Horst Herrmann will eine Debatte über "christliche und säkulare Feiertage" in Deutschland anstoßen. Er hält es weder für politisch korrekt noch theologisch fair, wenn Feiertage erhalten und staatlich gestützt werden, die auf historisch dubiosen Ereignissen beruhen. Beispiele, über die diskutiert werden sollte, sind Weihnachten, Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten und Mariä Himmelfahrt.
Feste feiern, wie sie fallen? Sie fallen in der Tat. Der Disput ist schon eröffnet. Erschreckend freilich, welches Gewaltpotential sich in solchen Diskussionen bemerkbar macht. Hunderte von schmähenden und drohenden Mails brachen beispielsweise über eine Kita herein; deren Martinszug stand unter Polizeischutz, und kein Bischof sah sich genötigt, bestimmte Gläubige zu rügen. Dabei war einmal mehr deutlich geworden, welches Lager gewaltbereit ist.
Doch werden die Grundlagen der Feste und Prozessionen dennoch zunehmend überdacht. Ein Beispiel: Das Fest Fronleichnam erscheint aus mehreren Gründen fragwürdig. Allein seine Basis ist bedenklich. Wir brauchen nur an die Vorgänge um das so genannte Letzte Abendmahl zu denken. Und auch eine folkloristische Tradition des Festes bleibt verdächtig. Für sie können zwar Bürgerwehren mobilisiert werden, doch für ihre Festteppiche müssen Zigtausend Blumen sterben.
Schluss damit. Was sich bereits abzeichnet: Die Zeit, da das Christentum eine über eine unbefragte, "natürliche" Mehrheit in Staat und Gesellschaft verfügte, geht unaufhaltsam ihrem Ende zu. Die politischen Stützen, auf die sich die Gläubigen verlassen konnten, werden schneller und gründlicher wegfallen als gedacht. Künftig wird gerade das Gegenteil vom aktuellen Status als "natürlich" empfunden werden.
Wir haben sogar etwas Glück. Was bestimmte Bundesländer noch an so genannten stillen Feiertagen kennen, an denen unter Anderem öffentliches Tanzen behördlich untersagt ist und polizeilich verfolgt wird, sieht nach einem Erbe der österreichischen Monarchie aus. Unter den damaligen Kaisern waren an den "Norma-Tagen", diesen gesperrten Festtagen mit katholischem Hintergrund, öffentliche Musik- und Theateraufführungen verboten.
Und Norma-Tage gab es zeitweilig zuhauf: Die drei letzten Tage der Karwoche, Fronleichnam, die Vorabende der Frauenfeste, alle Frauentage wie Mariä Himmelfahrt, Mariä Verkündigung, Mariä Empfängnis selbst, Allerheiligen und Allerseelen, alle Tage im Advent vom 15. Dezember an, Heiliger Abend, Weihnachten, alle Freitage und alle Sonntage des Jahres. Da sind wir schon etwas weiter. Solche Häufungen zu Lasten der "Lustbarkeit" sind zu Recht überholt. Den Rest schaffen wir noch.
Eine Verrohung der Sitten oder eine Verletzung des religiösen und sittlichen Empfindens, wie sie in die Argumentation der Verteidiger des Status quo eingegangen sind, ist nicht zu befürchten. Ich halte ohnedies den Versuch kirchlicher und weltlicher Obrigkeiten, ausgerechnet mithilfe von Verboten die so genannte Sittlichkeit zu schützen oder zu heben, in aller Regel für verdächtig.
Dabei ist das so genannte Glaubensleben in seinen praktischen Äußerungen weithin zu einer folkloristisch geprägten Beschäftigungstherapie herabgesunken. So gibt es noch im 21. Jahrhundert Orte in Deutschland, wo mehrmals im Jahr Prozessionen mit unechten Reliquien abgehalten werden. Mit Schädelreliquien übrigens, die auch andernorts vorgezeigt werden. Offenbar hatte der gefeierte Heilige mehrere Köpfe.
Und es gibt Orte, wo dreimal pro Tag Kirchenglocken läuten, um an den Besuch des Engels bei Maria von Nazaret zu erinnern - also an ein erdachtes Ereignis. Das Volk will es so? Oder Religionsdiener wollen es? Das Volk feiert eh schon lange anders. Die Kenntnis beispielsweise der Inhalte von Ostern, Christi Himmelfahrt, Pfingsten ist dahin.
Wie wäre es mit einem Tag der Menschenrechte? Mit einem Evolutionstag, einem Tag des Welthumanismus, einem Tag des Weltfriedens, einem Fest der Aufklärung? Immerhin erinnern uns solche Zusammenhänge nicht an ausgedachte, sondern an nachgewiesene Geschehnisse. Jedenfalls stimmt die Relation zwischen christlichen und säkularen Feiertagen längst nicht mehr: Neujahr, Tag der Arbeit, Tag der Einheit sind ganze drei säkulare Feste. Ihnen steht ein Dutzend christlicher Feiertage gegenüber.
