Der österreichische Fernsehjournalist Roland Adrowitzer hat mit "Rechts um! Wie Europa abgewählt" wurde einen Sammelband mit Länderportraits zum Thema veröffentlicht. Die einzelnen Beiträge enthalten journalistische Beschreibungen – meist ohne analytischen Tiefgang – zur Entwicklung in einzelnen europäischen Ländern, können aber als erste Einführung in ein komplexes Thema genutzt werden.
Die Europäische Union ist durch ökonomische und politische Probleme in eine Legitimationskrise geraten. Der "Brexit" kann als exemplarischer Ausdruck dafür gelten. Gleichzeitig gibt es einen Anstieg der Fremdenfeindlichkeit, der in der Flüchtlingsentwicklung aber häufig nur eine Scheinlegitimation findet. Davon profitieren Parteien, die als "rechtspopulistisch" in Öffentlichkeit und Wissenschaft tituliert werden. Deren Aufstieg lässt sich in vielen Ländern konstatieren, auch in Deutschland oder Schweden, galten diese Staaten doch lange als immun gegenüber derartigen politischen Versuchungen.
Wie es um die Entwicklung in neun Länder steht, ist Gegenstand eines Sammelbandes mit dem Titel "Rechts um! Wie Europa abgewählt wird". Herausgegeben hat ihn der bekannte österreichische Journalist Roland Adrowitzer, der als Chefreporter für "Zeit im Bild" arbeitet und das Korrespondentenbüro des ORF leitet. Im Vorwort bezeichnet er den Band als Buch von ORF-Korrespondenten. Und in der Tat berichten die Autoren aus den jeweiligen Ländern.
Am Anfang steht Andrea Jöllis Blick nach Deutschland, wobei die Erfolge der "Alternative für Deutschland" (AfD) im Zentrum stehen. Der Titel "In der europäischen Wirklichkeit angekommen" macht deutlich, dass es dort jetzt ähnliche Entwicklungen wie in anderen Ländern gibt. Hans Woller macht auf die Entwicklung des "Front National" (FN in Frankreich aufmerksam, habe dieser doch eine "Entdiabolisierung" vollzogen und sei in breitere Schichten eingedrungen. Der Autor geht auch auf die "Basisarbeit" des FN und den Kredit an ihn von einer russischen Bank ein. Anschließend wird Großbritannien von Bettina Prendergast behandelt, wobei sie den "Albtraum Brexit" als großen Coup der "UK Independence Party" (UKIP) deutet, habe die Partei doch von Anfang an auf dieses Ziel hingewirkt. Rafaela Stefandl nimmt danach die "Schweizer Volkspartei" (SVP) in den Blick, welche bereits sehr früh mit dem Politikthema "Zuwanderung" polarisierte und damit Wählerzustimmung für sich mobilisieren konnte.
Dem folgt mit Tim Cupal ein Beitrag über die Niederlande, wo die Bewegung um Geert Wilders und seine Partei "Partij Voor de Vrijheid" (PVV) besonders mit Islam- und Muslimenfeindlichkeit punkten konnte. Der Herausgeber selbst geht danach auf die Entwicklung in den skandinavischen Ländern ein und fragt nach Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Parteien. Denn die "Fremskrittspartiet" (FrP) in Norwegen und die "Sverigedemokraterna" (SD) in Schweden können bei allen Ähnlichkeiten nicht pauschal gleichgesetzt werden. Die in ähnlichen Büchern ansonsten ignorierte Entwicklung in Osteuropa beginnt mit einem Blick auf Polen von Karin Koller, wo mit "Prawo i Sprawidliwosc" (PiS) bereits eine derartige Partei an der Regierung ist. Dem folgt Ernst Gelegs Darstellung zu Ungarn, wo man es mit dem gleichen Phänomen zu tun hat. Und schließlich nimmt Christian Lininger das Russland unter Putin ins Visier, könne man dort doch von einer Abkehr vom Westen und einem "Rechtsschwenk von oben" sprechen.
Das Buch ist von Fernsehkorrespondenten geprägt. Die einzelnen Länderportraits sind in eingängiger Schreibe gehalten. Aufgelockert werden die Kapitel durch viele Fotos, welche die Führungsfiguren und Mitglieder der gemeinten Parteien zeigen. Damit entsteht ein plastischer Eindruck von dem Vorgestellten. Indessen kommt die Analyse bei so viel Beschreibung zu kurz. Einzelne Autoren bleiben auf dieser Ebene und präsentieren Bewertungen nur in Form von Fremdzitaten. Andere gehen mehr in die Tiefe, wobei Agitationstechniken und Gesellschaftsentwicklung näher ins Visier genommen werden. Insgesamt handelt es sich eher um einen journalistisch-oberflächlichen Band, der aber als gelungene Einführung in das Thema gelesen werden kann. Bei einem Buch aus Österreich vermisst man ein Kapitel über Österreich. Darauf geht der Herausgeber in der Einleitung kurz ein. Er meint dort, man wolle die "Freiheitliche Partei Österreichs" (FPÖ) anderen Experten überlassen. Das überzeugt als Begründung nicht ganz so sehr, aber dann ist das eben so.
Roland Adrowitzer (Hrsg.), Rechts um! Wie Europa abgewählt wird, Wien 2016 (Styria), 224 S., ISBN: 978-3222135330, 24,90 Euro
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Martin Mair am Permanenter Link
Der Staatsfunk ORF ist nun einmal sehr oberflächlich und der Styria-Verlag gehört einem Katholischen Presseverein ...