2.000 Humanismus-Bücher für britische Schüler

Aufklärungsaktion der Britischen Humanisten findet großen Zuspruch

Die Grundschulen in Großbritannien bekommen ab dieser Woche eine besondere Postsendung. Über 2.000 Exemplare des Aufklärungsbuchs "Was ist Humanismus?" der Kinderbuchautoren Michael Rosen und Annemarie Young werden in den nächsten Wochen und Monaten von der British Humanist Association (BHA) an alle Grund- und Gesamtschulen verschickt. Zahlreiche renommierte Autoren haben an dem Buch mitgeschrieben.

Das Buch soll dazu beitragen, das Kinder etwas "über die verschiedenen Überzeugungen und Perspektiven lernen können, denen sie im modernen Großbritannien begegnen", begründete BHA-Vorstand Andrew Copson. Für viele Schulen und Bibliotheken in Großbritannien ist das Buch mutmaßlich das erste, das über nicht-religiöse Lebenshaltungen aufklärt. Es sei wichtig, "dass Kinder Zugang zu Informationen über die verschiedenen Religionen und nicht-religiösen Perspektiven hätten, um eine eigene Haltung entwickeln zu können", so Copson weiter.

Das Buch ist bislang einmalig in seinem Konzept. Es enthält altersgerechte Texte von renommierten Autoren wie Stephen Fry, Philip Pullman und Natalie Haynes, aber auch von BHA-Repräsentanten wie dem Physiker Jim Al-Kahlili oder dem Autor und Comedian Shappi Khorsandi. Den Schülern wird in den einzelnen Beiträgen die humanistische Moral und Ethik nahegebracht und Anregungen gegeben, um über die Ursprünge des Lebens sowie die Beziehung zwischen Religion und Staat nachzudenken. Das Ziel des Buches bestehe darin, Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft die nicht-religiösen Werte nahezubringen, die viele Briten teilen.

"Millionen Menschen in diesem Land und auf der ganzen Welt haben sich für eine Lebensphilosophie ohne Bezug auf die Religionen entschieden. In den Schulen wird jedoch sehr viel Zeit und Mühe damit verbracht, die Ideen der großen Weltreligionen zu erläutern. Die Ideen des Humanismus, des Säkularismus und des Atheismus werden weitgehend ignoriert", werden die beiden Herausgeber auf den BHA-Seiten zitiert. "Das Ungleichgewicht zwischen dem, was geglaubt wird, und dem, was gelehrt wird, ist sicher falsch. Unser Buch leistet einen Aufschlag für eine Diskussion darüber, was der Humanismus ist und wie Humanisten ihr Leben leben", erklären Rosen und Young weiter. Die Leser würden daher bei der Lektüre aufgefordert, sich den wichtigen Fragen des Lebens zu stellen."

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Offizielle Übergabe des ersten Exemplars von "What is Humanism?" mit Michael Rosen und Annemarie Young in der Hanover Primary School in Islington.

Das Buch konnte dank einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne umgesetzt werden. Neben der Publikation werden den Schulen außerdem pädagogisches Zusatzmaterial sowie Trainer angeboten, um Lehrer dabei zu unterstützen, eigene Unterrichtseinheiten zu erarbeiten. Für weiterführende Unterstützung wurde die Website understandinghumanism.org.uk ins Leben gerufen.

Die Humanisten in Großbritannien können an den Schulen für Ihre Weltanschauung werben, weil 2015 das Oberste Zivilgericht entschied, dass der Ausschluss des Humanismus aus dem Schulcurriculum rechtswidrig ist. Richter Mark Warby führte damals in seinem wegweisenden Urteil aus, dass Staat bei der Ausübung seines Bildungsauftrags verpflichtet sei, "die religiösen und philosophischen Überzeugungen" der Eltern zu respektieren. Ferner müsse er darauf achten, dass die im Curriculum enthaltenen Informationen in pluralistischer Art und Weise vermittelt werden, wobei die Vermittlung den verschiedenen religiösen und nichtreligiösen Überzeugungen gleichermaßen entsprechen müsse. Der Staat sei nicht berechtigt, zwischen Religionen und Überzeugungen qualitativ zu diskriminieren.

So manchem christlichen Vertreter im Vereinigten Königreich passt das nicht. In Nordirland hat sich der christlich-radikale Politiker David McIlveen dabei ordentlich im Ton vergriffen. "Mein Gefühl sagt mir, dass Humanismus nichts ist, was man Grundschulkindern vermitteln sollte", wird er in der unabhängigen nordirischen Tageszeitung Belfast Telegraph zitiert, nachdem der nordirische BHA-Ableger den Buchversand gestartet hat. Weiter spricht der presbyterianische Geistliche und leidenschaftliche Schwulenhasser von einer "Ausbeutung der Jugendlichen", wenn man ihnen humanistische Denker und Ideen präsentiere.

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Innenansicht des eigens von Michael Rosen und Annemarie Young verfassten Buches "What is Humanism?" 

Der Vertreter der nordirischen Humanisten, Boyd Sleator, wird in dem Beitrag mit den Worten zitiert, dass der lokale Bildungsplan in religiösen Fragen von den christlichen Religionen dominiert wird. Dazu kommt der jahrzehntlange Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten, der die starke christliche Prägung der nordirischen Gesellschaft zusätzlich prägt. Säkulare und Humanisten haben es deshalb aber nicht leichter. Ganz im Gegenteil: "Selbst im gottesfürchtigen Nordirland führt der Fortschritt des Säkularismus alle Christen zusammen", schrieb der britische Economist in einem Beitrag mit dem Titel "Der Teufel, den du kennst".

Die Schulbuchaktion wurde in der BBC-Sendung Talkback vorgestellt, Hörer konnten sich zur Frage "Kann man ein gutes Leben ohne Gott führen" positionieren. Die insgesamt 37 Minuten Hörertalk (noch bis zum 22. März zum Download) veranschaulichen eindrucksvoll, wie fatal sich die religiöse Prägung der Mehrheit auf das gesellschaftliche Miteinander und die Fähigkeit, in Austausch zu treten, auswirkt.

Gegen religiösen Druck hilft nur Humor. Der britische Humanist und Philosoph A. C. Grayling kommentierte McIlveens Äußerung auf Twitter mit einem ironischen Augenzwinkern. "Da hat wohl jemand Angst vor der besseren Alternative."

Auch die BHA selbst kommentierte die Hypokrisie des nordirischen Lokalpolitikers mit Humor. Eine Grafik, auf der unter anderem steht, dass Menschen und andere Lebewesen im Mittelpunkt des moralischen Denkens stehen sollten, haben sie mit dem Kommentar versehen: "Das sind die angeblich schrecklichen Werte, wegen denen ein presbyterianischer Geistlicher fordert, dass wir junge und aufgeschlossene Geister abhalten sollten, zu lernen, dass sie existieren."

Zahlreiche Lehrer und Bildungsinstitutionen haben die Informationen zur BHA-Aktion bereits auf Twitter und Facebook geteilt. Zu den digitalen Unterstützern gehören auch Prominente wie der Musiker Tim Minchin, Fernsehmoderator Christian Jessen oder Anthropologin und Bildungsexpertin Alice Roberts.