Kommentar

Papst Franziskus in Straßburg umjubelt

BERLIN. (hpd) Papst Franziskus erfreut sich wegen seiner unkonventionellen und offenen Art, auf die Menschen zuzugehen und mit ihnen zu reden, relativ großer Beliebtheit. Und in der Tat – im Gegensatz zu seinem Vorgänger machen ihn seine Worte und sein Verhalten zu einem Menschen, dem in breiter Front Sympathie entgegenschlägt. Aber ist seine nach außen gezeigte erfrischende Offenheit wirklich ehrlich?

Seine Straßburger Rede jedenfalls zeigte für mich Züge des Heuchlerischen. Er glaubt, den Abgeordneten ins Gewissen reden zu müssen und klagt ihre mangelnde Bereitschaft an, den in Not befindlichen Menschen aus Afrika wirksam zu helfen. Aber was tut er und seine so reiche, so mächtige und so einflussreiche Kirche?

Wenn es ihm ernst ist mit seinem Mitgefühl und seiner empfundenen Verpflichtung zu helfen, hätte er dann seinen Besuch im Sommer 2013 auf Lampedusa nicht zu mehr als nur einer symbolischen Geste nutzen können und nutzen müssen?

Nur Beten und einen Kranz für die Opfer spendieren, schafft beeindruckende Bilder für das Fernsehen, stellt aber keine Hilfe für die Opfer dar. Ich frage mich, hat sein treuer und ergebener Blick nach oben auch nur einen Hauch Besserung für die afrikanischen Flüchtlinge gebracht?

Seine Anklagen in Straßburg hätte er mit mehr Glaubwürdigkeit vertreten können, wenn er letztes Jahr auf Lampedusa konkret gezeigt hätte, was seine Institution mit ihren enormen wirtschaftlichen und finanziellen Ressourcen – man denke nur an den riesigen Grund- und Immobilienbesitz der katholischen Kirche weltweit! – und ihre etwa 1,2 Milliarden Mitglieder beizutragen gewillt ist. Er hätte zum Beispiel Land zur Verfügung stellen, hätte leer stehende Kirchen anbieten, hätte Häuser und Räume – und wenn auch nur vorübergehend – zur Linderung der aktuellen Not verfügbar machen können. (Nur ein Beispiel unter vielen: Etwa ein Viertel bis ein Drittel der Immobilien Roms befinden sich im Besitz des Vatikan!)

Schlimmer noch ist, dass die katholische Kirche über ihre vielen gewinnbringenden Beteiligungen an Firmen rund um den Globus dazu beiträgt, den afrikanischen Kontinent auszuplündern und damit das Elend dort zu vergrößern. Das rigide Kondomverbot fördert die Ausbreitung von Aids, was wiederum unzählige Familien zerstört und oft nur Waisenkinder zurücklässt. Alles das trägt dazu bei, eine Gesellschaft zu zersetzen und zu demoralisieren und Hunderttausende, bald Millionen von Menschen in die Flucht zu treiben. Hat diese hochgejubelte moralische Autorität je dazu beigetragen, die Ursachen des Elends dieses Kontinents zu bekämpfen, überhaupt wenigstens einmal zu benennen?

Er kritisiert in gekonnter moralischer Attitüde den Kapitalismus, aber seine Vatikanbank lebt genau von diesem System und betreibt Geldgeschäfte, die oft genug auf dubiose, wenn nicht kriminelle Weise abgewickelt wurden. (Die seriöse FAZ sprach am 25.9.13 wörtlich von den “Halunken der Vatikanbank”.)

Der Vatikan pokert mit seinen dreistelligen milliardenschweren Finanzreserven an der Wallstreet, wo er seine Gelder bezeichnenderweise deponiert hat. Sollten diese Firmenaktivitäten und Finanzgeschäfte ohne jeden Einfluss auf jene verheerenden Aktivitäten ablaufen, die in Afrika dazu führen, dass öl- und erzgewinnende Firmen das Land zulasten der dort lebenden Menschen ausbeuten und riesige Umweltverschmutzungen hinterlassen? Ist ihm nicht bekannt, dass Afrika als globale Mülldeponie für Massen an Elektronikschrott und Schwermetallen und Hunderttausende Tonnen von Atommüll nicht zuletzt auch von jenen Firmen genutzt wird, an deren Erträge seine Institution so gewinnbringend partizipiert?

Europa, Asien und Amerika überschwemmen die Länder Afrikas mit Billigprodukten – zum Beispiel die EU mit hochsubventioniertem Milchpulver, das damit die dortigen Märkte kaputtmacht. Der Aufbau einer eigenen, Hunger bekämpfenden leistungsfähigen Landwirtschaft und einer Arbeitsplätze und wenn auch bescheidenen Wohlstand schaffenden Industrie wird so permanent untergraben, nicht zuletzt aufgrund der dort herrschenden korrupten, vielfach gekauften Regierungen. Alles das sind Aktivitäten, die diesen Kontinent so unattraktiv machen, so dass die Menschen mangels Arbeitsmöglichkeiten und Lebensqualität ihr Heil in Europa, nur nicht in der eigenen Heimat suchen. Warum hat er nicht den Mut, diese eigentlichen Ursachen anzusprechen? Wohl deswegen, weil damit die verheerende Rolle auch seiner geldgierigen Kirche offenbar würde.

Die medienwirksamen Appelle dieses Moral verkündenden Oberhirten lenken zudem davon ab, dass er – wie sein Vorgänger – sein eigenes Haus bis heute nicht in den Griff bekommen hat. Man denke nur an die Zehntausende von Missbrauchsfällen weltweit, die vielfach bewusst unaufgeklärt bleiben und deren Opfer in vielen Fällen noch heute um eine wenigstens materielle Entschädigung kämpfen.

Er beschwört die Menschenwürde, aber die Menschenrechtscharta wurde vom Vatikan bis heute nicht unterschrieben, und auch die in Europa zu Recht geächtete Todesstrafe ist für die katholische Kirche nach wie vor eine Option. (Siehe den Katechismus der katholischen Kirche, 1993 und 2003/2005!). Wie war das noch mit dem Splitter im Auge des anderen und dem Balken im eigenen? (Er möge in sein heiliges Buch schauen: Matthäus 7,3!)

In Medienberichten hieß es “… die Zuhörer applaudierten anhaltend, eifrig, manche sogar gerührt.” Wie autoritätshörig, wie glaubensfixiert, wie politisch verblendet muss man eigentlich sein, um sich von solchen hohlen Reden, die nur von den kirchlich mitverschuldeten Ursachen ablenken sollen, einlullen zu lassen?