Deniz Y. Dix ist "Gegenpapst" und Oberhaupt der Religionsgemeinschaft "Die RELIGION". In einem exklusiven hpd-Interview spricht er über die Glaubensgrundsätze seiner Religion, über das lukrative Geschäft mit dem Aberglauben und über aktuelle Projekte.
hpd: Lieber Herr Dix, Sie sind "außerparlamentarischer Gegenpapst" und Oberhaupt der satirischen Religionsgemeinschaft "Die RELIGION". Ihr Künstlername lautet "Papst Propagandalf I". Wie kamen Sie zu diesem hohen Amt?
Im Vierjahrestakt wird dieses hohe Amt durch das Spiel "Die Reise nach Jerusalem" vergeben. Weil das erste Konklave 2013 in der Gründungsnacht stattfand und außer mir noch keiner von der RELIGION wusste, konnte ich leicht den Sieg erringen. Bevor ich aber näher auf Ihre Fragen eingehe, lassen Sie mich doch lieber ein paar interessante Fragen beantworten. Zum Beispiel, wozu ich dieses Amt überhaupt antreten wollte. Nun, seien wir ehrlich: Ich brauchte dringend irgendeinen Job. Als Faulenzer mit Immatrikulations-Hintergrund hat man es auf dem Arbeitsmarkt eben nicht leicht. Als Betäubungsmittelkaufmann im Außendienst bin ich kläglich gescheitert, also gab es nur noch ein Business, indem eine durch und durch verdorbene Kreatur wie ich ein Zuhause finden konnte: Die Religion. So wurde ich kurzentschlossen Papst.
Inwiefern unterscheiden Sie sich von den katholischen Päpsten?
Nur geringfügig. Zum Beispiel vertrete ich Martin Sonneborn auf Erden. Nicht Gott. Ich interessiere mich sexuell eher für ältere Menschen. Und ich bin authentisch: Statt fadenscheinige, warme Worte auf mein offenkundig niederträchtiges Gefolge rieseln zu lassen und die Vergebung eines kosmischen Spanners zu verscheuern, sage ich ganz offen, was andere Päpste verschweigen: Ich verkaufe immaterielle Lifestyle-Produkte zu horrenden Preisen und interessiere mich einen feuchten Dreck um die Belange des Pöbels.
Was sind die Glaubensgrundsätze Ihrer Religionsgemeinschaft?
Die RELIGION ist eine kundenorientierte Service-Religion. Bei uns darf jeder an beliebige Inhalte und Götter glauben und muss sich nur an selbstausgedachte, individuell und autonom erwogene Bräuche und Gebote halten. Das hat nichts mit Aufgeklärtheit zu tun, ich will mich nur nicht zu viel Arbeit damit machen, mir solche Mythen selbst auszudenken. Sie glauben an den Weihnachtsmann? An die unsichtbare Hand des Marktes? Das Nudelmonster? An die Götterkarten aus Yu-Gi-Oh? Noch absurder: An das sich selbst? Alles kein Problem. Solange ihr Geldbeutel offen steht. Wer bin ich, jemandem vorzuschreiben, was er zu tun und zu lassen hat? Der Papst? Nein. Unser Anspruch ist es, bestehende Glaubensrichtungen in uns zu vereinigen, indem wir jedem einen warmen Platz bieten, wer oder was immer er auch ist. Das bedeutet langfristig natürlich das Ende jedes religiösen Konflikts, zusätzlich zu meiner gesicherten Altersvorsorge. Quasi als positiver Nebeneffekt.
Das klingt alles recht beliebig. Was können Sie Menschen anbieten, die sich nach geregelten Strukturen, Sicherheit und einer vorgegebenen Orientierung sehnen?
Priestertum ist das Handwerk, im richtigen Moment im Weg rumzustehen und die Hand aufzuhalten. Das erfordert natürlich ein hohes Maß an moralischer Flexibilität. Wer also mit fester Hand geführt werden will, dem bieten wir unsere Offenbarungsschrift als zwingendes Dogma an. Diese ist als frei editierbares Wiki im Internet verfügbar. Derzeit beinhaltet es zum Beispiel knapp 580 Gebote. Die meisten davon hat ein Nutzer aus der Satzung der Jungen Liberalen plagiiert. Einige stammen aber auch aus Songtexten, Mikrowellen-Benutzungsanleitungen, Zubereitungshinweise auf Fertiglasagne, Interviews mit Lukas Podolski, jeder einzelne Tweet von Hans-Christian Ströbele seit Kriegsende (der 1. Weltkrieg), und so weiter. Gott steckt schließlich in allem und spricht auch durch die kleinen Dinge zu uns. Jedenfalls warten auf jedes neue Mitglied unbegrenztes Freibier, lebenslanges Gratis-Tanken und viele weitere falsche Versprechungen.
