentare
Kommentare
Frank Spade am Permanenter Link
Die Bundeszentralstelle Patientenverfügung berät auch Nichtmitglieder kostenlos und erstellt nach Ihren Angaben eine konkrete Patientenverfügung, inklusive Vorsorgevollmachten und einem Hinweiskärtchen zum Bei-sich-tr
Die Unterlagen sind kostenlos online zu finden (www.patientenverfuegung.de) und direkt nutzbar. Es kann dort auch online ein Fragebogen ausgefüllt werden (https://patientenverfuegung.de/standard/), der als Grundlage zur Erstellung einer konkreten Patientenverfügung dient, die dann per Post unterschriftsreif, in zweifacher Ausfertigung zugesandt wird. Der Fragebogen basiert auf den Empfehlungen des Bundesjustizministeriums, ist aber entsprechend späterer Gesetzesvorgaben und Rechtsprechung immer weiter entwickelt worden.
Es reicht nicht, nur mit den nächsten Angehörigen über seine Wünsche zu sprechen. Durch Vollmachten muss festgelegt werden, wem gegenüber die Ärzte von der Schweigepflicht entbunden sind, denn Angehörige sind nicht automatisch bevollmächtigt. Die Bevollmächtigten sind dann beauftragt den Willen des Patienten zur Kenntnis und Geltung zu bringen. Das müssen keine Angehörigen, sondern können auch Freunde oder Lebenspartner sein.
g.neumann am Permanenter Link
Es handelt sich beim BGH-Beschluss um nicht weniger als einen Angriff auf die Selbstbestimmungsrechte von Millionen von Menschen!
Eine 75-Jährige, die vorher glaubte, bei der Vorsorge alles richtig und sorgfältig geregelt zu haben, wird in einem erschreckenden Zustand jahrelang am Leben erhalten. RA Putz, der die unterlegene Partei vor dem BGH vertreten hat, beschreibt ihren Zustand in drastischen Worten: Patient/innen im Zustand wie dem der Betroffenen sähen nicht etwa schlafend aus: "Der Körper ist nicht dafür gemacht, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr regungslos dazuliegen. Diese Menschen sehen meistens grotesk deformiert aus, es ist ein furchtbares Bild", so Putz. Es handelt sich beim BGH-Beschluss um einen neuerlichen Eingriffsversuch in Richtung mehr Lebensschutz und ein Nicht-Sterben-Lassen!
Diesen Vorgang zum Anlass für eine Werbung zugunsten von DGHS-Materialien (für 10 Euro „Vorkasse“, wie es im Beitrag heißt) zu nehmen, verbietet sich im hpd absolut – es sei denn gekennzeichnet als Werbung oder PM einer Organisation. Stattdessen wäre auf den folgenden Zusammenhang hinzuweisen:
Es ist alles andere als ein Zufall oder ein Versehen, dass in der vom BGH beanstandeten Patientenverfügung der konkrete Verweis fehlte, die künstliche Ernährung zu unterlassen. Es handelte sich um den Text der Evangelischen Landeskirche Bayern. Auch im gemeinsamen Muster der Bischofskonferenz und der EKD (sog. „Christliche PV“) fehlt diese Bestimmung. Natürlich, weil auf darauf eben nicht verzichtet werden soll – erst recht nicht bei dauerhafter Bewusstseinstrübung oder im Koma.
Aber: Im zu verhandelnden Fall hätte der BGH es als völlig hinreichend beurteilen können und müssen, dass die bedauernswerte Pflegeheimbewohnerin sterben darf, indem sie nämlich verfügt hatte: keine lebensverlängernden Maßnahmen bei schweren Gehirnschädigungen. Dies wäre wohl angesichts der eingetretenen Lage (s.o.) als absolut hinreichend verbindlich anzusehen gewesen. Und dass es seitens des BGH nicht eben geschah, hätte im hpd-Beitrag problematisiert werden müssen.
Gita Neumann (Humanistischer Verband Deutschlands)