Mit Begeisterung begrüßt der Zoodachverband VdZ e.V. eine jüngst auf nature.com veröffentlichte Studie, die anhand der Daten von rund fünfzig in Zoos gehaltenen Säugetierarten untersucht hatte, ob die jeweiligen Tiere im Zoo oder in der Natur länger leben. Das Ergebnis der Studie, so der VdZ, spreche "klar für eine durchschnittlich längere Lebensdauer der untersuchten Tierarten in wissenschaftlich geleiteten Zoos", woraus zu schließen sei, dass "die Zoos den Tieren artgemäße Lebensbedingungen bieten".
Tatsache allerdings ist:
Selbst wenn die - mithin vom Zoo Halle erhobenen - Daten zeigen, dass mehr als achtzig Prozent der untersuchten Arten im Zoo durchschnittlich länger leben als in der Wildbahn - darunter Kaffernbüffel, Rentiere, Zebras, Biber sowie sämtliche der untersuchten Raubtierarten -, sagt dies per se nichts aus über die Art- bzw. Tiergerechtigkeit der Haltungsbedingungen in den jeweiligen Zoos. Sie bestätigt allenfalls die (Binsen-)Annahme, dass Tiere, die im Zoo den Gefährdungen des Lebens in freier Wildbahn nicht ausgesetzt sind - Beutegreifer, Futter-/Wasserknappheit, raue Klimabedingungen, starke Konkurrenz - und zudem präventive wie auch kurative medizinische Betreuung erhalten, weniger gefährdet sind und daher eine höhere Überlebenschance mit durchschnittlich höherer Lebenserwartung haben.
Die ethisch bedeutsame Frage, ob eine gegebenenfalls höhere Lebenserwartung im Zoo eine lebenslange Gefangenhaltung rechtfertigt oder nicht, wird in der Studie nicht gestellt und daher auch nicht beantwortet. (Our mere comparison of survival metrics between wild and captive populations should not be interpreted as a conclusive ethical judgment.) Gleichwohl machen die Autoren darauf aufmerksam, dass in Zoos gefangengehaltene Raubtiere zwar eine erhöhte Lebenserwartung aufwiesen, dafür aber anfälliger seien für Verhaltensstörungen (Carnivores show enhanced survival in zoos in our study, but are more susceptible to behavioral abnormalities).
Im Übrigen deuten die erhobenen Daten darauf hin, dass der speziesspezifische Lebensrhythmus der jeweiligen Tierart erheblich das Ausmaß des lebenserwartungserhöhenden Vorteiles beeinflusst, den eine Art von der Gefangenschaftshaltung im Zoo haben mag. (However, our data suggest that the species-specific pace of life influences the extent to which a given species may benefit from captivity.) Tiere mit einem langsamer verlaufenden Lebensrhythmus - höheres Lebensalter bei der ersten Reproduktion, längere Schwangerschaften, geringere Reproduktionsraten und geringere jährliche Sterblichkeit (wie etwa Primaten) - profitieren mit Blick auf höhere Lebenserwartung nicht von der Gefangenschaftshaltung im Zoo oder weisen gar eine geringere Lebenserwartung auf (Mammals with a slower pace of life (…) do not benefit as much from living in zoos in terms of survivorship, or even have a slightly reduced longevity.) Und dies trotz aller "Vorteile", die das Leben in Zoogefangenschaft ihnen angeblich bietet.
Morgan Tidière et al.: Comparative analyses of longevity and senescence reveal variable survival benefits of living in zoos across mammals. http://www.nature.com/articles/srep36361
6 Kommentare
Kommentare
Elke am Permanenter Link
Die meisten Wildtiere überleben die Gefangenhaltung im Zoo nur aufgrund regelmäßiger Medikation mit Antibiotika, Antimykotika, Hormonpräparaten, Immunstimulantia, Präparaten gegen Magen-/Darmgeschwüre, Schmerzmitteln
Primaten im Übrigen, die ihrer hohen kognitiven Entwicklung wegen vermutlich am meisten unter der Zoogefangenschaft leiden, werden im Zoo NICHT älter als in der Wildbahn.
nihil jie am Permanenter Link
Leben Menschen in der Gefangenschaft auch besser und länger. Das könnte man mit den Leuten von VdZ e.V. mal testen.
Kay Krause am Permanenter Link
Es ist nicht zu glauben, mit welch hahnebüchenem Blödsinn wir verdummt werden sollen.
Gefangenschafts-Areal wohler fühlt als in Afrikas freier Wildnis? Oder den Gorilla, der mit für jeden Besucher erkennbarem trostlosen Blick dahinvegetiert, aber eben "länger" !? Mit der stupiden Antwort "Die verstehen mich ja nicht, wie soll ich sie befragen? Sie machen auf mich einen zufriedenen Eindruck!" ist es nicht getan. Wir können von den Tieren nicht erwarten, dass sie irres menschliches Verhalten zu verstehen lernen. Aber wir Menschen besitzen die Intelligenz, die Bedürfnisse und das natürliche Verhalten, die Ausdrucksweise, ja selbst die "Sprache" von Tieren zu verstehen! Aber imgrunde sind all diese Überlegungen sowieso wertlos und überflüssig, da wir dabei sind, den Wildtieren auch noch die letzten Überlebensgebiete zu rauben. Manche ihrer Arten sind bereits unwiederbringlich ausgestorben, andere sind vom Aussterben bedroht und werden letztlich nur noch in Zoos überleben und vorzeigbar sein. Aber eben "länger"! Und dafür können wir uns dann gegenseitig auf die Schultern klopfen. Wir Menschen können wahrlich stolz sein auf unsere Leistungen, und Gottes Bodenpersonal rechtfertigt dieses Verhalten auch noch mit dem Bibelsatz "Machet Euch die Erde untertan!" Wunderbare Welt!
Zeitler am Permanenter Link
Ich habe nur darauf gewartet, dass dieser Reflekartikel erscheint.
Elke am Permanenter Link
Und ich habe nur drauf gewartet, dass eine derart argumentelose Replik kommt. Auf eine derart dämliche, die Zookritik auf eine Stufe stellt mit Klimawandelleugnung allerdings nicht.
Im Übrigen wird die Studie doch überhaupt nicht angezweifelt, allerdings darf darauf hingewiesen werden, dass sie in Zusammenarbeit mit dem Weltzooverband WAZA und dem Zoo Halle entstand.
Die von Ihnen bemängelte Übersetzung ist inhaltlich völlig korrekt, sogar korrekter als die Darstellung der Studienergebnisse selbst (deren Original zum Nachlesen im Übrigen danebensteht): Tiere einer Art, die im Zoo belegtermaßen nicht älter werden als im Freiland, profitieren mit Blick auf höhere Lebenserwartung eben nicht nur "nicht so sehr" von der Gefangenhaltung, sondern überhaupt nicht.
pavlovic am Permanenter Link
Wie wäre es die Kritik an Zoos mit dem allgemeinen Umweltverbrauch durch menschliche Überbevölkerung ins Verhältnis zu setzen? Wievielen Tieren hilft man wenn man alle Zoos schließen würde?