Warum widmen Sie sich als Satiriker dem Thema Religion?
Nun, vor einigen Jahren arbeitete ich für ein religionskritisches Satiremagazin und werkelte an einer Story über die frühen Finanzierungsmechanismen der Weltreligionen. Und im Laufe der Recherche wurde mir mehr und mehr bewusst: Das ist brillant! Eigentlich … eigentlich sollte man … Nun ja. Sie wissen, wie der Gedankengang zu Ende geht. Also habe ich die Seiten gewechselt und über die Jahre eine Menge Zaster in meine Taschen gewirtschaftet. Ich würde daher nicht sagen, ich sei noch Satiriker. Ich betreibe das altehrwürdige Geschäftsmodell mit altgedientem Ernst, und das viel konsequenter als vergleichbare Glaubenskonzerne. Es ist dasselbe in offensichtlich: Ich bereichere mich auf Kosten anderer und verzapfe dafür metaphysischen Unfug. Das weiß jeder. Weil ich es nicht verheimliche, ist es aber weniger obszön. Manchmal lese ich aus Dieter Bohlens Autobiographie vor und überspringe jedes zweite Wort. Und doch bleibt mehr Inhalt hängen als bei der Konkurrenz. Man könnte also sagen: Das regelt der Markt: Wir haben das gleiche Angebot, sind aber billiger.
Sollte man auf die Gefühle von religiösen Menschen Rücksicht nehmen?
Ja, aber nicht umsonst. Schließlich jammere ich auch nicht herum, wenn jemand meine atheistischen Gefühle verletzt. Aber für einen kleinen Obolus … Da fällt mir ein, brauchen Sie Ablassbriefe?
Vor wenigen Tagen haben Sie sie das antireligiöse Satireprojekt www.goetterbote.net gestartet. Was steckt dahinter?
Geldschneiderei. Die meisten Konkurrenzreligionen haben das gewaltige Marktpotenzial des Internets noch nicht für sich entdeckt. Wo bleibt "Papst Franziskus plays Minecraft Teil 543"? Wo bleibt das "Bundeslade unboxing"-Video? Wieso ist nirgends ein Foto von Ajatollahs Frühstück? Wir wollen in diese Nische preschen, bevor es jemand anderes tut, und tarnen unsere Propaganda daher als satirische Artikel. Die werden in den sozialen Medien geteilt ohne Ende, und das spült Asche in meinen Geldbeutel. Dass ich damit von zuhause aus indiskutabel gefährliche Botschaften direkt in alle deutschen Kinderzimmer senden kann, ist nur einer der Vorteile.
Zuletzt eine persönliche Frage: Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach ihrem Job als Gegenpapst? Werden Sie wie Joseph Ratzinger einfach in den Ruhestand treten?
Heikles Thema. Wir praktizieren eine mafiaorientierte Mitgliedschaftspolitik, insofern ist ein Rück- oder Austritt bei uns nur durch Erbringung gewisser Opfer möglich. Die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten sind als Papst eher gering, wenn man nicht gleich Blasphemie betreiben will. Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich ewig im Amt bleibe. In Zukunft werde ich mehr Füße waschen (ein kleiner Fetisch von mir), und auf Expansion in die Breite hinarbeiten. 5.500 Brüder und Brüderinnen folgen der RELIGION aktuell, da ist noch Raum für Verbesserung. Bis zum Jahre 2025 wollen wir die symbolisch wichtige 5.501-Marke knacken.
Über die Person
Deniz Yusuf Dix (meist Deniz Y. Dix, * 8. August 1992 in Freiberg) ist ein deutscher Politiker, Satiriker und religionskritischer Aktivist. Er ist Landesvorsitzender der Partei Die PARTEI in Rheinland-Pfalz.
8 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich halte dieses Interview für ein Fake, das ich so dem hpd und vor allem Florian Chefai nicht zugetraut hätte.
Die Kerngeschichte ist nämlich 1:1 eine Übersetzung der jüngst im neben dem Mutterschiff dümpelnden Vati-Kahn aufgefundenen Autobiographie des heiligen Clemens, des ersten Papstes, der sich persönlich Petrus, Linus und Anaklet ausgedacht hat. Das Ganze wurde wohl nur noch ein wenig mit modern klingenden Namen, wie Podolski oder Bohlen oder legendhaft klingenden wie Ströbele aufgehübscht, um jüngere Leser zu verwirren.
Das ist reine Effekthascherei. Das verschollene Werk des heiligen Clemens, in dem er seine Strategie zum Ausbau des Christentums offenbart, derart in den Schmutz billiger Polemik zu ziehen, ist eines Pressedienstes unwürdig.