Wo leben wir? Wo bleibt die Neutralität unseres Gemeinwesens, wenn Feiertage, die an wesentliche Ereignisse erinnern wie ein Tag der Menschenrechte, noch immer keine Chance eingeräumt bekommen? Hat denn die Proklamation der Menschenrechte weniger zum Fortschritt der Welt beigetragen als Christi Himmelfahrt?
Es ist Zeit, dass beispielsweise auch die Gewerkschaften, die über die Zahl der arbeitsfreien Tage wachen, eindeutige Stellung beziehen. Und auch der Bundestag sollte endlich tätig werden. Deutschland darf keine verspätete Nation bleiben.
14 Kommentare
Kommentare
Johannes am Permanenter Link
Apropos stille Feiertage, das Bundesverfassungsgericht so: Ey, Ihr Bayern, geht so nicht. Mal schauen, wie der Widerstand, eingedenk der Aufregung um das Kruzifix-Urteil von 1995, diesmal ausfällt.
http://www.sueddeutsche.de/bayern/bundesverfassungsgericht-tanzverbot-an-karfreitag-in-bayern-ist-verfassungswidrig-1.3273153
Erwin Schmid am Permanenter Link
Als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist der bfg als Weltanschauungsgemeinschaft den Religionen in jeder Richtung gleichgestellt. Die Dachorganisation bfg Bayern K.d.ö.R.
* Evolutionstag
(Am sechsten Freitag nach dem Sonntag, der dem ersten Frühjahresvollmond folgt, wird der Evolutionstag des Bund für Geistesfreiheit Bayern gefeiert.
Termine: 2017 26. Mai, 2018 11. Mai)
* 21. Juni Welthumanisten-Tag
* 10. Dezember Tag der Menschenrechte
Mitglieder des bfg (und deren Kinder) können ab sofort wie die Mitglieder anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften die Annehmlichkeiten von Schul- und Arbeitsbefreiung in Anspruch nehmen. Es genügt dafür der formlose Antrag bei Arbeitgebern und Schulen. Vorlagen für den Antrag stellt der bfg Bayern sowie seine Ortsgemeinschaften in 12 bayrischen Städten auf Wunsch gerne kostenlos zur Verfügung. Die reguläre Mitgliedschaft im bfg kostet jährlich je nach Ortsgemeinschaft ca. 60€ pro Jahr, es gibt aber auf Antrag auch beitragsfreie Solidaritätsmitgliedschaften. Die Mitgliedschaft im bfg hilft den Mitgliedern auch, das „Besondere Kirchgeld“ zu vermeiden, mit dem Konfessionslose in sogenannten „glaubensverschiedenen Ehen“ durch die Hintertür die christlichen Großkirchen finanzieren müssen.
Willie am Permanenter Link
Bei der ganzen Diskussion/dem Streit um Feiertage, besonders wenn sie allgemeiner benannt werden, dreht es sich doch immer um Hoheittsrechte der Christen und damit auch um ein "Wir sind besser, daher ...."
Wenn ein Martinsumzug von einem Kindergarten oder einer Grundschule als Laternenfest bezeichnet wird, dann wird den Christen damit doch nichts weggenommen. Jeder Christ darf es weiterhin, auch bei den Kindern zuhause, auf der Straße oder in Bibelkreisen und Kirchen, als Martinsfest bezeichnen und in diesem Sinne begehen. Ähnliches haben wir bei der Gleichstellungsforderung in der Zivilehe. Jeder Christ, jeder Kirchengemeinde darf diese Ehe ablehnen und ihr den kirchlichen Segen verwehren. Was sie eben nicht mehr dürfen ist, dies der Allgemeinheit aufzuwingen.
Was bei der Bezeichnung Lichterfest für Weihnachten noch hinzukommt ist der Punkt, dass dies auch ein Bezeichnung für Chanukka (in der Weihnachtszeit) ist. Wer gegen diesen Namen aufbegehrt, der muss auch mit einem Vorwurf des Antisemitismus zurecht kommen.
Was nun geschieht ist bereits eine überdenken diese Festinhalte, sie werden einer vielfältigeren Bevölkerung namentlich angeglichen und damit sogar ein urchristliches Anliegen umgesetzt: Liebe deinen Nächsten, schließe ihn ein und nicht aus.
Wie wäre es, wenn man diesen Hauptfeiertagen generell auch säḱulare Namen zuweist? Warum nur Advent und nicht auch Monat der Menschenrechte und zum Abschluß der/die Tage des Welthumanismus. Da Kirchen zu Weihnachten oft auch gegen den "Welthunger" sammeln, können dort dann ebenfalls säkulare Hilfsorganisatonen mit eingebunden werden. Letztendlich ist es doch auch nur eine Rückgewinnung von Festtagen, die die Christen nur okkupiert haben.
David am Permanenter Link
also wird die Religion an den stillen Feiertagen weggetanzt und weggefeiert
Ingo Leschnewsky am Permanenter Link
Das wäre ja schön, wenn man Religionen einfach so wegtanzen und -feiern könnte. Dann würde ich sofort einen Tanzkurs belegen...