Auch der Versuch eines plump gephotoshopten Bildes mit dem jungen Mann, dem der echte Stab Moses in die Hand retuschiert wurde, ist an Lächerlichkeit nur noch von der Behauptung zu toppen, es gäbe keinen Gott - auch wenn das muslimische Glaubensbekenntnis genau so beginnt.
Dieser Stecken und Stab hat einst ein Meer geteilt und Mose in einsamen Nächten Trost gespendet - zumindest, als er noch nicht an Hämorrhoiden litt. Sich für eine verabscheuungswürdige PR-Kampagne an diese glorreichen Momente der Menschheitsgeschichte zu hängen, ist einfach nur billig und erregt meine tiefste Abscheu.
Wer keine anständige Hölle anzubieten weiß, zumindest für Ministranten, die allein mit ihrem kinderlieben Priester in der Sakristei weilen, der sollte sich aus dem religiösen Geschäft heraushalten.
Der heilige Clemens hat zwar die gleiche Marschrichtung vorgegeben, aber die wurde wenigstens von den späteren Kreuzrittern konsequent umgesetzt. Scheiterhaufen kann man auch nicht mit Räucherstäbchen betreiben. Wo geglaubt wird, da fallen Köpfe. Kernig will es der Gläubige vom Papst, selbst von Gegenpäpsten, von denen es auch genügend in der Menschheitsgeschichte gab.
Der hpd sollte sich in Zukunft derart durchschaubarer Fakes enthalten, die nur dazu geeignet sind, die Leser zum Lachen zu bringen und das erzeugt jämmerliche Bauchschmerzen, die aber als Selbstgeißelung offiziell nicht anerkannt sind. Da erwartet der Schöpfer in Abrahams Wurstküche schon deftigere Leistungen zur Sühne angeborener Sünden.
Paul am Permanenter Link
Herr Kammermeier, es ist jetzt Freitag gegen 21:38Uhr und ich gebe zu, den ganzen Tag nicht so herzhaft gelacht zu haben, wie eben, danke sei Ihnen und unserem neuen Papst 4.1. Wann gibt es ein Update?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Ich will ja kein Spielverderber sein, aber ich ziehe das Original vor und gehe ab und zu auf die Internetseite von Radio Vatikan. Im übrigen hat B.
diese weichgespülte katholische Hölle lockt doch keinen überzeugten Sadisten mehr hinterm Ofen vor. Außer Ablassbriefen würde ich noch Strafverschärfungsbriefe verkaufen, mit denen man einen Scheißkerl
vom Fegefeuer direkt in die Hölle befördern kann. Das wär doch was !
mit teuflischen Grüßen
little Louis am Permanenter Link
Ihr Ahnungslosen !
Für das " RIPD (=Rest in Peace) Department bin ich aber vermutlich schon etwas zu alt. Obwohl, wenn ich so überlege: Es gibt dort ja die Möglichkeit sich von (ganz- ganz-) Oben eine jüngere körperliche Erscheinungsform verpassen zu lassen.
Mal überlegen.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Mit der "körperlichen Erscheinungsform" sprechen Sie ein wichtiges Problem an, über das ich anlässlich von "Maria Himmelfahrt" angestrengt nachdenken musste: Wie alt war sie eigentlich bei dieser &
Harald Freunbichler am Permanenter Link
Der Mann ist ein Schwindler. Der Papst bin ich. Moralvorschriften bitte aktiv anfordern. Amen.
pavlovic am Permanenter Link
Wer nochmals lachen möchte der schaue in einer Suchmaschine nach folgenden Worten "Vatikan verkündet Selbstauflösung", "Jesus beim Eintritt in die Atmosphäre verglüht", "KS erklärt sich solida
Kay Krause am Permanenter Link
Abendgebet eines Suchenden.
Ich möchte zusammen mit hundert gezählten Schafen
und der heiligen Mutter Maria im Arm einschlafen.
Ich würde sie lehren,
mich zu begehren,
und sie in unbekannten Sphären
zum Atheis- und Sexismus bekehren.
Ich möchte, dass mir einmal im Leben der Papst begegnet,
und mit warmer Hand meinen Penis segnet,
so wie's bei Mesnerbuben mancher Priester sehr begehrt,
weil ihm von Gott ein Weib verwehrt.
Und imgrunde wäre daran auch nichts verkehrt:
dem Papst kann's nicht schaden und es hat sich katholisch bewährt.
Ich möchte - ich möchte - ich wünschte so viel:
der wahre Geisterglaube, das wäre mein Ziel.
Das Problem: zu groß ist die Zahl der "wahren" Geister.
Und darum glaube ich weiter an - Scheibenkleister!