Christian Schubert am Permanenter Link
Meines Erachtens gibt es zur Zeit nur zwei staatliche Feiertage, die nicht auf christlichen Festen beruhen: der Tag der Deutschen Einheit und der Tag der Arbeit.
Natürlich können Sie auch versuchen, einen "Welthumanismustag" einzuführen - prima. Ich tippe darauf, dass die Menschen doch lieber Weihnachten feiern werden.
Übrigens: Wissen Sie eigentlich, wer den "Kampftag der Arbeit" am 01.05.1933 offiziell eingeführt hat, nachdem das 1919 gescheitert war? Schlagen Sie doch mal nach. Das ist ja wirklich ein Feiertag zum Gernhaben!!!
Horst Herrmann am Permanenter Link
Nichts verstanden, nur typisch christlich argumentiert. Wo haben Sie denn gefunden, dass ich nur die bisherigen säkularen Feiertage begangen sehen möchte?
Christian Schubert am Permanenter Link
Mir ist schon bewusst, dass Sie mehr als die bisherigen säkularen Feiertage haben wollen und diese auch arbeitsfrei sein sollen.
Und sicher ist der 1. Mai nicht von den Nazis erfunden, aber als solcher doch eingeführt worden. Und falls Sie es geschafft haben sollten, in der DDR einmal einem Marsch am 1. Mai zuzusehen, wie mit roten Nelken gewunken wurde, um die Mächtigen zu bauchmiezeln, dann können Sie mir gern mal erklären, was denn das mit den Werktätigen eigentlich zu tun hatte.
Ob Sie Feiertage künstlich installieren können, dafür fehlt mir die Phantasie. Sie können es gern versuchen.
Für das Reichskonkordat werde ich mich kaum entschuldigen müssen, zumal ich in meinem Leben noch niemals römisch-katholisch war, im Gegensatz zu Ihnen. Sagen Sie mal: als Sie Ihre Lehrbefugnis von der katholischen Kirche entzogen bekommen haben, wie sind Sie denn dann an gleicher Universität in einem anderen Fachbereich zu einem neuen Lehrstuhl gekommen? Hatte das etwas mit dem Reichkonkordat zu tun? Ich will Ihnen da nichts unterstellen, allerdings sehe ich bei Ihnen da deutlich mehr Erklärungsbedarf als bei mir selbst
Horst Herrmann am Permanenter Link
Na, da verraten Sie noch viel Nachholbedarf in wesentlichen Rechtsfragen.
Christian Schubert am Permanenter Link
Vielen Dank für Ihre großzügige Nachhilfe in Rechtsfragen. Verstanden hatten Sie mich freilich nicht. Natürlich profitieren Sie indirekt von ebenjenem Reichskonkordat.
Jetzt frage ich mich: Hätte Ihre theologische Promotion und Habilitation tatsächlich dafür qualifiziert, eine sozialwissenschaftliche Stelle anzutreten? Das mag sein, ich maße mir nicht an, das Gegenteil zu behaupten. Zweifel sind erlaubt. Sie sind also nach dem deutschen Recht (und als solches gehört das Reichskonkordat dazu) ordentlicher Professor geworden, um dann nach Bruch mit „Ihrer“ Kirche weiter besoldet zu bleiben. Und in der C-Besoldungsordnung ist es leichter, ein Rebell zu sein als außerhalb. Da fällt man weicher.
Damit Sie sich nicht irren: keinesfalls neide ich Ihnen das. Das steht Ihnen zu. Aber ich frage mich schon, ob nicht bei all der Kritik an „der Kirche“ (in der Sie immer römisch-katholisch denken) und deren „Geschäften“ auch etwas Doppelbödigkeit vorhanden ist, wo Sie doch selbst einst von dieser Kirche und Ihrer Berufung profitiert haben und immer noch profitieren. Meine Attitüde des Unwissenden ist sicher beschämend für einen großen Geist wie Sie es sind. Sie ist mir aber wesentlich lieber als die Attitüde des Selbstgerechten.
David am Permanenter Link
ihnen ist schon klar das ostern weihnachten und pfingsten keine christlichen feste sind, die sind heidnischen ursprungs.
Bernie am Permanenter Link
Ich wäre für den Vorschlag von Herrn Horst Herrmann zumal man - in unserer Region - auch christliche Weihnachtsmärkte mit buddhistischen Inhalten füttert.
Zynischer Gruß
Bernie
Pippi Langstrumpf am Permanenter Link
Ich finde den Ansatz von Herrn Herrmann grundsätzlich nicht schlecht. Aber warum gibt es überhaupt Feiertage? Bringen uns säkulare Feiertage wirklich weiter?
Ilse Ermen am Permanenter Link
Nun, es sollte allgemein bekannt sein, dass Feste wie Weihnachten oder Ostern heidnisch sind (Wintersonnenwende bzw.